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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Warum hat Obernburgs Wappenhirsch Weintrauben im Maul?

WAPPEN Obernburgs
Weinberge Mainhoellenberg im Schnee 2010

Der Hirsch im Obernburger Stadtwappen hat Weintrauben mit Rebblättern in seinem Maul, obwohl Obernburg heutzutage kein Weinort ist. Der fränkische Rotweinwanderweg, der von Großostheim bis Bürgstadt verläuft, führt aber auch durch Obernburg. Ein Stück weit verläuft dieser Weg von Großwallstadt kommend durch die früheren Obernburger Weinberge des Mainhöllenberges bis ans Tiefe Tal.

Frühe geschichtliche Zeugnisse des Weinbaus in Obernburg

Wein Roemerstein Museum_2

 

 

 

Wann der erste Wein bei uns angebaut wurde ist ungewiss. Man darf aber annehmen, dass die Römer, die etwa 170 Jahre lang bis 260 n. Chr. im Kastell und im Lagerdorf lebten, gerne Wein tranken. Ein Grabstein im Römermuseum (Bild links) zeigt den aus Trier stammenden römischen Bürger Ateius Genialis. Er liegt auf einem Speisesofa und isst und trinkt. Unter ihm stehen ein Wasser- und ein Weinkrug. War vielleicht dieser wohlhabende Mann, dessen Sohn den aufwändigen Grabstein aufstellen ließ, ein Händler, der um 130 n. Chr. den „vinum“ aus dem damaligen Weinhandelszentrum Trier oder gar den Anbau von Reben ins römische Lagerdorf brachte?

Mit der Ausbreitung des Christentums nahm der Anbau von Reben an Bedeutung zu. Erste schriftliche Zeugnisse von Weinbau in Obernburg liegen aus dem Jahre 1182 vor. Der Kleriker Heinrich schenkte in einer Urkunde dem Stift St. Peter und Alexander in Aschaffenburg seine Obernburger Weinberge. Andere Urkunden besagen: Im Jahre 1482 soll es bereits 320 Morgen Weingärten gegeben haben, wobei jeweils zur Hälfte rote und weiße Trauben angebaut wurden.

Wein - das Volksgetränk im Mittelalter
Vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit war Wein ein ausgesprochenes Volksgetränk. Trinkwasser aus Brunnen enthielt oft Krankheitserreger. Deshalb galt der Genuss von Wein, der sicherlich nicht unserem Geschmacksempfinden entsprach, als sicherer und gehaltvoller. Die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) wurde deshalb auch als „Hauptzechperiode“ des deutschen Volkes bezeichnet. Dass es dabei Auswüchse gab, beweist eine Anordnung der Mainzer Obrigkeit: An ledige Personen darf bei Kindtaufen „nur“ ein Maß (ca. 2 Liter) Wein ausgeschenkt werden.

Auch die geistlichen Herren waren am Weinbau sehr interessiert, denn der Wein war Teil ihrer Besoldung und somit ihrer Einkünfte. Im Jahre 1434 urteilte ein Schiedsgericht: Der Obernburger Pfarrer muss als Mosterzehnt ohne Unterschied gleichermaßen weiße und rote Trauben mit Kernen entgegennehmen. Später wurde als Naturalbezug für den Pfarrherrn 17 ½ Eimer Wein festgelegt, was etwa 1000 l entsprach. An die Weinberge des Stifts und der Pfarrei erinnern auch heute noch die Flurabteilungen Fronthal, Pfaffenberg und Pfarrwingert.

Die Steuern auf den Wein, das so genannte Ohmgeld, erbrachte der Stadt Einnahmen für den Bau der Befestigungsmauern und der Türme, aber auch für die kurmainzische Kellerei (heute Finanzamt) in Großostheim.

