hvvlogosw

Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

Inhaltsverzeichnis

Startseite

Vereinsziele, Vorstand

Vereinsgeschichte

Obernburger Geschichte/n

Römische Geschichte/n

Bauwerke und Gebäude

Persönlichkeiten

Mundart

Aktivitäten

Tanz- und Kostümgruppe

Links

Impressum

Beitrittserklärung

banner_hvv

Als im Main noch eine Badeanstalt war

Wer heutzutage gerne schwimmen will, findet in Obernburgs Umgebung zahlreiche Badegelegenheiten in Frei- oder Hallenbädern und in Kiesseen. Viele Jahrhunderte lang bot bei uns nur der Main den Badelustigen Gelegenheit zum sommerlichen Schwimmen. Anfang der 1950 er Jahre beendeten vor allem gesundheitliche Gründe das Baden in der kanalisierten Wasserstraße.

Baden im 19. Jahrhundert
„Die Bewohner des Mains haben besonders in ihrer Jugend eine Vorliebe zum Baden im Maine…. In Obernburg selbst befindet sich ein Badehaus im Sommer errichtet, welches von den wohlhabenderen Bürgersleuten fleißig besucht wird.“ So steht es in einem Bericht eines Amtsarztes im 19. Jahrhundert. Auch aus alten Akten des Stadtarchivs geht hervor, dass das Baden im Main „ein öffentliches Bedürfnis“ war. Aber es wurde schon im frühen 19. Jahrhundert behördlicherseits reglementiert, denn nur in begrenzten Bereichen wurde es erlaubt. Der Treidelweg oder auch Leinritt genannt, auf dem Lastkähne mit Pferden mainaufwärts von Stockstadt bis Obernburg gezogen wurden, wechselte nämlich bei Obernburg auf das Elsenfelder Ufer. Später wurde der Flusslauf durch Buhnenbauten verengt und dadurch vertieft. Der Zugang zum freien Gewässer war durch diese Gegebenheiten vielfach eingeengt.

2014-3-1 Schwimmbad 1894 Lageplan

Im Auftrag des Stadtmagistrats errichtete im Jahre 1858 der Zimmermeister Johann Kunig nach eigenen Plänen ein Badehaus, das aus zwei Kabinen, zwei Stiegen und zwei eingerahmten Badeplätzen bestand. Bei einem „Badeplatz“ mit den Ausmaßen von etwa zwei auf zwei Meter konnte man sich abkühlen oder den Körper reinigen. Dieses Badehaus wurde unterhalb des heutigen Brückenstegs im Sommer ins Wasser gelassen und im Herbst wieder abgebaut.

Im Jahre 1892 jedoch mahnte der königliche Bezirksamtmann, dass „das Badehaus nicht den billigsten Anforderungen in Bezug auf Anstand und Sitte“ entsprechen würde, denn die beiden Kabinen seien bei heißem Wetter dem Andrang nicht gewachsen und beide Geschlechter seien nicht gebührend getrennt. Offenbar hatte sich zudem im Laufe der Jahre ein „wilder Freibadeplatz“ oberhalb der 1890 gebauten Brücke (heute Brückensteg) gebildet, während das Badehaus südlich der Mühlbachmündung am Mainufer stand. Der Stadtmagistrat veranlasste daraufhin die Anschaffung eines zweiten Badehauses für 380 Mark. Die Badeanstalten wurden getrennt nach Geschlechtern oberhalb und unterhalb der Brücke aufgebaut. Im Jahre 1904 übernahm Gustav Dölger von Thomas Platz die Leitung und Beaufsichtigung beider Badeanstalten für eine Vergütung von 48 Mark im Jahr. 

1911 wurde der Bau einer Badeanstalt beschlossen
Als 1903 ein niedriger Wasserstand des Mains das Baden von den beiden Badehäuschen aus unmöglich machte, wandte sich der Stadtmagistrat an das Bezirksamt (heutiges Landratsamt): „Die Errichtung eines Schwimmbades wird vielfach als ein öffentliches Bedürfnis bezeichnet und der Mangel eines solchen wird unangenehm empfunden.“ Aber erst im Jahre 1911 erstellte der Bezirksbaumeister Adam Steigerwald einen Plan für eine neue Badeanstalt bei Flusskilometer 104,920 (etwa in Höhe des heutigen Spielplatzes).

2014-4-1 Plan 1912 Steigerwald

Nach diesen Plänen (Zeichnung unten) wurde eine Bretterwand entlang des Ufers errichtet. Eine Halle mit sechs Kabinen zum An- und Auskleiden und für den Schwimmmeister unterbrach die Holzwand. Sitzgelegenheiten zur Mainseite hin gab es entlang dieser Sichtschutzwand. Im fließenden Main konnte man in einem 33 Meter langen und 7 Meter breiten Schwimmbassin baden, das durch schwimmende Stege und einen Balken zum offenen Gewässer hin begrenzt wurde.

2014-5-1 Grundriss 1912
2014-5-2 Klingenberg Bad

Dieses Modell aus dem Museum der Stadt Klingenberg zeigt die in Klingenberg in ähnlicher Art betriebene Badeanstalt im Main.

An den Schmalseiten dieser Anlage gab es jeweils drei Kastenbecken (im Volksmund „Affenkästen“ genannt) für männliche und weibliche Personen getrennt. Sie waren hüttenartig überdacht und für Nichtschwimmer oder für Kinder gedacht. Zum Bassin kam man durch drei Holzstege vom Ufer aus. Die ganze schwimmende Badeanstalt war durch Seile vom Ufer aus befestigt. Die Tiefe im abgegrenzten Badebereich hing jeweils vom Wasserstand des Mains ab. In trockenen Sommern reichte das Wasser Erwachsenen manchmal nur zur Brust.

