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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
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Lothar Ritter von Reuß

Die Stadt Obernburg kann gleich zwei Kriegshelden des Feldzugs gegen Frank-reich 1870/71 vorweisen. Über den Militär-Max-Joseph-Ordensritter Julius Ritter von Rohe wurde bereits in den Obernburger Blättern 2011 (S. 12-25) berichtet. Der diesjährige Beitrag widmet sich Lothar Ritter von Reuß und seiner Familie.

2014-20-1 Reuß Dr. Joh Jodocus Reuß  a

Dr. Jodocus Reuß
Foto Spessartheft 1924

Die väterliche Linie der Reuß´schen Vorfahren ist seit 1555 in Seligenstadt nachweisbar. Lothars Großvater war der bekannte Arzt Dr. Johannes Jodocus Reuß1, der von 1796 bis 1835 in Aschaffenburg als Präfektur- und Medizinalrat, Stadt-, Land-, Zent- und Vizedomamts-Physikus tätig war. Sein Physikatsbezirk umfasste neben der Stadt Aschaffenburg u. a. die Landgerichtsbezirke Obernburg, Kleinwallstadt und Rothenbuch.

Als Folge der napoleonischen Kriege schleppten durchziehende Soldaten und hier zu versorgende Verwundete Seuchen wie Typhus, Pocken, Scharlach, Masern, Keuchhusten, Röteln, Ruhr, Fleckfieber und Rinderpest in unsere Gegend ein.

„1815 wurde … [eine Pocken-Epidemie] durch Zigeuner nach Eisenbach und Obernburg gebracht, von wo sie sich nochmals über den Spessart ausdehnte …“2  Dr. Jodocus Reuß hatte genügend Gelegenheit, sich mit guter Beobachtungsgabe, großem Reichtum an wissenschaftlichen Kenntnissen und damals neuen Heilmethoden in der Bevölkerung, bei seinen Dienstherrn und in der Wissenschaft einen Namen zu machen.

In seinem großen Zuständigkeitsbereich unterstanden Dr. Jodocus Reuß 14 Hebammen, zwei Tierärzte, drei Apotheker, sechs approbierte und sechs gemeine Wundärzte, darunter auch der Chirurg Sator von Obernburg. Als 1813/14 in Obernburg die Rinderpest wütete, behandelte Sator das Vieh nach der von Dr. Reuß empfohlenen Kaltwasser-Methode mit gutem Erfolg. Sator erhielt dafür eine Prämie von der Präfektur und auch Dr. Reuß wurde Anerkennung zuteil in der Bekanntmachung zur Aufhebung der Viehsperre in Obernburg vom 12.07.1814:  „… Die glückliche Entdeckung, welche bey dieser Gelegenheit der Hr. Präfekturrath und Physikus Dr. Reuß in der Behandlung und Heilung des an der Seuche erkrankten Viehs gemacht, in Obernburg mit dem besten Erfolge angewendet … hat, berechtigt übrigens zu der zuversichtlichen Hoffnung, daß in hiesiger Gegend, wo man die Vorteile kennen gelernt hat, eine künftige Viehseuche nie wieder einen gefährlichen Karakter annehmen wird.“3

Bereits zwei Jahre nach Veröffentlichung der Erkenntnisse von Dr. Jenner über die Möglichkeiten einer Pockenimpfung begann Dr. Reuß, seine eigenen Kinder kurz nach der Geburt gegen Pocken zu impfen. Er scheute sich aber nicht, zwei seiner neun Söhne zeitlich versetzt mit wirklichem Pockengift zu infizieren, um die Wirkung selbst beobachten zu können.

Dennoch starben sieben seiner zehn Kinder in jungen Jahren. Tochter Elisabeth, genannt Lisette, heiratete den Miltenberger Advokaten Karl von Will, Sohn des Aschaffenburger Stadtpräfekten. Sohn Joachim wurde Rotgerber und hatte seine stattliche Gerberei in der Obernauer Straße in Aschaffenburg.

