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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Das Färberhandwerk in Obernburg (1805-1900)

Das Blaufärben
Bis ins 16. Jahrhundert hinein färbte man nur Leinen und Wolle. Man kannte auch nur zwei Färbemethoden, nämlich die "Schwarze Tonne", in der schwarz, und die "Waidküpe", in der blau gefärbt wurde. Die "Waidküpe" war eine hölzerne Kufe mit metallenem Boden, durch den sie warm gehalten werden konnte. Man weichte darin Waidkugeln in Wasser ein und setzte Kalk zu, durch den die Brühe in eine gleichmäßige Gärung versetzt wurde. Die Gärung zog die blaufärbenden Teile aus dem Waid, die dann von den mehrmals durchzogenen Zeugen (Stoffen) aufgenommen wurden. Die Blätter der Waidplanze enthalten den berühmten blauen Farbstoff. Im hessisch-thüringischen Grenzgebiet waren gute Voraussetzungen für das Gedeihen dieser Pflanze zwischen 1230 und 1680. Erfurt war Mittelpunkt dieses Gebietes. Die geernteten Blätter wurden zu einem Brei zerstampft, aus dem anschließend Kugeln geformt und getrocknet auf dem Markt verkauft wurden.

Die Färbe-Küpe musste lange ziehen, und je wärmer es war, desto schneller erfolgte die Gärung. War die Küpe fertig, wurde das Tuch, auch Zeug genannt, in den Farbbottich gegeben und durch Hin- und Herwenden oder über einen in etwa 1,5 m Höhe quer darüber angebrachten Stock gezogen, sodass das Tuch von Zeit zu Zeit mit der Luft in Berührung kam. Dieser Vorgang wurde so oft und so lange wiederholt, bis der Farbstoff gut und fleckenlos in das Leinen eingedrungen war. Nach Beendigung des Färbeprozesses war das Tuch noch braun-grünlich, aber nach dem Anschlagen der Tuche an die Tuchrahmen geschah das Wunder: Durch den Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft färbten sich die Tuche in der gewünschten blauen Farbe.

Jahrhunderte lang wurde so gefärbt, bis im 16. Jahrhundert ein ergiebigerer Rohstoff im europäischen Raum den Waidbauern das Leben schwer machte: der Indigo. Dieser aus Indien stammende Farbstoff, ebenfalls aus einer Pflanze gewonnen, war bedeutend billiger, da man mit weniger Aufwand und mengenmäßig geringerem Einsatz ein besseres Ergebnis erzielte.

Färberfamilie Klimmer
Wenn man das liest, kann man verstehen, dass die Färber mit ihrer Kunst sehr angesehen waren. Ihr Handwerk setzte großes Fachwissen und Erfahrung voraus, das in einer langen Lehrzeit (3-6 Jahre) und vor allem auf der Wanderschaft, der „Hochschule des Handwerks“, erlernt werden musste.

Auf diese Art kam 1805 auch der 1789 geborene Färbergeselle Philipp Klimmer von Osterburken nach Obernburg. Als Geselle arbeitete er bei einem Färbermeister in der Badgasse. In den Jahren 1812 bis 1815 machte er sich selbständig.

Mainstraße mit Hausnummer 222 (links mit Torbogen)

Philipp kaufte das Haus seiner zukünftigen Schwiegermutter in der Mainstraße Nummer 222, heute Hausnummer 4, (Allianz-Klimmer). 1816 heiratete er dann deren Tochter Katharina Hofmann. Philipp und Katharina bekamen acht Kinder, sieben Buben und ein Mädchen. Zwei Buben starben gleich nach der Geburt, zwei sollen nach Amerika ausgewandert sein. Die Söhne Eugen und Theodor blieben in Obernburg.

Anzeige im
“Obernburger Boten”
im Jahr 1883

Eugen übernahm das väterliche Erbe und erlernte seinen Beruf wahrscheinlich bei seinem Vater, der 1863 verstarb. Theodor, von Beruf Metzger, betrieb sehr erfolgreich sein Handwerk in der Römerstraße (wie auch später seine Nachkommen).

Gesuch von Eugen Klimmer um eine
Färberkonzession in Obernburg

Nach familiären Aufzeichnungen ist bekannt, dass die Färberei und der Stoffdruckbetrieb von Philipp Klimmer in den Jahren von 1820 bis 1890 ein sehr blühendes Handwerk gewesen ist. In jener Zeit sollen in Obernburg zwei Märkte abgehalten worden sein, bei denen alle Berufsstände, die in Obernburg und Umgebung ansässig waren, ihre Waren feil boten.

 

 

Am Stand Klimmer in der Mainstraße konnten sich die qualitätsbewussten Kauflustigen mit feingemusterten Kleidern, Kopftüchern, Schürzen, Tischdecken, Taschentüchern oder auch gut blau gefärbtem Leinentuch eindecken. Alles war mit echtem Indigo waschecht gefärbt und das Leinen, das zu Tischdecken, Kleidern oder Schürzen verarbeitet wurde, war versehen mit feinsten und prächtigsten Druckmustern (Blaudruck).

Der Rohstoff zum Leinen (Flachs) wurde zum größten Teil in Obernburg angebaut. Noch heute erinnert die Flurabteilung Flachsäcker an den Flachsanbau. Der Rohstoff Flachs wurde nach der Ernte gedörrt, dann mit einer Flachs-Brechel gebrochen. Die gebrochenen Flachsfasern wurden von äußeren Bestandteilen frei gewaschen und gereinigt. Dieser Rohstoff wurde an einen Leinenweber in Lohnauftrag gegeben oder auch direkt veräußert. Die fertigen Erzeugnisse der Leinenweber konnten dann die Färber im Ort oder in der Umgebung aufkaufen und marktfähig verarbeiten.

