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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Vorbericht: Ausgrabung in der römischen Zivilsiedlung 2004

Von Anfang Mai bis Ende Oktober 2004 fand im Vorfeld der Bauarbeiten zum Neubau der Polizeiinspektion Obernburg direkt südlich der heutigen neuen Mainbrücke die archäologische Untersuchung des Baugrunds statt. Nach Sondierungen im Auftrag des Referats Unterfranken des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege Würzburg zeigte sich vor zwei Jahren, dass die archäologische Substanz in diesem Gebiet weitgehend ungestört erhalten war. Die Dokumentation des Bodendenkmals durch eine großflächige Ausgrabung erwies sich daher als unumgänglich. Die Grabung erfolgte im Auftrag des Staatlichen Hochbauamts Aschaffenburg unter Aufsicht der bereits genannten Außenstelle des Landesdenkmalamts durch das Büro für Ausgrabungen und Dokumentationen Heyse.

 

Das Grabungsareal lag in etwa 300 m Entfernung vom Kastell der vierten aquitanischen Reiterkohorte römischer Bürger. Wie sich in den Suchschnitten im Vorfeld der Grabung schon andeutete, bestand die Möglichkeit einen Teil der römischen Straßentrasse mit der anschließenden Bebauung freizulegen. Dies ist von umso größerer Bedeutung für die Erforschung unserer römischen Vergangenheit, denn über die Ausdehnung der römischen Besiedung in Obernburg konnten bisher keine genauen Angaben gemacht werden, ganz zu schweigen vom Aussehen und Aufbau der römischen Straße, die entlang des Mains die Kastelle miteinander verband.

„Wie sahen die Gebäude, die sich hier an der Straße anschlossen, aus? Ergeben sich Hinweise auf Handwerkstätigkeit und wo begannen die Bestattungen, die sich in römischen Siedlungen immer entlang der Straßen am Rand der Siedlungen aufreihten?“ sind nur einige der Fragen, die sich zu Beginn der Untersuchung stellten. Die Ausgrabung lieferte detailreiche Antworten und ermöglichte es, einen weiteren Mosaikstein zur Provinzgeschichte Obergermaniens hinzuzufügen, mit dem man gar nicht rechnete.

Unsere bisherigen Kenntnisse über das römische Obernburg sind immer noch vergleichsweise gering, ist das antike Siedlungsareal doch fast vollständig durch mittelalterliche und moderne Bebauung unwiederbringlich zerstört. Systematische Ausgrabungen blieben die Ausnahme und umso dringlicher ist daher die Auswertung der wenigen großflächigen gut dokumentierten Grabungen wie sie schon in der Kapellengasse „Am Löwengarten“ und in der Römerstraße unmittelbar vor dem Oberen Tor durchgeführt wurden.

Wie man aus den bisher gemachten Funden schließen kann, nahm Obernburg am Mainlimes eine sicher nicht unbedeutende Stellung ein: Außergewöhnlich sind die Funde zweier Weihesteine, die Truppen nennen, welche speziell aus der Mainzer Legion zum Holzeinschlag abgeordnet wurden. Die teilweise mit detaillierten Reliefs versehenen Grabsteine der Zivilbevölkerung, darunter eines Bürgers aus dem Verwaltungsbezirk der Stadt Trier, Kultdenkmäler sowie eine aufwändig in Stein ausgebaute Station für Benefiziarier, also Soldaten, die als direkte Repräsentanten des Provinzstatthalters fungierten, sprechen eine deutliche Sprache.

Herausragend ist auch der Fund einer aus Italien importierten Glasschale vom Ende des vierten Jahrhunderts, in die biblische Szenen eingeschliffen sind und die auf eine Besiedlung des Kastellbereichs in nachrömischer Zeit eindrucksvoll hinweist.

