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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Der große Brand in Obernburg am 29. September 1913

Schwarzviertelbrand12

Der damals 24-jährige Franz Link schreibt dazu in seinen Memoiren: „Der 29. September 1913 war ein wunderschöner Herbsttag mit blauem wolkenlosem Himmel. Begünstigt durch die gute Witterung war man mit der Feld- und Erntearbeit schon weit voran gekommen, die Kartoffeln und Äpfel und der Apfelwein waren schon in den Kellern und die Obernburger waren auf den Feldern beschäftigt.

Ich saß mittags nach dem Essen nach ein Uhr am Tisch und las die Zeitung. Da wurde ich plötzlich durch den Ruf „Feuer“ aufgeschreckt. Ich stürzte in Hemdsärmeln auf die Straße, wo unser Nachbar Otto Hain mit einem Eimer in der Hand in die Schustergasse lief und dabei „Feuer“ rief. Ins Haus zurückgelaufen nahm ich meiner Mutter, die aus dem Stall kam, den Eimer aus der Hand und lief zur Brandstelle.

 In nächster Nähe, in dem Winkel zwischen den Häusern von August Helm und Blasius Reis brannte ein Stoß Reisigwellen und einige Nachbarn waren bemüht, das Feuer zu löschen. Ich beteiligte mich zunächst an den Löscharbeiten, musste aber einsehen, dass mit Eimern an das Brandobjekt nicht heranzukommen war. Da rief ich einen herumstehenden jungen Schneider an, sofort einen Hydrantenwagen mit Schläuchen zu holen, was dieser jedoch nicht tat. So lief ich selbst durch die Römerstraße auf das Rathaus zu und an der Wirtschaft zum „Bräustübl“ begegneten mir die ersten zwei Feuerwehrleute mit dem Hydrantenwagen, dem ich mich anschloss. Als wir gegen das Gasthaus „Sonne“ kamen, war das Viertel schon in Rauch gehüllt und vor meinem Elternhaus gab mir Baumeister Schnatz unser Rind, das er von der Kette genommen hatte, in Obhut.

Schwarzviertelbrand10

Mein Elternhaus stand schon in Flammen. Nachdem ich das Tier abgegeben hatte, stürzte ich ins Haus und beteiligte mich an der Bergung der Einrichtungs-gegenstände solange bis der brennende Dachstuhl einstürzte. An den Bergungsarbeiten hatten sich mehrere Personen beteiligt und ein Teil des Hausrats konnte gerettet und einstweilen in die Scheune gebracht werden. Das Vieh wurde im Stall des Gasthauses „Sonne“ untergebracht.

Die Zeichnung von Franz Link zeigt sein Elternhaus vor dem Brand.

Binnen zwei Stunden waren 13 Wohnhäuser und verschiedene Nebengebäude ein Raub der Flammen geworden. Wir fanden ein Unterkommen bei meiner späteren Schwiegermutter. Ich hatte noch meine Matratze und die Kissen, den Schrank und den größten Teil meiner Kleider, gar nichts sonst an Andenken, insbesondere alle meine Zeichnungen sowie die Mal- und Zeichenutensilien waren verbrannt.

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Dieser von Brandinspektor Ludwig Scherf, Würzburg, gefertigte Plan zeigt rot umrandet den abgebrannten Komplex und daneben weitere zum Teil betroffene Anwesen.

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Blick von der Schusters-Gasse Richtung Römerstraße/Obere Gasse

Die Königliche Versicherungskammer München setzte auf Grund der Schadensbeschreibung des Brandinspektors Scherf die in der Tabelle ausgewiesenen Entschädigungssummen in Mark fest.

Haus-
Nr.

Besitzer

Versicherter Gegenstand

Neubau-
Wert

Versiche-
rungs-
summe
 

 

Entschä-
digung
gänzlich

Entschä-
digung
teilweise

56

Katharina Koch, Witwe

Wohnhaus, Scheune, Stall

 

5050

5050

 

20

Johann Englert

Wohnhaus mit Scheune

 

940

 940

 

64

Katharina Dier, Witwe

Wohnhaus

 

510

  510

 

24

Blasius Reis, Landwirt

Wohnhaus

 

600

600

 

23

August Helm, Landwirt

Wohnhaus mit Stall, Scheune, Schweinestall

 

3470

3470

 

21

Jakob Link, Landwirt

Wohnhaus mit Vorhalle, Stall

 

2730

2730

 

18

Leonhard Reiss II, Waldarbeiter

Wohnhaus,

Stall

 

960

860

170

860

 

13

19

Friedrich Ackermann, Landwirt

Wohnhaus,

Scheune

4620

620

410

 

410

597

22

Otto Hain, Landwirt

Wohnhaus, Scheune

 

860

860

 

58

August Koch, Metzger

Wohnhaus, Scheune, Stall

 

4300

4300

 

25

Theodor Volk, Landwirt

Wohnhaus mit Stall

 

2010

2010

 

59+60

Caspar Hock, Landwirt

Wohnhaus mit Stall, Scheune

 

2270

2250

1570

2250

 

1234

57

Felix Raups, Steinhauer

Wohnaus mit Stall,

Scheune

4600

710

3400

500

 

953

72

62+63

Kaspar Krank

Wohnhaus

Wohnhausanbau

2460

1730

530

 

159

530

17

Josef Reis II, Schneider

Wohnhaus

2840

1980

 

421

28

Wendelin Leimeister, Landwirt

Wohnhaus

3050

2090

 

60

29

Anna Reis, Witwe

Wohnhaus mit Stall und Remise

2470

1610

 

45

30

Johann Kreß, Landwirt

Wohnhaus

1750

1170

 