Diese Arbeit nach handwerklichem Brauch verstanden die Klimmers so gut, dass sie mit ihren Produkten einen lohnenden Absatz hatten. In vorhandenen Aufzeichnungen ist zu sehen, dass mit den Ersparnissen landwirtschaftliche Grundstücke gekauft wurden, um eine für damalige Begriffe größere Landwirtschaft zu unterhalten.

Eugen Klimmer heiratete 1861. Der Ehe entsprossen sechs Kinder. Der älteste Sohn Emanuel wurde 1862 geboren, die älteste Tochter Amalie wanderte, wie viele andere in dieser Zeit, mit 22 Jahren nach Amerika aus.

Emanuel erlernte das Färberhandwerk in Aschaffenburg in den Jahren 1875 bis 1878, zu einer Zeit, als noch keine Eisenbahn dorthin führte. Er erzählte oft, dass er den Weg von Obernburg nach Aschaffenburg in drei Stunden zurückgelegt habe, wenn in Niedernberg alles mit der Fähre klappte und er gleich übersetzen konnte. Er sei von Obernburg bis Niedernberg auf der linken Mainseite gegangen, dann über den Main übergesetzt und auf dem kürzesten Weg nach Aschaffenburg gelaufen.

Nach seiner Lehrzeit ging er nach Miltenberg und war dort einige Jahre als Geselle tätig. Um seine Kenntnisse zu erweitern, ging er dann als Handwerksbursche auf die Wanderschaft und war unter anderem in Berlin, Hamburg, Fürth und Nürnberg tätig. 1890 kam er aus der Fremde zurück und arbeitete im elterlichen Betrieb mit. Um diese Zeit war jedoch die Blüte des Färberhandwerks vorüber. 1896 heirate Emanuel. In seiner Familie gab es vier Kinder. Emanuel betrieb eine kleine Landwirtschaft, die dann später von seinem Sohn Eugen fortgeführt wurde. Dessen Großvater, Eugen Klimmer, Färbermeister, Magistratsrat und Stadtkassier, verstarb am 5. Januar 1901.

Der Blaudruck
Der Blaudruck ist seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich. Der Stoff wird zuerst mit Hilfe von Druckstöcken, den Modeln, bedruckt, die nicht in Farbe, sondern in einen aus farbabweisenden Substanzen bestehenden Papp (Blaudruckpapp oder Reservage genannt) eingetaucht worden sind. Nach dem Eintrocknen der bedruckten Motive oder Ornamente wird der Stoff (Leinwand, Baumwollstoff) dann blau gefärbt. Nach dem Färben des Stoffes entfernt man den Papp in einem Säurebad und die abgedeckten Stellen erscheinen weiß auf dem blauen Grund. Eigentlich ist also der Name Blaudruck ein Missverständnis, denn es wird nicht blau gedruckt, sondern blau gefärbt. Das letztlich weiß erscheinende Muster wird während des Färbens ausgespart.

Ende des Färberhandwerks
Leider ist das Färberhandwerk wie viele andere auch um die Jahrhundertwende zum Erliegen gekommen. Grund dafür war, dass dem deutschen Chemiker Adolf von Bayer 1878 die erste künstliche Herstellung von Indigo gelang. Die BASF in Ludwigshafen warf diesen synthetischen Indigo 1897 zu einem sehr günstigen Preis auf den Markt. Diese Nutzung der Anilinfarben brachte einen radikalen Umbruch im Färberhandwerk. Die alten Farbstoffe verloren an Bedeutung, da man mit den neuen Farbnuancen erreichen konnte. Für die ländlichen Färber wurde das Arbeiten auch dadurch problematisch, weil viele kleine Tuchmacher vom Markt verschwanden und weil die Nachfrage nach Leinen wegen verfügbarer anderer Stoffe zurück ging. In der Textilindustrie des 19. Jahrhunderts wurde das Färben zunehmend in die Großbetriebe mit einbezogen. Lediglich der Blaudruck konnte noch in kleinen Werkstätten bis ins 20. Jahrhundert handwerklich betrieben werden.

Die Mode sorgt dafür, dass wenigstens noch in einem Teilgebiet der Färberei der natürliche Indigo eingesetzt wird: Beim Färben der Baumwollstoffe – Denim genannt – zur Herstellung der Bluejeans. Nur mit diesem Farbstoff kann man den gewünschten „verwaschenen“ Effekt der blauen Jeans erreichen, denn Indigo ist zwar lichtecht, aber weniger reib- und waschfest.

Zum Schluss ein paar „blaue“ Sprüche
Der Ausdruck „Blau machen“ ist wohl auf die Färberzunft zurückzuführen. Er bedeutet, dass Stoff mit Indigo blau gefärbt wurde. Indigo ist im Farbbad zunächst gelblich. Erst an der Luft oxidiert er und ändert seine Farbe nach blau. Die Färber hängten den Stoff nach dem Färben an die frische Luft und ließen den Sauerstoff seine Arbeit machen, das „Blaue Wunder“ vollbringen. In der Zwischenzeit machten die Färber Pause.

Da dies üblicherweise montags geschah, sprach man auch vom sogenannten „Blauen Montag“. Die Färber benötigten zum Färben viel Urin, um den Farbstoff zu verküpen, also löslich zu machen. Die Färber gewannen diesen auf ganz einfache Weise: sie tranken viel Bier, da dieses bekanntlich sehr gut „treibt“. Man munkelt, dass daher auch der Ausdruck „Blau sein“ stammt.

Heinz Janson nach Unterlagen von Herbert Klimmer