2014-21-1 Gerberei Reuß a

Gerberei
Joachim Reuß
Foto Spessartheft 1924

Der am 03.03.1800 in Aschaffenburg geborene Sohn Johann Joseph (Wilhelm)4 Reuß studierte in München Medizin. Nach seiner Promotion arbeitete er zuerst im oberbayerischen Weilheim als Landgerichtsphysikus. Im Juni 1828 heiratete er in München Auguste Franziska Kunstmann5. Die Physikatsfunktion im Landgerichtsbezirk Obernburg wurde dem Med. Dr. Joseph Reuß am 10.12.1828 übertragen.6 Seine Frau war zu dieser Zeit bereits hochschwanger. Am 28.01.1829 kam in Obernburg der Sohn Lothar Friedrich Jodocus Joachim Reuß nachts um 2 Uhr zur Welt. Taufpate wurde der Großvater des Säuglings, Dr. Jodocus Reuß aus Aschaffenburg.7 Taufzeugen waren der Onkel Joachim Reuß, Lederfabrikant in Aschaffenburg und Anton Simon, Schulverweser in Obernburg. Als Hebamme half die schon 67 Jahre alte Barbara Rohe.8 Sie war die Großmutter des späteren Militär-Max-Joseph-Ordensritters Julius Ritter von Rohe, der drei Jahre darauf ebenfalls in Obernburg geboren wurde. Dr. Joseph (Wilhelm) Reuß blieb nur bis 1832 in Obernburg. Er zog mit seiner jungen Familie zurück nach Weilheim. Dies verwundert umso mehr, als sein Vater Jodocus bereits betagt war und dessen lukrative Stelle in Aschaffenburg in absehbarer Zeit frei werden musste. Zuletzt praktizierte Dr. Joseph (Wilhelm) Reuß in Kleinfeld/München als Gerichtsarzt und ging 1858 wegen eines Fußleidens in Ruhestand. Am 24.09.1865 verstarb Dr. Joseph (Wilhelm) Reuß in München.9

Der in Obernburg geborene Lothar Reuß wurde schon bald für die Offizierslaufbahn vorgesehen. Er durchlief deshalb vier Klassen Lateinschule und drei Klassen Gymnasium.10 Am 03.10.1847 trat er freiwillig als Unterkanonier in das kgl. bayr. Artillerie-Regiment „Prinz Luitpold“ in München ein. Bereits am 19.11.1847 stellte Vater Joseph Reuß den Antrag, seinem Sohn die Kadetten-Achtung zu verleihen, da er die schulischen Voraussetzungen erfüllt habe und für die Offizierslaufbahn nur noch die königliche Zustimmung fehle. Zweimal lehnte Ludwig I.11, König in Bayern, ab.
 

2014-22-1 Reuß BS_PI_8749

Lothar von Reuß
Foto: BayHStA, Abt. IV
Kriegsarchiv
(BS-PI) Nr. 8749
Genehmigung vom 29.11.2013

Erst der 1850 gestellte dritte Antrag, diesmal bei Ludwigs Nachfolger Maximilian II., war erfolgreich, nachdem sich Vater Joseph Reuß bereit erklärt hatte, die Equipierung und Berittenmachung des Sohnes aus eigener Tasche zu bezahlen.

Acht Jahre später musste Lothar Reuß bereits das fünfte Reittier erwerben, da er angeblich wegen diverser Unglücksfälle seine Reittiere nicht mehr als Offizierspferde verwenden konnte. Er ersuchte deshalb die Militärbehörde um eine Zahlung von 300 Gulden.

Nach der Beförderung zum Corporal am 16.03.1848 wurde Reuß ins kgl. bayr. Artillerie-Regiment „Zoller“ nach Augsburg versetzt und dort am 21.08.1848 zum Junker und am 20.06.1850 zum Unterleutnant ernannt. Am 06.04.1859 wurde er Oberleutnant und zum 2. kgl. bayr. Artillerie-Regiment vacant „Lüder“ in Würzburg abkommandiert. Als Hauptmann wurde er am 31.03.1866 nach Germersheim ins 4. kgl. bayr. Artillerie-Regiment „König“12 versetzt.

