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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Wilhelm Hefner

Dem Kreis der verdienten Bürger der Stadt Obernburg ist zweifelsohne auch der aus Fechenbach stammende „schnitzende Pfarrer“ Wilhelm Hefner zuzuordnen. Als er im Dezember 1925 Pfarrer von Obernburg wurde, hatte er schon während des Ersten Weltkrieges als junger Kaplan künstlerische Erfahrung gesammelt bei seinem älteren Bruder Heinrich, damals Pfarrer in Glattbach und später in Wiestal. Dieser beeinflusste ihn so sehr, dass er nach Übernahme der Pfarrei Obernburg im Pfarrhaus eine eigene Schnitzwerkstatt einrichtete.

Hl. Josef mit Jesuskind, heute im Chorraum der Annakapelle

Mehrere Kruzifixe und das Altarkreuz der ehemaligen Kapelle in der früheren “Mädchenschule”

Doch Pfarrer Hefner schnitzte nicht nur sakrale Kunstwerke. Diese Figur eines Nachtwächters hat folgende Geschichte: Der spätere Kardinal Döpfner, seinerzeit Kaplan im benachbarten Großwallstadt, besuchte Pfarrer Hefner. Dieser trapierte ihn mit Gewändern, fotografierte ihn und schnitzte danach diese Figur des Kardinal Döpfner als “Nachtwächter”.

Auch bei seinen früheren Dienststellen als Kaplan in Glattbach und Pfarrer in Weibersbrunn hat er nach einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1932 seine künstlerischen Spuren hinterlassen. Welche Objekte dort noch vorhanden sind, wäre nachträglich zu klären.

Eine besondere Stellung bei der Würdigung seines Schaffens nehmen die Weihnachtskrippe und der herodianische Tempel ein (beide in der Stadtpfarrkirche im Krippenraum der Unterkirche). Mit diesen hat er in jahrelanger Arbeit einmalige Werke geschaffen, die die Kirchenbesucher und insbesondere die Kinder zur Weihnachtszeit begeistern. Er hat Studienreisen ins heilige Land unternommen und seine Darstellungen an historischen Stätten orientiert. Pfarrer Hefner war zwar kein akademisch ausgebildeter Bildhauer, sondern ein künstlerisch begabter Priester, der als Schreinerssohn im Umgang mit Holz bestens vertraut war und dem seine künstlerische Tätigkeit offenbar viel Freude bereitete. Um seine künstlerischen Fertigkeiten zu vervollkommnen, hielt er auch engen Kontakt mit der Schnitzschule Neuhammer.

In früheren Jahren wurde die Krippe zur Weihnachtszeit in der alten Kirche am Marienaltar aufgestellt und war damit fester Bestandteil des Gottesdienstbesuches. Während an Weihnachten nur die nüchterne Krippenszene mit der heiligen Familie, Hirten, Schafen, Ochs und Esel dargestellt wurde, kamen am 6. Januar die Heiligen Drei Könige mit großem und prächtigem Gefolge dazu.

Eine weit und breit wohl einmalige Darstellung löste am Lichtmesstag (2. Februar) die Krippe an der selben Stelle ab. Gezeigt wurde dann der in akribischer Arbeit geschnitzte „Tempel des Herodes“ mit der Darstellung Jesu im Tempel. Auf dem Tempel-Innenhof sind neben dem Opferaltar Hohe Priester, Geldwechsler und Opfertiere zu sehen, so wie dies aus der Bibel überliefert ist.

Anfang 1950 wurde ein eigener Krippenraum an die Kirche angebaut und beim Neubau der Kirche verlegte man die Krippe in einen Nebenraum der Unterkirche. Leider wurde dann die Tempelanlage nicht mehr aufgebaut und die Einzelteile lagerten jahrelang in Scheunen und in der Abstellkammer neben dem Krippenraum. Seit 1985 ist die Tempelanlage als Dauerausstellung neben der Krippe in der Unterkirche wieder zu sehen. Vorausgegangen war eine gründliche Renovierung und Restaurierung der gesamten Anlage durch unsere Stammtischrunde. Probleme bereitete insbesondere der schlechte Zustand des Tempels und ein starker Holzwurmbefall der gesamten Anlage. Durch eine Spezialfirma wurde der gesamte Krippenraum mehrere Stunden mit Heißluft behandelt bis auch im Innern der Holzteile eine Temperatur von 60 – 70 Grad erreicht wurde. Um einen Neubefall zu vermeiden, wurde die Rückseite der Konstruktion mit einer Borsalzlösung eingesprüht und die Anlage mit Glasscheiben eingehaust. Ohne diese gründlichen und aufwändigen Maßnahmen wäre ein weiterer Verfall des gesamten Kunstwerkes nicht zu verhindern gewesen.

An dieser Stelle ist auch nochmals den Firmen und Personen zu danken, die bei den Erhaltungsmaßnahmen die „Stammtischler“ durch Materialspenden und technische Hilfe unterstützt haben: Glaserei Abb, Glas-Dreisbusch, Schreinerei Fath, Holzbau-Reichert, Zimmerei Reis, Franz-Peter Reis. Dank auch an Leo Hefner für die künstlerische Beratung und Gestaltung des Krippenraumes. Ein besonderer Gönner bei den über mehrere Jahre sich hinziehenden Restaurierungsarbeiten war der inzwischen verstorbene Karpfenwirt Rudi Deckelmann.

