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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Eine Jupitersäule aus Obernburg

 

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Abb. 1 Obernburg a. Main. Ortsplan mit Eintragung des Kohortenkastells und der Benefiziarierstation.
J Fundstelle der Jupitersäule.

Das Mainlimeskastell Obernburg wurde seit dem Mittelalter vollständig überbaut, wobei die Straßenführung des Ortskerns sich weitgehend an den Straßen des Kastells orientiert. Bis zur Sohle einer geplanten Neubebauung an der Hauptstraße des heutigen Orts konnte vor allem im letzten Jahr eine Fläche von insgesamt 183 Quadratmetern untersucht werden (Abb. 1).

Der Bereich lag stellenweise nur fünf Meter südwestlich der Benefiziarierstation hinter den Gebäuden entlang der Straße zur porta principalis dextra. Dank einer mächtigen Überdeckung mit Schwemmlehm waren die römischen Kulturschichten noch unter einem Hauskeller des 19. Jahrhunderts erhalten.

Für die jüngsten römischen Befunde, darunter ein Stampflehmboden, liefern die Funde von Urmitzer Ware einen terminus post quem. Diese Keramik kommt offenbar erst nach dem zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts am Mainlimes häufiger vor. Unter den römischen Schichten konnten stellenweise noch neolithische Siedlungsschichten erfasst werden.

Die römische Besiedlung beginnt Anfang des 2. Jahrhunderts mit einer Holzbauphase, zu der Schwellbalkengräbchen gehörten (Abb. 2,1).

Aus dem Fragment eines Eichenbrettchens aus dieser Phase konnte ein Fälldatum nach 77 n. Chr. ermittelt werden. Von einem 6,2 m breiten und wohl über 15 Meter langem Steinbau mit 1,2 m starken Fundamenten und großen Eckquadern hatte sich stellenweise drei Lagen aufgehendes Mauerwerk erhalten (Abb. 2,2). Zahlreiche Fragmente von Wandputz mit Fugenstrich belegen, dass Quadermauerwerk imitiert wurde. Zur Errichtung des Gebäudes, das mit sechseckigen Schieferplatten eingedeckt war, wurden Steine wiederverwendet, etwa der untere Teil eines Altärchens. An der Südseite des sicher mehrstöckigen Gebäudes befand sich ein Belag aus flachen Sandsteinen (Abb. 2,3). In der größten Grabungsfläche lagen drei Brunnenschächte (Abb. 2,4.5.6), die nordwestliche Ecke des Steingebäudes wurde über einem Steinbrunnen errichtet. Weil die Verfüllung der Brunnenröhre nicht gut verdichtet war, sackte die Ecke des Bauwerks ab.

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Abb. 2 Obernburg a. Main. Übersichtsplan der wichtigsten Befunde.
1 Schwellbalkengräbchen der Holzbauphase (rot), 2 Steingebäude, 3 Pflaster,
4–6 Brunnen, 7 Teile der Jupitersäule (blau), 8 Opfergrube, 9 Punktfundament, 10 Grube.

Zu diesem Zeitpunkt wurde das Gebäude wohl aufgegeben und der obere Teil des Brunnens mit zahlreichen Bruchsteinen und den Bestandteilen einer vier Meter hohen Jupitersäule weiter verfüllt (Abb. 2,7). Das Fragment des Kapitells und der Pferdekopf von der Jupitergruppe fanden sich in der Verfüllung des benachbarten Brunnens (Abb. 2,5). In beiden Brunnengruben wurden Planierungen angelegt, um die Säulenteile darauf abzulegen. Die zum Teil abgeschlagenen Gesichter der Sockelreliefs und eine Opfergrube am Rand des Brunnens mögen auf die rituelle Niederlegung durch die einheimische Bevölkerung deuten. Abgedeckt mit flachen Sandsteinen lag in der Grube mit der Öffnung nach unten ein Napf mit doppelt gerilltem Horizontalrand (Abb. 2,8). Vom Gefäßinhalt hatten sich außer kleinen Holzkohlestückchen lediglich einige Getreidekornreste erhalten.