 

In seiner Würzburger Zeit hatte Lothar Reuß vermutlich die 16 Jahre jüngere Maria Anna Antonia Bohlig kennengelernt. Sie war die Tochter des Revierförsters Franz Bohlig, der im Alter von 40 Jahren13 in Rothenbuch verstorben war. Maria Anna Antonia war am 30.01.184514 während Bohligs Dienstzeit als Revierförster in Aschaffenburg zur Welt gekommen. Seine Witwe Sophia Bohlig, geb. Sicken-berger hatte nicht wieder geheiratet und lebte mit noch zwei minderjährigen Kin-dern in Würzburg. Bevor Lothar und Anna heiraten konnten, mussten sie noch als Ehevoraussetzungen folgende Nachweise erbringen:

    Totenschein des Bräutigamvaters und des Brautvaters,
    schriftliche Zustimmung der Witwe Bohlig,
    Leumundszeugnis des Bürgermeisters der Stadt Würzburg, der am 16.10.1866 der Braut einen „ausgezeichneten Leumund“ bestätigte,
    Nachweis der Hinterlegung der Heiratskaution i. H. v. 10.000 Gulden gem. kgl. General-Auditoriats-Entschließung vom 01.12.1866,
    Heiratsgenehmigung durch Seine Majestät König Ludwig II. vom 21.12.1866.

Am 10.01.186715 heiratete Lothar Reuß in Würzburg seine Braut Anna Bohlig. Die Ehe blieb kinderlos.

Lothar Reuß beantragte am 29.05. 1867 seine Versetzung von Germersheim nach Würzburg zum Regiment „Lüder“, weil seine Schwiegermutter mit den Kindern „männliche Hilfe“ benötige. Das Gesuch wurde abgewiesen.

Genehmigt wurde aber sein Antrag vom 25.02.1869 auf Veröffentlichung seines Werkes „Der Dienst einer Batterie im Kriege. (Unter Zugrundelegung des Materials, der Formation und der Vorschriften der kgl. bayer. Artillerie.)“ in zwei Bänden. Die Bücher wurden als Teil I und II 1869 in Nürnberg von der Ebner`schen Buch- und Kunsthandlung herausgegeben und sind im bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt einzusehen.

2014-23-1 Reuß Der Dienst einer Batterie im Kriege

Mit Ausbruch des deutsch-französischen Krieges am 19.07.1870 konnte Reuß seine Theorien erstmals im Feldeinsatz testen. Als Kommandant der 8. fahrenden Batterie (Sechspfünder) zog er in das Feld und nahm am 04.08.1870 am Gefecht bei Weißenburg teil.

Auszug aus dem Nachruf Reuß in der Augsburger Abendzeitung vom Juni 1898:16
„… Seine Batterie war bei der Artillerie-Abtheilung (Major Mehler) der 3. Infanterie-Division (Generallieutnant von Walther) des II. bayerischen Armeekorps (General v. Hartmann) eingetheilt und seine Geschütze donnerten im Wetter der Schlachten bei Remilly (31. Aug.), Sedan (1. Sept.), Petit=Bicêtre und Châtillon (19. Sept.), dann standen sie im ehernen Ringe um das eingeschlossene Paris vom letztgenannten Tage bis zur Kapitulation [Frankreichs] (28. Januar 1871).

Im Gefechte bei Remilly [sur Meuse] fuhr die Batterie Reuß zur Seite der Batterien des I. bayer. Korps auf die Höhe zwischen Allicourt und Le Pont Maugy auf, beschränkte sich jedoch auf wenige Schüsse. Am Morgen des Schlachttages von Sedan stand sie zuerst in der großen, von der Artillerie des II. Armeekorps gebildeten Batterie auf dem Höhenzuge westlich von Wadelincourt, welche die Festung Sedan und deren Umgebung unter Feuer nahm, dann rückte sie mit der 6. Infanterie=Brigade und der Batterie Lößl hinter das 1. Korps bei Bazeilles ab. Als die genannte Brigade in das Gefecht bei Balan eingegriffen hatte, war die Batterie Reuß nebst der Batterie Bauer östlich von Balan gegen die feindlichen Geschütz= und Mitrailleusen=Batterien auf dem Hange des „Fond de Givonne“ in Aktion getreten, hier nahm sie lebhaften Antheil an dem hartnäckigen Kampfe um Balan, insbesondere an der Vereitelung des Durchbruchversuches, den General Wimpffen17 unternahm. Hierfür erhielt Reuß das Ritterkreuz II. Klasse des k. bayer. Militär-Verdienstordens und das k. preuß. Eiserne Kreuz II. Klasse.