In der gesamten Anlage sind übrigens 88 Einzelfiguren zu sehen, die einer gesonderten Holzwurmbehandlung in Frankfurt unterzogen wurden. Auch der Zustand der Schnitzereien ließ sehr zu wünschen übrig. In mühevoller Kleinarbeit haben wir abgebrochene Teile ergänzt und die Figuren auch farblich wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt.

Während der Restaurierung wurde in der Tageszeitung mehrmals über den Fortgang der Arbeiten berichtet. Besonders erfreulich war damals, dass angeregt durch diese Veröffentlichungen einige Figuren wieder den Weg zurück zur Krippe fanden, die offenbar in früheren Jahren als „Andenken“ mitgenommen worden waren. Als wir uns eines Abends wieder zum Arbeitseinsatz trafen, standen diese vor der Tür zum Krippenraum.

Im Gegensatz zu anderen Krippenausstellungen, die schon während der Adventszeit besucht werden können, ist die Hefner-Krippe, wie in der Vergangenheit, erst ab 24. Dezember zu sehen. Es wurde auch beibehalten, dass an Weihnachten nur die eigentliche Krippenszene dargestellt wird und erst ab 6. Januar die Heiligen Drei Könige mit Gefolge dazu kommen.

Pfarrer Hefner hat mit Krippe und Tempel der Pfarrei Obernburg bedeutende Werke hinterlassen, die in ihrer Darstellung wohl einmalig sind. Wenn man die Figuren genau betrachtet, so merkt man, dass ein echter Könner mit viel Liebe zum Detail am Werk war.

Die Ähnlichkeit mit so manchem Obernburger ist nicht nur zufällig, stand er doch bewusst oder unbewusst Modell. Bei der Restaurierung der gesamten Anlage wurde auch darauf geachtet, dass der ursprüngliche Zustand möglichst erhalten blieb. Auch das von manchen Erwachsenen als kitschig empfundene Läutwerk mit dem segnenden Jesusknaben wurde originalgetreu erhalten, sicherlich zur Freude der Kinder, die durch Einwerfen einer Münze den 1930 in München gebauten Mechanismus in Gang setzen können.

Die genannten Kunstwerke sind ein einmaliges Vermächtnis eines beliebten und aufgeschlossenen Seelsorgers, die sicher auch noch künftigen Generationen Freude bereiten werden. Möglicherweise sind noch weitere künstlerisch wertvolle Schnitzereien in privater Hand. Für Hinweise auf weitere (auch noch nicht gefundene) Werke - beispielsweise die Einrichtung der Kapelle im ehemaligen Krankenhaus Obernburg – wären wir dankbar.

Wilhelm Hefner, geboren am 26.7.1883 in Fechenbach, wurde am 28.7.1907 von Bischof Ferdinand Schlör zum Priester geweiht und trat nach mehreren Stationen als Kaplan, Expositus und Pfarrer in Sommerau, Fellen, Dingolshausen, Höttingen, Glattbach und Weibersbrunn am 14.12.1925 die Pfarrstelle in Obernburg an. Anlässlich seines silbernen Priesterjubiläums überbrachte der damalige Bürgermeister Kommerzienrat Wörn die Glückwünsche der Stadt: „Der Jubilar möge aus der großen Beteiligung an der Jubelfeier, in der Kirche sowohl als auch an dem Festabend, aus dem Schmuck der Kirche und der Häuser erkennen, wie sehr ihm die Einwohnerschaft ergeben sei. Dankbar seien ihm Alle für seine Tätigkeit als Hirte und Seelsorger. Große Verdienste habe sich H.H. Stadtpfarrer Hefner um die Erneuerung unserer Pfarrkirche erworben. Ihm allein gehöre das Verdienst, sie im Stile des freundlichen fränkischen Barocks ausgestaltet zu haben. Der Stadtrat habe sich daher in einstimmiger Erkenntnis der Verdienste entschlossen, ihm das Ehrenbürgerrecht zu verleihen...“.

Pfarrer Hefner war von 1935 – 1954 Dekan des Dekanats Obernburg. 1942 wurde er zum Bischöflichen Geistlichen Rath ernannt.

Im Obernburger Boten vom 25.7.1953 ist zu lesen: „Der Priester – Künstler – Ehrenbürger Geistlicher Rat Wilhelm Hefner wird morgen 70 Jahre alt.“ Neben einer Würdigung seines seelsorgerischen Wirkens und seiner künstlerischen Tätigkeit wird auch berichtet, dass er 1949 auf dem Rhein-Main-Flughafen ein großes Passionskreuz übergeben hat, „das heute in Amerika vom Worte Gottes und dem schnitzenden Stadtpfarrer aus Obernburg in Old Germany kündet“. Weiterhin: „Er schuf zusammen mit Studienrat Bachmann die Entwürfe zur Hauskapelle des Obernburger Krankenhauses. Der Altar ist wieder sein eigenstes Werk. Und wer wollte abstreiten, dass die Kapelle im Krankenhaus nicht ein Kleinod künstlerischen Schaffens geworden sei. Krippe, Kirche und Krankenhauskapelle haben den Geistlichen Rat Dekan Hefner in Obernburg unsterblich gemacht“. Über den Verbleib der Kapelleneinrichtung konnte leider nichts mehr in Erfahrung gebracht werden.

Am 1.10.1954 – also vor 50 Jahren – trat er in den Ruhestand. Er verstarb zwei Jahre später in Kleinwallstadt und wurde auf dem Friedhof in Fechenbach beigesetzt.

Bei der Erweiterung der Bebauung im Norden Obernburgs (Nähe Möbel-Center-Spilger) wurde eine Straße nach ihm benannt.

      „Karpfen“-Stammtisch