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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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OVGO - Obstverwertungsgenossenschaft Obernburg

Als mit dem Abriss der Gebäude der ehemaligen OVGO, der Obstverwertungsgenossenschaft Obernburg, begonnen wurde, ging eine über 100-jährige Geschichte eines Unternehmens zu Ende, das nicht nur das südliche Stadtbild geprägt, sondern auch den Namen Obernburgs weit über die Grenzen unserer Heimat hinaus bekannt gemacht hat. Helmut Weinkauf eine ausführliche Dokumentation zu 106 Jahren OVGO-Geschichte zusammengestellt und sie dem Archiv des Heimat- und Verkehrsvereins überlassen.

Die Gründung der OVGO im Jahre 1890 geht auf den Benefiziaten Ludwig Benkert zurück. Sein Anliegen war es, die Einkommensverhältnisse der Landwirte, besonders der Obstbauern zu verbessern. Die Bauern waren zu dieser Zeit auf Obsthändler angewiesen, die die Preise diktierten. Ein weiterer Grund für das Entstehen der Genossenschaft war sicher auch der gute Ruf, den damals schon das Obernburger Obst genoss. So war in Fachzeitschriften vom “hervorragenden, rationellen Obstbau im Bezirk Obernburg, der durch ein günstiges Klima und vorzügliche Absatzquellen gefördert wird”, die Rede.

Am 16. April 1890 traf man sich zur konstituierenden Generalversammlung im Kunigschen Gasthaus. Unter dem Vorsitz von Bezirksamtmann Geis wurden in den Vorstand Bürgermeister Müller als Leiter, Kaufmann Sator als Rechnungsführer sowie Ernst Deckelmann, Franz Josef Büchold, Peter Scherger und Benefiziat Ludwig Benkert als Geschäftsführer gewählt. Der Rechnungsführer musste eine Kaution von 2000 Mark stellen. Dann wurden die Bezüge und Tagegelder festgelegt. Diese seien, so heißt es im Sitzungsbericht, “gemessen an der Arbeitslast, sehr bescheiden zu nennen.

Wendelinuskapelle, OVGO, Kunigsches Gasthaus

”Die Genossenschaft sollte im Willschen Anwesen, das als besonders geeignet erschien, untergebracht werden. Wichtig waren vor allem die vorhandenen großen Felsen-Bierkeller, in denen man allein 300 Hektoliter Apfelwein in Fässern unterbringen wollte. Die Gastwirtschaft (später “Ludwigskeller”, benannt nach Prälat Ludwig Benkert) sollte verpachtet werden. Für Um- und Neubauten wurde ein Kredit von 1000 Mark aufgenommen. Mit einem dreifachen Hurra auf den Vorsitzenden endete die Gründungsversammlung.

Im Gründungsjahr legte man sich mächtig ins Zeug. Keine Gelegenheit wurde ausgelassen, um für das junge Unternehmen zu werben. Der Vorsitzende machte sich für die Zeichnung von Genossenschaftsaktien stark und meinte, jeder Obstbaumbesitzer sollte sich, eingedenk des Sprichwortes “Einigkeit macht stark” an der segenbringenden Institution beteiligen. Allein die Stadt Klingenberg tat dies am 16.Juni mit 20 Anteilscheinen zu je 50 Mark; das war die höchste Zahl, die laut Statuten zulässig war.

Von verschiedener Seite wurde von Anfang an versucht, dem aufstrebenden Unternehmen Sand ins Getriebe zu streuen. Mehrmals musste man sich gegenüber Zeitungsmeldungen, wonach die OVGO als Firma mit “unbeschränkter Haftpflicht” bezeichnet wird, zur Wehr setzen oder dementieren, dass Unterhändler für den Zentner Obst 50 Pfennig mehr als die Genossenschaft selbst bezahlen würden. Man war stets darauf bedacht, zu versichern, dass die Genossenschaft Höchstpreise bezahle.

Die Obstbaumbesitzer forderte man auf, das Obst völlig ausreifen zu lassen, um so einen guten Apfelwein zu erhalten. In Lieferverträgen wurden im August den Mitgliedern die Preise für Tafelobst und Mostobst mitgeteilt. 1890 wurde für ausgesuchtes, tadelloses Tafelobst mindestens eine bis drei Mark pro Zentner zugesichert. Wenn der Tagespreis noch nicht feststand, wurde für Mostobst der statutengemäß festgesetzte Preis von drei Mark pro Zentner erstattet, der Rest wurde später verrechnet. Den Genossen wurde zugesagt, dass ihre gesamte Obsternte abgenommen würde. Ende September standen die Preise endgültig fest: Tafelobst fünf bis neun, Kelterobst vier Mark pro Zentner.

Die Abgabe des Obstes war streng geregelt. Der Plan wurde in einer Anzeige mitgeteilt. Innerhalb von drei Tagen mussten die Bauern aus Elsenfeld, Erlenbach, Großwallstadt, Kleinwallstadt, Klingenberg, Niedernberg, Röllfeld, Sulzbach und Wörth abliefern; dann kamen Eisenbach, Mömlingen, Obernburg, Pflaumheim, Röllbach, Rück, Schippach, Soden, Trennfurt und Wenigumstadt; den Schluss bildeten Eichelsbach, Eschau, Hausen, Hobbach, Hofstetten, Leidersbach, Mechenhard, Mönchberg, Rossbach, Schmachtenberg, Sommerau, Streit, Volkersbrunn und Wildensee. Das Mostobst musste bei trockener Witterung zwei Stunden nach Sonnenaufgang am Tag der Ablieferung geschüttelt werden. Fallobst wurde nicht angenommen. Im Gründungsjahr verarbeitete die OVGO mit sechs Keltern und einer Dampfmaschine das angelieferte Obst, vier Jahre später waren bereits 20 Keltern in Betrieb.