Die volle Gunst des Soldatenglücks lächelte ihm im Gefechte bei le Plessis=Piquet am 19. September [1870]. Es handelte sich an diesem Tage um die Herstellung der Einschließung von Paris. Die 6. Infanterie=Brigade, die interimistisch vom Obersten Diehl kommandirt und der die Batterien v. Lößl und Reuß beigegeben waren, brachte auf ihrem Marsche gegen Le Petit Bicêtre18 der von französischer Uebermacht hart bedrängten Avantgarde der 9. preußischen Division im entscheidenden Momente Hilfe, machte den Weg nach Versailles frei, sicherte den wichtigen Punkt Bicêtre, unterstützte darauf den Angriff der 5. Infanterie=Brigade auf Le Plessis Piquet, zwang den Feind zum Rückzuge und ermöglichte dadurch die Wegnahme der wichtigen Schanze bei Moulin de la Tour, der späteren „Bayernschanze“. Wesentlichen Antheil an diesem Erfolg hatte die Batterie Reuß. Unter heftigem Gewehrfeuer vollführte sie ihren Aufmarsch nördlich des Straßenkreuzes von Le Petit=Bicêtre, neben der bereits dort stehenden Batterie v. Lößl und eröffnete nun auf kurze Entfernung im Verein mit dem 3. Jäger=Bataillon (Oberstlieutnant Frhr. v. Horn) das Feuer auf ein sehr stark besetztes Gehölz, unterstützte darauf auf das Wirksamste das 3. Jägerbataillon und die Brigade selbst, als für diese die Lage durch den Abmarsch der Preußen gegen Versailles etwas kritisch zu werden drohte, bis die 5. Brigade eingriff. Hiefür wurde Reuß zunächst durch Armeebefehl belobt; ein am 22. März 1871 zu Coulommiers abgehaltenes Ordenskapitel begutachtete einstimmig dessen Aufnahme in  den Militär=Max=Josef=Orden und am 5. April 1871 wurde er zum Ritter desselben ernannt …“19

Lothar Ritter von Reuß, wie er sich fortan nennen durfte, wurde am 01.04.1872 zum Hauptmann, 1. Lt. (Batterie-Chef) befördert und am 01.01.1873 als Major im neu aufgestellten kgl. bay. Fuß-Artillerie-Regiment, II. Bataillon, in Germersheim berufen. Eineinhalb Jahre später wurde er am 17.07.1874 nach München in die Artillerie-Beratungskommission versetzt. Auf eigenen Wunsch ließ er sich am 08.01.1875 verabschieden mit Pensionsanspruch. Ihm wurden 1.858 ½ Gulden Pension und 175 Gulden Pensionserhöhung zugesprochen.

Zur Person des Lothar Ritter von Reuß gibt es im Offiziersakt folgende Beschreibung:

2014-25-1 Reuß BS_MMJO_209

Major
Lothar Ritter von Reuß

Foto: BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv
(BS-MMJO) Nr. 209
Genehmigung vom 29.11.2013

5 Schuh und 10 Zoll groß20, untersetzt, gut und kräftig gebaut, gesund und felddiensttauglich. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse seien geordnet. Die Charaktereigenschaften werden als heiter und offen, aber leicht erregbar beschrieben. Er sei verträglich, jedoch kaltblütig und entschlossen vor dem Feind.

Reuß verfüge über gebildete Umgangsformen und verhielte sich standesgemäß. Er wüsste sich gewandt auszudrücken, sei hinlänglich befähigt und wissen-schaftlich gebildet. Bei seinen Untergebenen genieße er Autorität durch „gesetztes, männliches Wesen“.

Dass Ritter von Reuß viel Wert auf öffentliche Anerkennung legte, darf m. E. aus dem besonders ausführlichen Nachruf (s. o.) entnommen werden. Diese detaillierte Beschreibung der Reuß´schen Kriegs-aktivitäten konnte nur mit viel Insiderwissen erstellt werden. Die Schrecken des Krieges jedoch und die Spät-folgen fehlen diskret.

Dabei waren die Letzteren für Reuß gravierend. Die mangelhafte und schlechte Ernährung der Soldaten und der regelmäßige Bezug der Vorpostenstellung im Biwak auf der Höhe von Moulin de la Tour, wo es fast ständig galt, gefechtsbereit zu sein, und es nur mangelhafte Kochgelegenheiten gab, forderten ihren Tribut. Es gab zwei Tote und zwei Drittel der Mannschaft waren längere Zeit krank.

