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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Die Schillerstraße

Ausgangssituation für den Bau der Schillerstraße
Um 1880 war Obernburg noch weitgehend von der Stadtmauer umgeben, durch die mehrere öffentliche Durchgänge führten. Infolgedessen war die Bautätigkeit sehr gehemmt. Nur wenige Häuser standen bereits außerhalb der Stadtmauer. Im Laufe der Jahre gab es dann immer mehr Gesuche von Bürgern an die Stadt, die Stadtmauern durchbrechen zu dürfen oder Gebäude außerhalb der Stadtmauern zu errichten. Im Jahr 1898 schaffte man eine erste Straßenverbindung von der Hauptstraße zum Stadtberg zwischen Schmiedgasse/Wallstraße und Lindenstraße beim ehemaligen Löwenwirtskeller (Der Keller besteht heute noch unter der Schmiedgasse.).

Bis 1890 war es nur möglich, den Main auf einer Fähre oder mit einer sogenannten “Fliegenden Brücke" zu überqueren. Wegen des neuen Bahnhofs auf der Elsenfelder Mainseite ab 1876 forderte Bürgermeister Kreß den Bau einer Mainbrücke, die 1889 begonnen und ab Ende Dezember 1890 benutzt werden konnte.

Es wurde nach Möglichkeiten gesucht, um das Gelände hinter der Stadt Richtung Stadtberg als Baugrund für notwendige neue Gebäude zu erschließen. Die Lösung wurde im Bau einer Verbindungsstraße von der Hauptstraße (heute Römerstraße) aus in der Verlängerung der Mainstraße zur Lindenstraße (damals ein Feldweg) gesehen. Diese Straße sollte auch den sich jährlich steigernden Brückenzufuhrverkehr teilweise übernehmen und die hierfür übermäßig stark in Anspruch genommene Hauptstraße teilweise entlasten. Das linke Foto zeigt die Situation um das Jahr 1900 vor dem Straßenbau.

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Von der Mainstraße blickte man Richtung Hauptstraße auf das Haus Nr. 246 (Pfeil und Bild rechts).

Die geplante Straße hatte zunächst noch keinen Namen. Sie wird in den Akten „Verbindungsstraße zwischen Main- und Lindenstraße“ genannt.

Es war klar, dass für die Ausführung der neuen Straße das Abreißen einiger Gebäude und Gebäudeteile notwendig war. Doch die über längere Zeit von der Stadt mit den Besitzern geführten Kaufverhandlungen blieben erfolglos, weil teils zu hohe Forderungen gestellt oder weil die Gebäudeabtretung überhaupt abgelehnt wurde.

Betroffen waren die Anwesen von Theo Zöller (Nr. 243), von Karl Deckelmann (Nr. 244), von der Witwe Otto Hock (245), von Christof Bayer (Nr. 246), von Heinrich Heulheck („Zum Hirschen“) und von Franz Bayer an der Lindenstraße.

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Baumeister August Schnatz wird initiativ
Der am 30. 3. 1872 in Schweinheim geborene August Schnatz kam 1895 nach Obernburg, um eine Stelle beim Bezirkstechniker Sixtus Haas anzutreten. In dieser Zeit reifte bei ihm der Plan, in Obernburg ein Baugeschäft aufzubauen. Die Grün-dung erfolgte dann am 1. Mai 1896. (Obernburger Blätter 2002) Schnatz errichtete an der Lindenstraße gegenüber der geplanten Einmündung der neuen Straße um 1900 seinen Firmensitz mit Lagerplatz, Lagerhalle und Wohnhaus (Nr. 345). Für den erfolgreichen Start seiner Firma und die Erschließung seines Firmengeländes und Wohnhauses war die neue Straße sehr wichtig.

Er ergriff daher zusammen mit Bürgermeister Deckelmann die Initiative, um den Straßenbau voranzubringen. Schnatz führte Verhandlungen mit den betroffenen Anliegern und kaufte am 26.2.1903 das Anwesen Nr. 246 von Christof Bayer an der Hauptstraße neben dem Gasthaus „Zum Hirschen“ für 8000 Mark. Später verkaufte er nach Abriss des Hauses den Grund zum gleichen Preis an die Stadt.

