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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Fachwerkhäuser in Obernburg

Wer durch die von Stadtmauern umgrenzte Altstadt Obernburgs geht, kommt an Gebäuden aus mehreren Jahrhunderten vorbei. Einheimische und auswärtige Besucher sind dabei oft von den gut erhaltenen Fachwerkhäusern angetan, die typisch für unsere fränkischen Orte sind.

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Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es in der Altstadt noch viel häufiger Fachwerkhäuser. Unsere Vorfahren erstellten nämlich ihre Gebäude mit einheimischen Sandsteinen, mit vielen Holzbalken aus den umgebenden Wäldern und Lehm aus dem örtlichen Umfeld.

Fachwerkhäuser haben meist einen Gewölbekeller aus roten Buntsandsteinen. Damit wurden auch die Fundamente und Steinsockel hergestellt. Ein Bauherr musste sich im Winter um das Fällen der saftlosen Baumstämme kümmern, die dann zu der Werkstatt eines Zimmermanns geschafft werden mussten. Um die runden Stämme in rechteckige Balken umzuformen, legten die Zimmerleute eine mit Farbpulver bestrichenen Schur am Stamm an. So entstand eine„schnurgerade“ Linie, nach der mit einem Breitbeil eine Kante des Balkens geschlagen wurde. Die zugeschlagenen Balken zersägte man schließlich nach dieser kraftaufwendigen Arbeit in die benötigten Längen. Dann ordnete der Zimmermann nach den Bauplänen die Balken einander zu. Er schlug lateinische Zahlen als Abbundzeichen auf jeden Balken, um sie auf der Baustelle richtig zuordnen zu können. Auch Verblattungen oder Verzapfungen musste er herausarbeiten, um die Hölzer später stabil verbinden zu können.

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Auf der Baustelle wurde zuerst der Schwellenbalken auf den Steinsockel gelegt. Darauf richtete der Zimmermann die „zusammengesteckten“ Eckpfosten und Ständer für eine Etage auf - ein „Stockwerk“ entstand. Die schräg gestellten Streben oder Schwertungen sorgten für die Aussteifung der Wand. Der Rähm = Rahmen hielt am oberen Abschluss Eckpfosten, Ständer und Streben zusammen. Darauf konnte der Zimmermann die Deckenbalken legen.

Nun ging dieses Aufrichten Stockwerk für Stockwerk, bis schließlich der Dachstuhl errichtet werden konnte. Jetzt war eine stabile Holzkonstruktion mit vielen „Gefachen“ zwischen den Balken entstanden. Der Zimmermann hatte als „Fachmann“ eine der wichtigsten Arbeiten beim Hausbau geleistet. Das Richtfest feierten der Zimmermann und seine Helfer mit dem Bauherrn zum Abschluss des Rohbaus. Auch heute noch ist bei modernen Bauten der „Richtspruch“ Sache eines Zimmermanns. Der Baum auf dem First war die dankbare Huldigung an die zahlreichen Bäume, durch die das ganze Bauwerk erst ermöglicht wurde. Für ein Fachwerkhaus benötigte man nämlich eine große Menge Holz. 60 Stämme rechnete man für ein bescheidenes Haus. 20 Eichen und bis zu 200 Nadelbäume waren oft beim Bau von ansehnlichen Häusern mit Nebengebäuden nötig.

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Wenn dann das Dach gedeckt war, hatte der Bauherr alles „unter Dach und Fach“. Die Ausfachung konnte vom Bauherrn selbst, von Maurern oder von den „Klebern“ ausgeführt werden. In die Innenseite der Gefache wurden Kerben geschlagen und dahinein wurden zweiseitig zugespitzte Erlenhölzer (Stickscheite oder Stickel) gesteckt. Um diese wurden biegbare dünne Weidenäste oder Haselruten wie um ein Gewand geflochten – daher der Ausdruck „Wand“.

Ein Spaß der Jugend war es nun, nassen Lehm mit gehäckseltem Stroh, manchmal auch mit Tierhaaren zu vermischen. Mit dieser Lehmmischung wurde das Flechtwerk zugeschmiert und geglättet. Je nach Hausgröße musste der Bauherr mindestens 20 bis 25 Fuhren mit Lehm herbeischaffen. Den gab es bei uns in Stadtnähe, denn die „Lahmekaute“ (an der Stadthalle) war eine ergiebige Lehmgrube. Wenn die Gefache getrocknet waren, konnte der Tünchner die Innenwände mit Kalkmörtel verputzen.

Das lehmverschmierte Flechtwerk hat den Vorteil, dass es bei Temperaturwechseln kaum zu Spannungen und damit Rissen zwischen Holz und Gefach kommt. Auch ist die Witterungsbeständigkeit, Luftdurchlässigkeit und die Wärmedämmung besser als bei einem Bruchsteinmauerwerk.

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Dass viele Fachwerkhäuser später im 19. Jahrhundert verputzt wurden, hatte einen modischen Grund. Verputzte Steinhäuser galten im damaligen Zeitgeschmack als modern. Andererseits war der Verputz ein gewisser Brandschutz im eng bebauten Ortskern. Wenn ein Kalkputz aufgetragen wurde, beilte man aber zur besseren Haftung die Balken auf, deshalb weisen nach einer Freilegung viele Fachwerkhäuser diese Hackspuren auf. Im Rahmen der Altstadtsanierung wurden aber viele Fachwerkfassaden wieder freigelegt.

Zierformen bei Fachwerkhäusern

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Viele Scheunen und einfach gebaute Fachwerkhäuser zeigen einem Betrachter nur ein konstruktives Fachwerk, d. h. jeder Balken hat eine bautechnisch wichtige Funktion am Gebäude.

Im Verlauf des Fachwerkhausbaus legten die Zimmerleute aber nicht nur Wert auf stabile Konstruktionen, sondern auch auf schönes, formenreiches Aussehen der sichtbaren Holzteile. Aber auch Status, Geschmack und Geldbeutel des Bauherrn spielten eine wichtige Rolle bei der Ausgestaltung mit Zierformen und Schnitzereien. So auch in Obernburg, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Wilder Mann

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Der Begriff „Wilder Mann“ bezeichnet eine Form des Strebenkreuzes an einem Ständer. Er erscheint als abstrakte Figur eines Menschen mit gestreckten Armen und gespreizten Beinen und soll eine unheilabwehrende Funktion besessen haben.

Eckständer

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Andreaskreuz

Eckständer sollten das Haus immer tragen und wurden daher oft reich mit Schnitzereien verziert und farblich gestaltet.

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Das Andreaskreuz ist ein Kreuz mit zwei diagonal verlaufenden sich kreuzenden geraden oder geschwungenen Balken. Der Name verweist auf den Apostel Andreas, der an einem solchen Kreuz als Märtyrer gestorben sein soll. Andreaskreuze findet man häufig in Brüstungsgefachen unterhalb der Fenster der oberen Stockwerke.

Rauten

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Rauten füllen die Brüstungen der Hausfassaden und betonen so die darüberliegenden Fensterformen.

Kreise und andere Formen

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Auch Kreise und andere Formen wurden gerne als Schmuckfüllung in das Fachwerk eingearbeitet.

Helmut Wörn