Ritter von Reuß: „Auch der Genuss der später verabreichten Erbswurst, glaubt der Unterzeichnete, welcher in Ermangelung von anderen entsprechenden Lebens-mitteln dieselbe auch solange mitgenoß, bis sie ihm völlig widerstand, mit die Schuld an dem Auftreten dieser Krankheit beimessen zu können.“21

Der heftige Magen-Katarrh, der von Reuß befiel, wurde chronisch und blieb bis an sein Lebensende. So musste er sich oftmals unmittelbar nach dem Essen im Speisesaal plötzlich erbrechen, verspürte ein krampfhaftes Würgen, Husten und Ausstoßen von Schleim.

Möglicherweise lässt sich bei diesem Krankheitsbild die Dienstaufsichtsbeschwerde verstehen, die gegen Ritter von Reuß gleich nach dessen Dienstantritt bei der Beratungskommission in München am 07.08.1874 von Oberst Heckel eingereicht wurde. Reuß sei mittags in das Gasthaus „Zum Goldenen Bären“ in München gekommen und habe den anwesenden Offizier kurz gegrüßt, setzte sich aber an einen gesonderten Tisch. Er habe sich nicht vorgestellt und sein Mittagsmahl mit geöffnetem Rock eingenommen.

Heckel schreibt: „Vor meinem Abgange [aus dem Gasthaus] unterließ ich es gleichwohl nicht, Herrn Major Reuß zu grüßen, welcher Gruß mir indessen durch ein kaum merkliches Hüpfen vom Platze, wobei die eine Hand in der Hosentasche verblieb, erwidert wurde.“

Er habe ihn nicht an Ort und Stelle zur Rede gestellt, um ihn nicht in der Öffentlichkeit zu kompromittieren. Stattdessen stellte er schriftlich Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Militärbehörde, die aber mit einer persönlichen Entschuldigung des Beschuldigten erledigt wurde.

Ritter von Reuß blieb nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst in der Müllerstr. 45 e III in München wohnen. Am 16.08.1882 kaufte er für sich und seine Frau eine „kleine hübsche Villa“22 in Weilheim, Färbergässchen 14923 für 8.500 Mark. Von der Stadt Weilheim ließ er sich bestätigen, dass er für keinerlei Verwendung in einem eventuellen Mobilmachungsfall mehr geeignet sei.

2014-26-1 ReußTA

BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv
OP Nr. 34749
Genehmigung vom 29.11.2013

Am 03.06.189824 starb Lothar Friedrich Jodocus Joachim Ritter von Reuß mit 69 Jahren in Weilheim/Oberbayern. Seine Frau verkaufte kurz nach dem Tod ihres Mannes die Villa und zog von Weilheim fort. Sie erhielt als Witwengeld monatlich 133 M und 36 8/12 Pf und dazu eine Pension aus dem Witwenfonds von monatlich 90 M und 47 7/12 Pf. Maria Anna Antonia Reuß, geb. Bohlig starb am 03.02.1905.

Zum Abschluss nochmals ein Zitat aus dem Nachruf:
„Abermals hat der Tambour Tod einem tapferen Helden des großen Krieges 1870/71 den letzten Wirbel geschlagen und aus dem Kreise der 26 noch lebenden Paladine des Max=Joseph=Ordens einen der besten Kämpen abberufen: den  M a j o r  a.  D.  L o t h a r  v o n  R e u ß.  … zu Obernburg in Unterfranken, dem alten römischen Grenzkastell am Main, geboren …
Zu einer Wirksamkeit im großen Stile wurde der tapfere Veteran nicht berufen, aber er war einer jener kernigen Truppen=Offiziere, welche die Säulen der Armee bilden.“

Dagmar Menger

 

