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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Obernburg - ehemals heimliche Jazzhauptstadt am bayerischen Untermain

 

1967 gründeten die Hobbymusiker Dr. Dieter Frank (Klarinette), Rudolph Heß (Banjo), Richard Keilwerth (Bass), Siegbert Koch (Schlagzeug), Gebhard Nickles (Piano), Siegfried Oberländer (Posaune) und Walter Vill (Trompete) eine Band, um die aus den USA herüberschwappende Musikrichtung Dixieland zu spielen. Später gesellte sich die gut ausgebildete Jazzsängerin Walburga Dovée, genannt „Wally“ zu der Gruppe und animierte sie, noch besseren Jazz darzubieten.

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Die “Main-Gag-Summer-
Drops” in Action.

 

Wally Doveé

 

Die Gruppe gab sich aus folgendem Grund den Namen „Main Gag Summer Drops“: Main (fließt durch Obernburg) – Gag (Glanzstoff AG) – Summer (ehemaliger Forschungsleiter Dr. Sommer) – Drops (wir waren die Tropfen von Dr. Sommer, weil die meisten Mitspieler in der Forschung der Glanzstoff AG beschäftigt waren).

Zunächst traf man sich in einem alten Weinkeller in Rück, dann in Elsenfeld in „Böhmers Weinkeller“ und danach in der „Traube“ in Erlenbach. Nach dem Gewinn des dritten Platzes bei einem Talentwettbewerb in Obernburg erhielt man im Juni 1970 vom Obernburger Stadtrat die Erlaubnis, einen Kellerraum in der Stadthalle nutzen zu können.

Die Jazzfreunde verbrachten jede freie Minute in ihrem neuen Domizil und richteten mit 3.000 Mark Eigenkapital, viel Schweiß und Mühe ihren so genannten „Jazz Gully“ so gut ein, dass sogar trotz ihrer Zustimmung die etwas skeptischen Stadtväter (wir schauen uns das erst in einem halben Jahr an) angenehm überrascht waren. Bürgermeister Ballmann meinte am 4. September 1970 bei der Eröffnung: „Dass das so gut aussieht haben wir nicht erwartet!“.

Der Bastler vom Dienst Rudolph Heß hatte die nötigen Lampen selbst entworfen und sich um die Elektrik gekümmert, während Old-Time-Jazzer Sigi Oberländer als passionierter Freizeitmaler sein Können bei der gelungenen Bemalung der Wände zur Schau stellte.

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Ken Colyer (Trompete)
zu Gast im Jazz Gully.

 

Nachdem die Jazz-Enthusiasten nun ihr neues Heim hatten und damit endlich einmal unabhängig waren, wurden monatlich Jazzabende, auch mit fremden, auch ausländischen Jazzbands durchgeführt. Danaben trat man bei Riverboat-Shuffles, Jazzmessen, Hilfskonzerten und auch im Bayerischen Rundfunk auf. Im Januar 1973 wagte man ein Experiment und spielte zusammen mit dem Tanzorchester Norbert Jung non-stopp beim „Jazz- und Bigbandball“ in der Stadthalle Obernburg. Das fünfjährige Bestehen wurde groß mit einem Konzert im Gully gefeiert, der zu klein war um allen Gästen Einlass gewähren zu können.

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Beim Bayerischen
Rundfunk in Nürnberg

 

In der Folgezeit nahm das Drängen von Vereinen zu, den Jazz-Gully-Raum auch nutzen zu können. Da die Maingags die gesamte Einrichtung und Ausmalung selbst finanziert und ausgeführt hatten, konnte dies zunächst verhindert werden.

Aber schließlich wurden wir von der Stadt gezwungen, den Jazzgully für das Apfelblütenfest als Bar freizumachen. Wie zu erwarten, war am Ende des Festes unser schöner Raum in einem erbärmlichen Zustand. Es gab Brandlöcher und Flecken aller Art in den Polstern von Stühlen. Ebenso waren Tische ramponiert und sogar Tischbeine herausgerissen. Auch wurde aus einem verschlossenen Raum ein Verstärker entwendet.

Die Reparaturkosten und Neubeschaffungen beliefen sich auf ca. 3.000 Mark. Leider wurde uns vom Veranstalter (Stadt Obernburg und Vereinen) keinerlei Hilfsleistung oder Schadenersatz zugebilligt. Im darauf folgenden Jahr war es ähnlich, was für die Maingagjazzer sehr „motivierend“ war. Solche erzwungenen Überlassungen unseres Gullys wurden dann weitere Jahre zur Selbstverständlichkeit bis der Festplatz an den Main verlegt wurde. Dann aber wurde unser Jazz-Gully von der Stadt Obernburg umgebaut.

Das Resultat war ein bis zur Decke gekachelter Raum, der eher als Schlachtküche und nicht als Veranstaltungsraum dienen konnte. Die heimelige Atmosphäre, die unser Gully ausstrahlte, war durch diese unnütze Renovierung verloren gegangen. Der Raum bot weder Wohlfühlatmosphäre noch eine einigermaßen vertretbare Akustik. Und das Tollste war, dass die „Maingags“ ab sofort pro Veranstaltung 300 Mark Miete zu zahlen hatten.

Am 12.11.1980 schrieben die „Main-Gag-Summer-Drops“ in einem Leserbrief im „Main-Echo“:

„Das unter Jazzfreunden freudig erwartete und bereits angekündigte 10-jährige Jubiläum des Jazz-Gully Obernburg fällt ins Wasser. Grund ist, dass die „Maingags“ pro Veranstaltung im Jazz-Gully 300 Mark bezahlen sollen. Unverständlich, warum mit zweierlei Maßstäben gemessen wird, da andere Vereine nur 150 Mark Miete bezahlen.

Offenbar vertritt man im Stadtrat die Auffassung, dass die Arbeit der „Maingags“ auf Profit ausgerichtet sei. Dem ist nicht so. Unsere Einnahmen wurden angespart und dafür verwendet, die Reparatur- und weiter anfallende Kosten zu begleichen sowie weltbekannte Jazz-Gruppen nach Obernburg zu holen. Obernburg und sein Jazz-Gully wurden dadurch in Jazzkreisen in mehreren deutschen und europäischen Städten bekannt.

Wer erinnert sich nicht an Trevor Richards (London), S+H Quartett (Prag), Barry „Kid“ Martin (USA), Ken Colyer (London), Barrelhouse (Frankfurt), Hot Dogs (München) usw. Die nun festgesetzte hohe Miete macht es uns unmöglich die Gewinne zu erzielen die nötig sind, derartige Veranstaltungen zu finanzieren.

Widersprüchlich finden wir auch die Aussage des Kulturreferenten, dass der Einsatz der Stadt, kulturelle Veranstaltungen nach Obernburg zu bringen, von zu wenig Besuchern honoriert würde, da gerade unsere, aus eigenen Mitteln bestrittenen kulturellen Veranstaltungen stets große Publikumserfolge waren. Demnach wird der Einsatz für Obernburg zwar vom Publikum honoriert, nicht aber von den Stadtvätern.“

Mit dieser Maßnahme des Stadtrates, des Kulturreferenten und des Bürgermeisters war innerhalb kürzester Zeit eine kulturelle und den Bekanntheitsgrad Obernburgs überaus fördernde Institution der Garaus gemacht worden.

Siegbert Koch