Leider erschließt sich der größte Teil unseres Wissens über das römische Obernburg aus meist nicht ausreichend dokumentierten Zufallsfunden, die im Rahmen von Bauarbeiten gemacht wurden. Zwar reicht die Erforschung der römischen Vergangenheit Obernburgs bis ins 18. Jahrhundert zurück, als der Benediktinerpater Joseph Fuchs im Auftrag des Mainzer Kürfürsten erstmals die Altertümer im Kurfürstentum beschreibt, doch war es noch ein weiter Weg hin zu systematischen Forschungsarbeiten.

Über das römische Gräberfeld am nördlichen Stadtausgang sind wir beispielsweise erstmals aufgrund der Antikenbegeisterung eines nach Obernburg abkommandierten Majors unterrichtet, der 1849 die von ihm befehligten Soldaten sehr viele Brandgräber ohne nähere Dokumentation ans Licht des 19. Jahrhunderts holen ließ. Auch für die Anlage des Steinkastells unter dem heutigen Stadtkern sind heute immer noch die Grabungen der Reichslimeskommission, die Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt wurden, maßgeblich. Fast die gesamte Forschungstätigkeit im 20. Jahrhundert gründete sich zudem auf Notbergungen der amtlichen Denkmalpfleger und heimatgeschichtlich Interessierten.

Nach den Grabungen in der Kapellengasse im Bereich des so genannten Löwengartens und in der Römerstraße im Vorfeld des Baus des „Torhauses“ vor dem Oberen Tor bildet die diesjährige Ausgrabung an der Mainbrücke also erst die dritte systematisch durchgeführte großflächige Grabung, womit sehr detaillierte Ergebnisse für die Rekonstruktion der antiken Besiedlungsgeschichte in diesem Bereich erarbeitet werden können. Die antiken Schichten lagen etwa 30 bis 50 cm unter der modernen Oberfläche und waren nur in geringen Bereichen durch die Anlagen der Gärtnerei, die bis vor wenigen Jahren dort noch existierte, gestört.

Die römischen Siedlungsspuren reichten unterschiedlich tief, von etwa 1,5 bis über 2,8 m Tiefe unter der modernen Oberfläche. Unter diesen Schichten fanden sich im anstehenden helleren Lössboden vereinzelt noch abgerollte Scherben handgemachter vorgeschichtlicher Keramik, darunter auch der Kopf einer profilierten Bronzenadel. Diese Funde stammen nicht von einer Siedlung an dieser Stelle, sondern wurden von den höhergelegenen Hangbereichen dorthin geschwemmt, denn Siedlungsspuren dieser Zeitstellung, wie Gruben oder Pfostenlöcher, fehlten.

Die römische Steinbebauung umfasste die Straßentrasse (Abbildung) und eine sorgfältig aus Sandsteinhandquadern gesetzte Zisterne (Abbildung), alle übrigen Bebauungsspuren rührten von Holzbauten her. Die römische Straßentrasse verlief parallel zur heutigen Miltenbergerstraße, nur um wenige Meter nach Osten versetzt.  Es handelte sich  um eine  stellenweise  mehrfach ausgebesserte Trasse aus Sandsteinen aus dem Flussschotter des Mains. Im obersten und damit jüngsten Bereich der Pflasterung saßen Steine, teilweise mit Durchmessern von bis zu 30 cm, zu beiden Seiten verlief jeweils ein Straßengraben.

Römische Straßentrasse nach Süden

Gemauerte Zisterne

Wie für römische Kastelldörfer typisch, bestand die Bebauung entlang der Straße aus so genannten Streifenhäusern, die sich mit ihrer schmalen Giebelseite an die Straße anschlossen. Bei einer Breite zwischen 9 und 10 m konnten die Hauslängen bis über 60 m betragen, dahinter befanden sich offene Höfe mit Brunnen, Zisternen oder Latrinen.

Meist waren die Häuser mit Kellern versehen. Im Südteil der Grabungsfläche konnte der Grundriss eines solchen Hauses weitgehend erfasst werden. Ehemals holzverschalte Kellereinbauten fanden sich ebenso wie eine schon oben erwähnte Zisterne, worin man schließlich einen Pferdekadaver entsorgte.