64

32

Regina Nebel, Witwe

Wohnhaus

1560

1060

 

47

55

Magnus Ball, Landwirt

Wohnhaus mit Scheune und Stall

4090

2610

 

164

61

Antonia Hain, Landwirtin

Wohnhaus mit Scheune und Stall

4240

3000

 

154

65

Daniel Ball, Landwirt

Wohnhaus

Scheune mit Stall

3800

1310

2410

860

 

5

6

68a

Engelbert Giegerich

Wohnhaus

2020

1400

 

73

92

Georg Appel, Schneider

Wohnhaus,

Wohnhausanbau

3560

540

2450

460

 

14

4

93

Valentin Reis, Landwirt

Wohnhaus

2890

2600

 

13

Bei teilweiser Beschädigung wurde ein Betrag für „Anschlag der Ausbesserungs-, Wiederherstellungskosten“ angesetzt.

Man sammelte Geld und Gaben für die Abgebrannten und auch wir erhielten von guten Menschen das Eine und Andere, aber es dauerte geraume Zeit, bis der Haushalt einigermaßen wieder ergänzt war.

Inzwischen wurde geplant, neue Häuser zu errichten. Keiner der Brandgeschädigten konnte auf dem eigenen Grund und Boden bauen, die Plätze waren zu klein. Einige erwarben anderwärts Bauplätze und bauten, einige verzichteten auf einen Neubau und traten ihre Flächen an Nachbarn ab. So erhielten auch wir von den Nachbarn Koch und Englert einigen Grund und Boden dazu und errichteten auf der gleichen Stelle, auf der das alte Haus stand, das neue Haus Nummer 21 an der Unteren Wallstraße, das am 1. August 1914 bezogen wurde. Als Elternhaus habe ich jedoch das neue Haus nicht betrachtet, das war und blieb das alte Haus, in dem ich aufgewachsen bin, trotz seiner Enge und Mängel.“ Soweit Franz Link.

Ergänzt werden sollen seine Ausführungen durch Auszüge aus der Festschrift der Freiwilligen Feuerwehr Obernburg von 1919.

„Nach fast 16-stündiger Anstrengung konnte sich die Feuerwehr von der etwa 50 Meter langen und 60 Meter breiten Brandstätte, die einen erschütternden Anblick bot, zurückziehen.

Herzergreifend waren der Jammer der Brandopfer und ihre erschütternden Klagen um ihr verbranntes Hab und Gut, als sie von den Feldern nach Hause eilten und ihr Haus in hellen Flammen stehen sahen. Einer Frau ist die ganze Barschaft, die sie in ihrem Küchenschrank aufbewahrt hatte, verbrannt. Mit Mühe musste eine andere Frau abgehalten werden, die sich in ihr brennendes Anwesen stürzen wollte, um ihr Geld noch zu retten.

Wäre der Brand zur Nachtzeit gekommen, so hätte es Menschenleben gekostet, unmöglich wäre es dann gewesen, bei der schnellen Ausbreitung alle Bewohner zu retten.

Der Gesamtschaden des Brandunglücks hat sich auf rund 100.000 Mark belaufen, wovon ca. 43.000 Mark durch Versicherungen abgedeckt sind. Die Gebäude konnten größtenteils nicht zu höheren Beträgen versichert werden, weil sie infolge der alten Bauart nicht höher in die Versicherung aufgenommen werden konnten. Den Betroffenen erwuchs wegen der notwendigen Neubauten eine große Schuldenlast.

Wie konnte das Unglück einen solchen Umfang annehmen? Es lag nicht im Verschulden der Betroffenen, sondern an der Bauart der alten Häuser selbst, da Obernburg als im Mittelalter befestigtes Städtchen seine Gebäude auf engem Raum zusammenbauen musste und die einzelnen Häuser nur aus Fachwerk und Lehmfüllung hergestellt werden konnten. Kommt es hier zu einem Brand musste das Ergebnis verheerend sein.

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Der Buchdruckereibesitzer Heinrich Bingemer (Bild) verfasste einen Spendenaufruf,  der in vielen Zeitungen abgedruckt wurde.

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Bei der Schlussverteilung, die am 29. November 1914 auf dem Rathaus stattfand, konnte er als Ergebnis seiner von ihm geleiteten Geldsammlung, die sich über ganz Deutschland erstreckt hatte, insgesamt 10.000 Mark abliefern.

Seit dem Brand heißt dieses Viertel „Schwarzviertel“. Es wurde danach nicht mehr wie vorher aufgebaut. An der Stelle der abgebrannten Häuser ist damals ein schöneres und  moderneres Stadtviertel entstanden. Die Häuser wurden nicht mehr so eng aneinander gebaut, es war zwischen den Gebäuden mehr Raum vorhanden und so hat das damalige Bild der Stadt auch eine Verschönerung erfahren.“

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Blick Richtung Obere Gasse 1913 und 2012

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Blick Richtung Oberes Tor 1913 und 2012

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Haus Nummer 17 in den Jahren 1913 und 2012, nun mit dem neu geschaffenen Durchgang.

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Aus den ehemals 13 Grundstücken wurden nur fünf neue Bauplätze gebildet. Auch wurde an der bestehenden Sackgasse von der Oberen Gasse ein Durchgang zur Unteren Wallstraße Haus-nummer 17 hergestellt.

 

Heinz Janson

Quellen:
Memoiren von Franz Link
Festschrift der Freiwilligen Feuerwehr Obernburg von 1919
Archiv der Stadt Obernburg
Unterlagen von Peter Burkart zur Brandkatastrophe von 1913
Brandfotos: Apotheker Andreas Rauschmayer