Der Versuch von Schnatz, das Anwesen Haus Nr. 243 des verstorbenen Theo Zöller zu erwerben, umzubauen und an Christof Bayer abzutreten scheiterte. Grund war, dass die Erben des Theo Zöller sehr weitgehende Forderungen hatten, so dass Schnatz die Verhandlungen abbrach.

Aber Schnatz ließ nicht locker. Am 2.11.1903 schrieb er an den Magistrat:
„Erlaube mir hiermit dem Magistrat anzuzeigen, dass ich mit dem derzeitigen Besitzer des Hauses Nr. 243, Karl Zöller, betreffs Rücksetzung seines Scheunengiebels Rücksprache genommen habe. Derselbe wäre gesonnen, die in die neue Straße fallende Fläche seines Anwesens unentgeltlich abzugeben und zwar unter folgenden Bedingungen: Kostenlose Rücksetzung und Herstellung einer neuen Giebelmauer zur Scheune, Wiederherstellung eines Schweinestalles und Erstellen einer neuen Hofmauer mit Hoftor. Die Kosten belaufen sich auf 530 Mark. Falls das alles vom Gremium genehmigt wird, würde ich die Arbeiten für 500 Mark erledigen.“

Die Forderungen von Zöller und das Angebot von Schnatz wurden am 5.11.1903 vom Magistrat akzeptiert.

Im Haus Nr. 244 hatte 1902 Karl Deckelmann seine Bäckerei eingerichtet. Er zog damals aus dem Gasthaus „Anker“, das sein Vater weiter betrieb, mit der vorher im „Anker“ ansässigen Bäckerei in die Hauptstraße.

Das Haus Nr. 245 konnte die Stadt von der Witwe Hock für 7000 Mark kaufen.

Mit Franz Bayer, der schon an der Lindenstraße gebaut hatte, wurde am 20.4.1903 folgendes vereinbart: Franz Bayer tritt von seiner Scheune sowie von Hof- und Gartenanwesen so viel an die Stadt ab, als zur Herstellung der neuen Straße und Durchführung der neuen Baulinie nötig ist. Bayer erhält hierfür von der Stadt den Betrag von 1000 Mark bar. Die Stadt übernimmt es, auf ihre Kosten die durchschnittene Scheune mittels einer Giebelmauer wieder schließen zu lassen, und zwar so, dass Bayer einen zweiten Stock auf die Scheune aufbauen kann. Weiter lässt die Stadt auf ihre Kosten den Garten- und Hofraum mittels einer Mauer  ähnlich wie bei Karl Zöller abschließen.

Auf der rechten Straßenseite lag das große, bis zur Wallstraße führende Anwesen des Gastwirts Heinrich Heulheck mit dem Gasthaus „Zum Hirschen“. Er war mit dem Straßendurchbruch unter der Bedingung einverstanden, dass entstehende Fundamentschäden auf Kosten der Stadt zu reparieren sind.

Schließlich vereinbarte Bürgermeister Deckelmann mit Zustimmung des Magistrats mit Baumeister August Schnatz folgendes bezüglich der Herstellung einer „Verbindungsstraße zwischen Main- und Lindenstraße“:
Schnatz übernimmt den Straßendurchbruch und die Herstellung unter folgenden Bedingungen:
Schnatz stellt der Stadt sein von Christof Bayer erkauftes Anwesen Nr. 246 um die Ankaufsumme von 8000 Mark und die Bestätigungskosten von 200 Mark in Summe 8200 Mark zum Abbruch zur Verfügung.

Die Stadt stellt zur Verfügung:
Das von der Witwe Hock gekaufte Anwesen Haus Nr. 245, wofür der Kaufpreis von 7000 Mark direkt an die Verkäuferin geht.
Einen Teil der Scheune und des Hofraumes des Franz Bayer, wofür 1000 Mark direkt an Bayer gehen.
Zur Herstellung der Straße kommen zum Abbruch sämtliche Gebäudlichkeiten des Christof Bayerschen Anwesens Nr. 246, dann ein Stück der Scheune des Franz Bayer, der Stall des Hockschen Anwesens ganz und ein Teil der Scheune dieses Anwesens.
Das Hocksche Wohnhaus und der Rest der Scheune bleiben erhalten und die Stadt kann weiter darüber verfügen.