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Ein annähernd quadratisches Punktfundament aus Sandsteinbruchsteinen mit bis zu 1,1 m Seitenlänge sechs Meter südwestlich des Brunnens könnte den ursprünglichen Standort der Säule markieren (Abb. 2,9). Die Säule besteht aus einer Sockelbasis aus weißem Sandstein mit rechteckiger Plinthe und abgeschrägtem oberen Teil mit einem Hebelloch (Abb. 3).

 

Auf den Seiten des 1,13 m hohen rechteckigen Sockels, des sogenannten Viergöttersteins, finden sich Frontaldarstellungen der Gottheiten Juno, Minerva, Merkur und Herkules und in nischenförmigen Bildfeldern (Abb. 3–4). Der stilistische Vergleich der figürlichen Darstellungen der Säule mit der Obernburger Grabstele des Girisonius legt nahe, dass es sich um ein Produkt aus derselben Bildhauerwerkstatt handelt. Wie häufig an Reliefs in Nieder- und Obergermanien zu sehen, werden die Grenzen der Bildfelder überschritten. So setzte der Bildhauer fast alle Begleittiere der Gottheiten auf den Rahmen der Bildnischen oder darüber hinaus, wie den Pfau der Juno (Abb. 3; 4).

 

Abb. 3 Obernburg a. Main. Bildmontage der Säulenteile. Unten Relief der Juno

 

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Abb. 4 Obernburg a. Main.

Reliefs des Viergöttersteins.
a Minerva,
b Merkur,
c Herkules

Die über dem Viergötterstein liegende Gesimsplatte trägt eine nachlässig gearbeitete Inschrift mit 4 cm hohen Buchstaben, dreieckigen Worttrennern und einer Ligatur (Abb. 5).

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Abb. 5 Obernburg a. Main.

Zwischengesims mit Weihinschrift, Breite: 0,6 m.

 

Auf der Plinthe des geschuppten Säulenschafts befindet sich die erste Zeile der Weihung mit 6,5 cm Buchstabenhöhe (Abb. 3). Die Inschrift lautet nach der ersten Lesung im noch ungereinigten Zustand:

„I(ovi) o(ptimo) m(aximo) / Iuvenius Iucundi (filius) / cir(citor) restit(uit) l(ibens) l(aetus) m(erito).“ Übersetzung: „Jupiter dem Besten und Größten hat Iuvenius (Sohn des) Iucundus, Circitor, (die Säule) gern, freudig und gebührlich wiederhergestellt.“

„Als Circitor wurde im zivilen wie im militärischen Bereich ein  Wächter oder Aufseher bezeichnet, auch die Bedeutung als fahrender  Händler, Tonsor, Arzt oder mobiler Zöllner ist überliefert." Die Inschrift wurde mehr als einmal erneuert, denn innerhalb des Wortes restituit sind noch ein Worttrenner und Buchstabenreste einer älteren Inschrift zu sehen. Die tiefer ausgemeißelte Zeile darüber zeigt, dass dieser Teil der Weihung wiederum geändert wurde. Die Inschrift auf der Plinthe der Schuppensäule ist zudem in präziseren Buchstaben ausgeführt.

Die Säule kann also aus verschiedenen Teilen wiedererrichtet worden sein. Auch die Oberfläche der Sockelbasis ist im Vergleich zu den anderen Säulenteilen nur grob zugerichtet. Ferner erfolgt der Übergang von der oben ohne Profilierung oder Abschrägung gearbeiteten breiten Gesimsplatte zur schmalen Basis des Säulenschafts recht abrupt. Auf der Oberseite der Gesimsplatte befindet sich ein Dübelloch mit einem Kanal für den Bleiverguss. Das Loch ist ausgebrochen, weil der Eisendübel mit dem Blei zur Wiederverwendung gewonnen wurde. Von der Farbfassung der Säule lassen sich bisher Reste weißen Stucks auf dem Schaft erkennen. Die Vertiefungen in Ober- und Unterseite des Schafts stammen vom Einspannen in die Drehbank, später nahmen sie die Eisendübel auf, wie die Gusskanäle zeigen.