Um über den Bezirk hinaus bekannt zu werden, beteiligte sich die Genossenschaft an verschiedenen Ausstellungen. Bereits 1890 war man zusammen mit dem Obstbauverein in der Ludwigshalle in Würzburg und auf dem Oktoberfest in München vertreten. In Würzburg erhielt man den ersten Preis, was bedeutete, dass der Bezirk Obernburg im Obstanbau in Unterfranken an erster Stelle lag. Auch in München hatte man größte Beachtung erfahren. Seine Kgl. Hoheit Prinz Ludwig bemerkte: “Ich gratuliere dem Bezirk Obernburg zu seiner gelungenen Ausstellung und wünsche, dass dieser Bezirk so wacker fortfahren möge in der Förderung der Landwirtschaft und des Obstbaus!” Wie gut der Ruf des jungen Unternehmens war, zeigt auch ein größerer Liefervertrag mit Paris. Im Oktober 1890 wurde waggonweise Tafelobst nach Paris verschickt. Beeindruckt waren die französischen Kaufleute, dass der Kaufmann Büchold und Benefiziat Benkert fließend Französisch sprachen.

In den weiteren Jahren kann die OVGO als aufstrebendes Unternehmen bezeichnet werden. Die Verarbeitung von Wirtschaftsobst und die Verschickung von Tafelobst verzeichneten hohe Zuwachsraten. 1894 wurden 22.000 Hektoliter Apfelwein und 29.000 Flaschen Sekt produziert.

Lob Kneips für Obernburger Apfelwein

 

 

 

Der kaiserliche Hof bestellte Obernburger Apfelwein und aus dem Jahr 1897 existiert ein Empfehlungsschreiben von Pfarrer Sebastian Kneipp, worin Apfelwein und Schaumwein der OVGO als “der Gesundheit zuträglich” beschrieben werden.

Für besondere Anlässe, Sommerfeste und zur besseren Vermarktung der Produkte wurden um die Jahrhundertwende die Ovgoburg und der Pavillon (Volksmund: “Babylon”) errichtet. Im Babylon spielte die Stadtkapelle zum Tanz auf. In den dreißiger Jahren verfiel die Ovgoburg immer mehr. Die Ruine wurde dann abgetragen.

Die folgenden zwei Jahrzehnte waren vor allem geprägt von Erweiterungen der Betriebsgebäude, Lagerhallen und einer Vergrößerung des Produktangebots.

Inflation und Wirtschaftskrise brachten die OVGO in schwere Bedrängnis. Anstatt sonst üblicher drei Aufsichtsratssitzungen wurden im Jahr 1927 14 Sitzungen anberaumt, um das Schlimmste abzuwenden. Man schrieb allein in diesem Jahr über 40.000 Mark Verlust. Auch danach blieb die finanzielle Lage des Unternehmens angespannt. Nicht selten wurde bemängelt, dass zu viele “helle Köpfe” im Aufsichtsrat und Vorstand saßen, die dem geschäftlichen Wohl der Firma wenig Impulse geben konnten. Einige Mitglieder sollen auch den genossenschaftlichen Gedanken mit Eigennutz verwechselt haben.

Die Umwandlung der Genossenschaft in eine GmbH im Jahre 1955 (von jetzt an: Obstverwertung e.G.m.b.H. Obernburg/Main) und der spätere Eintritt von Herrn Albin Büttner als geschäftsführender Gesellschafter schafften grundlegende Änderungen sowohl im finanziellen Bereich wie im Produktangebot. Apfelmus, Marmeladen, Limonadensirup, Obstkonserven, Selleriesalat, Sauerkraut, Zwiebelringe, Obstbrände waren nur ein Teil des vielseitigen Verkaufssortiments. Das “Ovgo-Feuer”- ein Mehrfruchtdessertwein, oder das “Spessarter Gurkenfass” waren zeitweilige “Renner” auf dem Markt. Unter dem Namen “videca” wurde das Angebot mit einer Palette exotischer Früchte erweitert.

Anfang der 80er Jahre wurde die Eigenproduktion drastisch gekürzt. Die Herstellung von Apfelwein und Konfitüre war unrentabel geworden. 1984 wurde die OVGO ein reines Handelsunternehmen; 12 Jahre später kam dann das endgültige “Aus”.

Die OVGO, die einst mit großen Erfolgen gestartet war, hat in der Folgezeit die Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts zu spüren bekommen. Als großer Vermarkter einheimischen Obstes musste sie letztendlich ihre Tätigkeit vollkommen einstellen. Ausländische Produkte und die Schaffung neuer, besserer Verdienstmöglichkeiten haben die meisten Obstbauern unserer Region nach anderen Erwerbsmöglichkeiten suchen lassen. Zwar schätzen viele noch ihren eigenen Apfelwein, aber an einen Erwerbsobstbau wie zu Beginn des letzten Jahrhunderts denkt kaum einer mehr. 

Werner Trunk