Baumeister Schnatz übernimmt es, die zum Abbruch bestimmten Gebäude und Gebäudeteile abzutragen und die Straße zum Gebrauch fertig zu planieren. Das Niveau hat sich an die Linden- und Hauptstraße anzuschließen. Schnatz macht sich verbindlich, die Fundamente am Anwesen Heulheck zu unterfangen und alle Schäden, die bei Arbeiten an diesem Anwesen anfallen, auf seine Kosten zu beseitigen. Als Entschädigung für die Arbeiten am Gebäude Heulheck erhält Schnatz für die übernommenen Arbeiten das Abbruchmaterial der abzureißenden Gebäude und Gebäudeteile.

Schnatz macht sich verbindlich, die durchschnittene Scheune des Franz Bayer mittels einer Mauer wieder zu schließen und erhält dafür von der Stadt einmalig 450 Mark.

Die Stadt wird die Beschädigungen am Hauptgebäude des Hockschen Hauses, Nr. 245, wieder beheben und die durchschnittene Scheune dieses Anwesens wieder schließen lassen und wird diese Arbeiten an Schnatz übertragen.

Die Arbeiten fallen weg, wenn die Stadt das Anwesen in dem Zustand wie es ist, an den Mann bringen kann. Das gelang, denn Bäckermeister Karl Deckelmann kaufte das neben seinem Geschäft stehende Haus und ließ dann beide Häuser von August Schnatz zu einem repräsentativen Geschäftshaus umbauen.

Die notwendigen Arbeiten führte Schnatz mit seiner Firma aus.

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Karl Deckelmann

Theo Zöller +

Franz Bayer

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Bild links:
Anwesen des Bäckermeisters Karl Deckelmann

 

Bild rechts:
Einmündung der Schillerstraße in die Römerstraße

 

Schnatz erhielt auch den Auftrag für die Verlegung der Abwasserrohre und der Randsteine für die Gehsteige in der neuen Straße.

Die Straße wurde mit Basaltsteinen aus dem Odenwald gepflastert. Die Lieferfirma bestätigte den Auftrag wie folgt: „Wir liefern per Eisenbahn an den Bahnhof Obernburg
     250 m² = 7 ½ Waggons I. Klasse zum Preis von 29 Mark
     400 m² = 10 Waggons II. Klasse zum Preis von 25 Mark“

Die Abholung der Steine schrieb die Stadt wie folgt aus:
„Die Steine sind vom Bahnhof Obernburg zu holen und an der Pflasterstelle abzuladen. Sobald ein eingetroffener Waggon angesagt ist, muss der Akkordant sofort mit dem Holen beginnen und den Waggon innerhalb der vorgeschriebenen Zeit entladen“.

Die Pflasterarbeiten wurden dem Pflasterer Michael Kreher übertragen.

Die Namensgebung
Bis zum 14. Mai 1905 hatte die neue Straße nur ihren Arbeitsnamen „Verlängerung der Mainstraße mit der Lindenstraße“. An diesem Tag beschloss der Magistrat die Straße „Schillerstraße“ zu nennen um damit anlässlich des 100jährigen Todestages (9.5.1805) des Dichterfürsten Friedrich von Schiller das Andenken an den unsterblichen Dichter wach zu halten. Im „Obernburger Boten“ vom 14.5.1905 wurde die Begründung des Magistrats für die Namensgebung dokumentiert.

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Aus den städtischen Akten ist zu entnehmen, dass sich die Kosten für den Bau der Schillerstraße insgesamt per 28. 10. 1905 auf 22.000 Mark beliefen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich August Schnatz um diesen Straßenbau sehr verdient gemacht hat.

Heinz Janson
 

 

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Die Schillerstraße 1923 und 2020

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Hier noch einige Fotos mit Häusern aus der Vergangenheit der Schillerstraße.

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Oben und rechts: Anfänge von Möbel-Spilger auf dem “Hirschen”-Areal

Links: Geschäft Krämer

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“Hirschen” wurde zur Hypobank

Feuerwehrhaus, Praxis Frau Dr. Metzger

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Geschäft Studier

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Links: Wohnhaus Schnatz

Oben: Büro Schnatz

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Scheune und Haus Zöller

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Anwesen Bayer