Weinbau - harte Arbeit das ganze Jahr hindurch
Generationen von Weingärtnern errichteten an den Osthängen des Stadtberges mit Sandsteinen die Weinbergsmauern und terrassierten die steilen Hänge. Die Weinberge zogen sich von der Großwallstädter Gemarkungsgrenze (heute Parkplatz Möbelhaus Spilger) bis zum Mühlrain an der Eisenbacher Straße hin. Lediglich Schluchten (z. B. Tiefes Tal) und die dazu gehörenden Nordhänge wurden nicht für die Wärme liebenden Rebstöcke genutzt. Die meisten Weinbergsmauern sind auch heutzutage noch erhalten, befinden sich aber oft in einem schlechten Erhaltungszustand.

Die mühsame Arbeit der Häcker war sehr zeitaufwändig, denn man musste pro Hektar mit 3000 Arbeitsstunden im Jahr rechnen. Rebschnitt im Winter, Düngung im Frühjahr, Hacken oder Mähen von aufkommenden Bodenpflanzen in der warmen Jahreszeit, Laubschnitt der Austriebe und Ungezieferbekämpfung in den warmen Sommermonaten und die Traubenlese im Herbst mit dem Keltern beschäftigten die Weingärtner. Außerdem kostete allein der Anfahrtsweg und der Aufstieg in die steilen Wingerte viel Zeit und Mühe. Zugänge in die Steillagen des Stadtberges und des Brückenberges gab es nur von der heutigen Bergstraße bzw. von der Miltenberger Straße.

Weinbau - Existenzgrundlage vieler Obernburger
Aber der Weinbau stellte die wirtschaftliche Grundlage eines Großteils der Obernburger Bevölkerung dar. Fuhrleute brachten so manches Fuder (1000 l) nach Aschaffenburg oder Mainschiffer nahmen viele Fässer zur Frühjahrs- und Herbstmesse nach Frankfurt mit. Vielleicht profitierte der Stifter des Urbanusbildstocks Georg Kamer, der mit einem Ankersymbol auf seinen Beruf als Schiffsmann hinwies, von diesem Geschäft (siehe Obernburger Blätter Nr.9). Auch andere Berufsgruppen verdienten am Weinbau. Noch im Jahre 1834 zählte man elf Bänder (Küfer), die oft zugleich Branntweinbrenner waren. Einige stattliche Fachwerkhäuser mit ihren riesigen Gewölbekellern verdanken ihre Entstehung der durch den Weinbau bedingten wirtschaftlichen Blüte, die vom 15. Jahrhundert bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein dauerte.

Wein Merian Klingenberg mit Boot

Dieser alte Stich zeigt Mainschiffer beim Beladen ihres Schiffs vor Klingenberg.

Ähnlich dürfte es auch in Obernburg ausgesehen haben.

 

Als unsere Stadt im Jahre 1814 zum Königreich Baiern kam, gab Obernburg sich ein neues Stadtwappen. Der Hirsch, der eine goldene Traube mit einem grünen Rebstock im Maul trägt, sollte auf die lange Weinbautradition, aber auch auf die freie Jagdberechtigung der Bürger hinweisen.

Der Betrieb von Heckenwirtschaften war nicht konfliktfrei
In den „Heckenwirtschaften“, wo eigener Wein ausgeschenkt werden durfte, wurde von vielen Weingärtnern Geld verdient. Von 1835 bis 1903 gab es 28 Familien, die ihren Wein in ihren „Nebenwirtschaften“ verkaufen durften. Im Jahre 1819 hatte die königlich baierische Regierung des Untermainkreises im Namen seiner Majestät des Königs ihnen zugestanden:

    „Wenn es zu Obernburg in der Art hergebracht war, dass jeder Bürger seinen selbst erbauten Wein zapfen durfte, so kann dieses Recht auch fernerhin nicht entzogen werden; es ist aber nur gegen Missbräuche und polizeiwidrige Unordnungen zu wachen.“ 

Trotzdem gab es immer wieder Konflikte der Nebenwirtschaften mit den „concessionierten“ Wirten. Oft kauften nämlich die „Heckenwirtschaften“ auch fremde „Creszentien“ und schenkten sie aus. Außerdem hatten sie den Vorteil, dass sie von herrschaftlichen Steuern befreit waren, während die offiziellen Wirte behördliche Auflagen erfüllen und Abgaben entrichten mussten.