Über die Zugehörigkeit dieser Befunde zueinander und ihre Datierung kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts Näheres gesagt werden. Sicher ist, dass die Besiedlung in diesem Teil des Kastelldorfs wohl nur bis Ende des 2. Jahrhunderts Bestand hatte, fehlen doch die charakteristischen jüngeren Fundgruppen. Eine Fibel in Axtform mit Weißmetallüberzug, ein Fingerring mit einer blauen Glaseinlage, Beschläge und zwei gut erhaltene Sesterze des Hadrian sollen hier als Beispiele aus dem umfangreichen Fundmaterial, das hauptsächlich tongrundige römische Haushaltskeramik umfasste, angeführt werden.

Wohl der älteste römische Befund verlief in Ost-West Richtung durch das Grabungsareal und ist von besonderer Bedeutung, da hier ein unmittelbarer Einblick in die Okkupationsgeschichte der Provinz Obergermanien im ersten Jahrhundert gewährt und ein Beitrag zur Anfangsdatierung der römischen Besiedlung in Obernburg geleistet werden kann: Es handelt sich um einen mächtigen, 5,5 m breiten und 2,8 m tiefen, Wehrgraben eines Militärlagers.

Typisch für die römische Militärarchitektur wurde der Graben mit schrägen Seiten angelegt, die unten spitz zusammenliefen, so dass sich ein V-förmiger Querschnitt ergab (Abbildung). Wie die Schwemmschichten am Boden des Grabens zeigen, stand das Annäherungshindernis einige Zeit offen und diente zeitweise zur Abwasserentsorgung, bevor schließlich die Bewohner der sich hier nun ausbreitenden Zivilsiedlung den Graben komplett mit Abfall verfüllten. Der Graben verlief unter der römischen Straße hindurch und konnte durch gezielte Suchschnitte noch auf eine Länge von etwa 70 m verfolgt werden, ohne dass er umbog. Einzelne Indizien deuteten an, dass sich auf der Nordseite des Grabens der Befestigungswall befand, das Innere des Lagers sich somit in Richtung der heutigen Stadt ausdehnte. Informationen zur möglichen Innenbebauung, ebenso wie zum Errichtungszeitpunkt des Lagers wird die weitere Bearbeitung der Ausgrabung erbringen.

Wieder einmal wurde anhand dieser Untersuchungen eindrucksvoll deutlich, wie die Erforschung des römischen Obernburgs durch eine schon früh im Planungsstadium des Bauvorhabens vorbereitete Ausgrabung vorangebracht werden kann.

Marcus Jae/Alexander Reis

Literaturauswahl:
W. Conrady, Die neuesten römischen Funde in Obernburg. Westdt. Zeitschr. Gesch. u. Kunst 9, 1890, 164 ff.
Ders., Das Kastell Obernburg ORL Abt. B Nr. 35 (1903).
J. Fuchs, Alte Geschichte von Mainz. Aus den aeltesten und ersten Zeiten, von dem Anfange dieser Hauptstadt unter dem Kaiser Augustus bis zu Ende des siebenden Jahrhundert. II (Mainz 1772).
G. Hock, Neue römische Funde von Obernburg. Germania 13, 1929, 59 ff.
M. Hoppe/H. Lüdemann, Neue Untersuchungen im Kastell Obernburg a. Main. Arch. Jahr Bayern 1996, 132 ff.
D. Rosenstock, Ausgrabungen im Vicus des Römerkastells Obernburg a. Main. Arch. Jahr Bayern 1986, 121 ff.
W. Schleiermacher, Neufunde römischer Inschriftensteine am Untermain. Aschaffenburger Jahrb. 2, 1955, 134 ff.
B. Steidl, Garant für Recht und Ordnung – Die Benefiziarierstation von Obernburg am Main. Arch. Jahr in Bayern 2000, 81 ff.