Den Säulenschaft schließt oben ein Halsring ab (Abb. 3). Das Endstück bildet ein Figuralkapitell mit stilisierten Palmetten und vier Büsten in Frontalansicht, welche die Jahreszeiten personifizieren (Abb. 3). Die bekrönende Jupitergruppe besteht aus einem kauernden Giganten, über den Jupiter mit Feldherrnmantel im Galopp hinwegreitet (Abb. 6).

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Abb. 6 Obernburg a. Main.
Jupitergruppe

Der Gigant wendet sich nicht kämpferisch dem Gott entgegen, sondern wird rücklings überritten, wobei er das Pferd mit Armen und Schultern stützt. Ungewöhnlich ist, dass der Gigant mit Menschenbeinen anstatt Schlangen dargestellt wurde. In seiner Rechten hielt Jupiter ursprünglich ein Blitzbündel aus Eisen oder Kupferlegierung. Was mit den Steindenkmälern in nachantiker Zeit geschehen konnte, zeigte sich in einer hochmittelalterlichen Schicht an der Grundstücksgrenze zur Benefiziarierstation hin. Darin fanden sich der Gesimsrest eines Benefiziarieraltars mit der für Obernburg typischen Rankenverzierung sowie ein Fragment vom Sockel eines Altars.

 

Die Bruchstücke geben einen Hinweis auf die häufiger nachgewiesene Wiederverwendung der Altäre. So errichtete man die Aschaffenburger Stadtmauer im 12. Jahrhundert auch mit Altären aus Obernburg, wobei die Gesimse zum leichteren Vermauern abgeschlagen wurden.

Die Sedimentproben aus den Befunden enthalten ein außergewöhnlich breites Spektrum an Getreide und Wildpflanzen. Dinkel, Emmer, Einkorn, Gerste, Brot- oder Hartweizen, Roggen und Hafer scheinen Hinterlassenschaften aus der Essenszubereitung zu sein, weil die Körner gut ausgebildet sind und die Zahl der Druschreste nicht hoch ist. In der Grube Abb. 2,10 erhielten sich auch Linsen und Erbsen. Ferner sind noch Ackerunkräuter, Arten der Wegränder, Wiesen und Waldsäume vorhanden: etwa die Kuckuckslichtnelke, die auffällig rosa blüht und in Feuchtwiesen wächst, oder der Rainfarn mit gelben Knopfblüten, einer für Waldränder charakteristischen Pflanze. An Baumarten sind Ahorn, Esche, Erle, Hasel, Buche und Eiche nachgewiesen, wovon Buchen und Eichen aus den Wäldern des Spessarts und Odenwalds mit Abstand am häufigsten vorkommen.

Dr. Alexander Reis

 

Literatur:
ORL B 35 Obernburg Taf. 5,1. – A. Reis, Wenn Herkules den Weg frei macht – Wiederverwendete römische Antike vom Mainlimes. Ber. Bayer. Bodendenkmalpfl. 54, 2013, 162 Kat. 3–8. – M. P. Speidl, Der Circitor und der Untergang des Numerus Cattharensium beim Fall des Obergermanischen Limes. Saalburg-Jahrb. 46, 1991, 148.

Örtliche Grabungsleitung und Grabungsdokumentation A. Reis, Obernburg. – Dendroarchäologie F. Herzig, BLfD. – Archäobotanik B. Zach, Archäobotaniklabor Zach, Bernbeuren.

Abbildungsnachweise
Abb. 1 nach B. Steidl, Welterbe Limes. Roms Grenze am Main. Ausstellungskat. Arch. Staatsslg. 36 (München 2008) 108. – Abb. 2 J. Klein, Obernburg. – Das Übrige: A. Reis, Obernburg.

40_01 2016 Ausgrabung Kapellengasse

Aufgenommen während der Grabungsarbeiten