Niedergang des Weinbaus 
Der Dreißigjährige Krieg machte mit dem Durchzug von Truppen, Plünderungen und Seuchen ab dem Jahre 1630 der wirtschaftlichen Blüte ein Ende. Weinberge wurden gerodet oder verwilderten. Nach dem katastrophalen Krieg wurden aber mit zunehmender Bevölkerung die Rebkulturen wieder mühsam aufgebaut. Ein Chronist beschrieb um 1800, dass das ganze Maintal mit seinen Seitentälern von Aschaffenburg bis Bamberg fast geschlossen mit Weinbergen bebaut sei.

Bald aber bewirkten naturbedingte und wirtschaftliche Vorgänge vielerorts den Niedergang des Weinbaus bei uns:

    Ab 1803 Säkularisation: Die geistlichen Fürstentümer, wie das Erzstift Mainz und das Aschaffenburger Stift wurden aufgelöst. Es gab Nachfrageeinbrüche beim Wein wegen der politischen Umwälzungen und der Napoleonischen Kriege.

    1813/14 kühle Sommer: Die Trauben reiften nicht, es gab nur saure Weine.

    In der bayerischen Zeit (ab 1814) löste Bier den Wein als Volksgetränk ab.

    Ab 1834 Gründung des deutschen Zollvereins und ab 1871 Gründung des zweiten Kaiserreiches: Die Konkurrenz anderer Weinbauregionen und ein Geschmackwandel verminderten die Nachfrage nach einheimischen Weinen.

    1879/80 kalter Winter: 2000 Weinstöcke erfroren.

    Ab 1888 Aufkommen der Peronospera (Blattfallkrankheit) und der Reblaus: Viele Rebstöcke starben ab.

Zwischen 1800 und 1900 soll es nur 38 gute Weinlesen gegeben haben.

Angesichts dieser Entwicklungen gaben in diesen Jahrzehnten viele Winzer ihre mühevolle Arbeit mit den unberechenbaren Erträgen in den Weinbergen auf und wandten sich einträglicheren Erwerbsmöglichkeiten zu. 1887 gab es in Obernburg nach amtlichen Statistiken noch 13 Hektar 63 Ar Weinberge, 1899 wurden nur noch 6 Hektar 30 Ar „im Ertrag stehend“ bezeichnet.

So verschwanden allmählich die letzten Rebkulturen und wurden durch den Obstanbau ersetzt. Viele Weinberge verwilderten. Die Steine so mancher Weinbergs-mauer wurden zum Bau von Häusern abtransportiert. Im Jahre 1905 lud der Main-fischer Fridolin Weiler zum letzten Mal zu einer Häckerwirtschaft mit vier Hekto-litern Obernburger Weinen ein.

Wiederbelebung der Weinbautradition
In einigen Nachbargemeinden kam es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer erfolgreichen Wiederbelebung der Rebkulturen. Viele Winzer sorgten dafür, dass ihre Weinorte durch ihre edlen Tropfen einen guten Ruf bekamen. In Obernburg gab es wegen der steilen Ostlagen der Weinberge keinen umfassenden Neuanfang, obwohl so mancher zäher Rebstock bis in die heutige Zeit überlebt hatte.

Winzer Ottmar Wollbeck Wein Hoellenstutz Blick Maintal

In den neunzehnhundertsechziger Jahren legte der Hobbywinzer Ottmar Wollbeck (Bild links) am Mainhöllenberg für drei Jahrzehnte einen neuen Weinberg an. Dort (Bild rechts) baut auch heute noch Alfons Szidzek die modernen Sorten Gewürztraminer, Kerner und Bacchus in seiner Freizeit an. Einzig Winfried Salg (Bilder unten) vermarktet seine Weine vom Nickelsgraben alljährlich im Frühjahr in seiner Häckerwirtschaft.

Wein Salg an Presse
Weinberg Salg von oben

Helmut Wörn