1 Alle Angaben zu Dr. Jodocus Reuß sind dem Aufsatz <Dr. Johannes Jodocus Reuß und die Bekämpfung der im Spessart von 1800-1820 herrschenden Epidemien> von Gustav Stadelmann, Aschaffenburg, Spessart Illustrierte Monatsschrift von 1924, Nr. 5 -7 entnommen.
Der Geschichts- und Kunstverein Aschaffenburg e. V. widmete Dr. Jodocus Reuß zum 175. Todestag seine Rätselecke im Rundbrief Nr. 78 vom Juni 2013.
2 Spessartheft 1924, Nr. 6, Seite 13
3 aaO, Nr. 6, Seite 14
4 Reuß nannte sich in späteren Urkunden Joseph Wilhelm nach seinem Paten Wilhelm Schmitt aus Seligenstadt, obwohl dieser Beiname im Geburtseintrag im Matrikelbuch der Pfarrei Unsere Liebe Frau Aschaffenburg (Taufen 1783-1837, S. 552) nicht eingetragen ist. In dieser Urkunde ist der Familienname mit Reiß angegeben.
5 Auguste Franziska Kaufmann *ca. 1805 in München (siehe Taufregistereintrag des Sohnes Lothar im kath. Pfarramt Obernburg). Auch ihr Name variiert von Auguste (s. Taufregistereintrag ihres Sohnes) zu Auguste Franziska. In späteren Schreiben im Offiziersakt Reuß taucht sie unter ihrem Rufnamen Fanny auf.
6 Stadtarchiv Obernburg, V A2 §1
7 Taufmatrikel,  kath. Pfarramt Obernburg 1829 Nr. 7, S. 67
8 Geburts- und Taufregister der Stadt Obernburg, 1. Oktober 1880, VIII A 5 Nr. 3
9 Totenschein Stadtpfarramt St. Peter, München
10 BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, OP 34749: Alle Angaben zur Militärzeit sind der Offiziersakte Reuß entnommen.
Zu Lothars Schulbildung gibt es auch die Angaben zwei Klassen Lateinschule und zwei Klassen Gymnasium, sowie vier Klassen Lateinschule und zwei Klassen Gymnasium. Es fehlt aber ein Hinweis, in welcher Stadt er zur Schule ging.
11 Ludwig I. ist der Bauherr des Pompejanum in Aschaffenburg. Er musste wegen der Affäre mit der Tänzerin Lola Montez am 20.03.1848 zugunsten seines Sohnes Maximilian II. abdanken.
12 Das 4. kgl. bayr. Feldartillerie-Regiment „König“, errichtet 30.03.1859, Standort Augsburg, erhielt am 12. 10.1867 Seine Majestät König Ludwig II. zum Regimentsinhaber. Sowohl im Nachruf Reuß, als auch in der Offiziersakte Reuß wird dieser Tatsache besonderen Wert beigemessen.
13 Franz Bohlig +11.03.1853 in Rothenbuch
14 Taufzeugnis kath. Pfarrei Aschaffenburg ad BMV [im Volksmund Muttergottes Pfarrkirche genannt]
15 Traumatrikel kath. Dompfarramt Würzburg
16 Augsburger Abendzeitung, Beilage in der Offiziersakte Reuß (aaO)
17 Nach der Verwundung des französischen Oberbefehlshabers Marschall Mac-Mahon übernahm General Ducrot das Kommando und von diesem General Wimpffen als dienstältester Offizier.
18 Das Ausfallgefecht bei Sceaux zwischen der französischen Besatzung von Paris unter General Ducrot und Teilen des II. Bayerischen Armeekorps und V. Armee-Korps wird in einigen Stellen auch nach den Höhenzügen Petit Bicêtre bzw. Plessis-Piquet oder dem Ort Meudon benannt.
19 Den militärischen Werdegang des Lothar von Reuß und seine Auszeichnungen im Krieg 1870/71 beschreibt auch der Geheime Kriegsrat Schrettinger in seinem Buch <Der Königlich Bayerische Militär-Max-Joseph-Orden und seine Mitglieder>, München 1882, S. 703 ff.
20 Von 1809 bis 1872 galt in Bayern 1 Fuß oder Schuh entspricht 2,91859206 dm und 1 Zoll entspricht 2,91859206 cm. Demnach wäre Lothar Reuß ca. 175 cm groß gewesen.
21 Offiziersakte Reuß
22 Nachruf Reuß in der Augsburger Abendzeitung (aaO)
23 Auskunft Stadtarchiv Weilheim i. OB: Seit 1931 Hausnummer 3
24 Standesamt Weilheim, Sterbeurkunde 1898 Nr. 63