Als im Juni 1912 die Badeanstalt eingerichtet wurde, galten für die Benützung strenge Besuchsregelungen nach Geschlechtern getrennt:
Männliche Erwachsene: 6 bis 9 Uhr und nachmittags  17 bis 20 Uhr
Weibliche Erwachsene:  9 bis 11 Uhr und nachmittags 14 bis 17 Uhr.

Eine Jahreskarte für Familien kostete 5 Mark, für Einzelpersonen 3 Mark, eine Einzelkarte für einheimische Erwachsene 30 Pfennig, für Auswärtige 50 Pf. Die Schuljugend hatte freien Eintritt.

Im Herbst musste Schwimmmeister Gustav Dölger die Badeanstalt abbauen und beim Mühlenbesitzer Richard Knecht bis ins Frühjahr in einer Scheune einlagern. Ab 1914 vereinbarte der Stadtmagistrat mit dem Mühlenbesitzer, der die Wasser-kraft der „Besch“ mittlerweile auch zur Stromerzeugung nutzte, dass er für die Badeanlage nächtlich den Strom für Signalleuchten zu liefern hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb im Jahre 1919 die Stadt die Steinhauerhütte, die bis dahin südlich des Steinhauerplatzes (Gelände der heutigen Anlagen) stand. Damit konnten die Teile der „Schwimmanstalt“ im Winterhalbjahr eingelagert werden.

2014-6-1 Rosa und Gustav Dölger mit Badegast

Das Bild zeigt Gustav und Rosa Dölger mit einem Badegast

Außerdem kaufte ein Jahr später die Stadt zwei eiserne Pontons, die die beweglichen Holzstege über Wasser halten sollten. In diesem Jahr bekam Schwimmmeister Gustav Dölger eine Vergütung von 150 Mark, eine Jahreskarte für eine Person kostete 5 Mark. Im Inflationsjahr 1923 stieg der Preis dafür auf 10.000 Mark. Als im Jahre 1930 bei der Mainkanalisation der Pegelstand des Flusswassers um etwa drei Meter angehoben wurde, beließ das Straßen- und Flussbauamt die Badeanstalt im Wesentlichen am gleichen Platz, obwohl andere Plätze in Erwägung gezogen worden waren.

Badesitten im Wandel
Hatte die Badeordnung bei der Einweihung noch auf strenger Trennung der Geschlechter bestanden und mit Sichtschutzwänden den Einblick auf Badende verwehren wollen, änderten sich in den zwanziger und dreißiger Jahren die moralischen Vorstellungen. Trotzdem gab es anfänglich wiederholt Mahn-schreiben des Bezirksamts an den Stadtmagistrat, wenn beide Geschlechter gleichzeitig die Badeanstalt benutzten und sich nicht an die vorgeschriebenen Badezeiten hielten.

2014-7-1 Damen im Affenkasten

Manchmal gab sogar das „Umherlaufen in Badekleidung in der Nähe der Badeanlagen“ Anlass zur Erregung öffentlichen Ärgernisses. Immer wieder bekam der Bademeister die Dienstanweisung „derartige Ungehörigkeiten“ abzustellen.

2014-8-1 Schreiben Stadt 1926

Wagemutige Jugendliche scherten sich ohnehin oft nicht um behördliche Anweisungen. Sie schwammen in die Mainmitte, wenn ein Schleppzug (Schlepper mit angehängten Lastkähnen) mainaufwärts vorbeizog, kletterten auf die Außen-stege der Schiffe und ließen sich ein Stück mitnehmen. Dann sprangen sie wieder ins Wasser und schwammen zum Badeplatz zurück.

Unvergessen blieben Erlebnisse von abenteuerlustigen Schwimmern, wenn eine Bordwand erst frisch geteert worden war und Hände, Brust und Füße von klebriger, schwarzer Masse überzogen wurden. Nichtschwimmer hielten sich natürlich meist im umgrenzten Badebereich auf, wenn sie mit ihren aufgeblasenen Autoreifen, mit Gürteln aus Korkstreifen oder mit angeschnallten großen Dosen als Schwimmhilfen das Schwimmen lernen wollten.

Als in der Zeit des dritten Reiches körperliche Ertüchtigung ein wichtiges Ziel der Politik war, wurde auch ein hölzerner Sprungturm errichtet, wo man von einem Einmeter- oder Dreimeterbrett ins tiefe Wasser springen konnte. Außerdem bekam das Bad eine Wasserleitung für eine Dusche.

2014-9-1 Anton Dölger mit Badgast
2014-9-2 Main Badeplatz mit Sprungturm 1930 Oberle

Der Schwimmmeister Anton Dölger (hier auf dem Sprungturm) wurde 1938 vom neuen „Bademeister“ Hugo Franz abgelöst.

2014-9-3 Luftbild
2014-10-2 Main Damen im Schwimmdress Ausschnitt
2014-10-1 Bad 1938

Aus heutiger Sicht erscheint eine vertrauliche Anweisung aus dem Reichsinnenministerium aus dem Jahre 1942 diskriminierend: Das Landratsamt sollte als zuständige Behörde ausländischen Arbeits-kräften, die als Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter in Deutschland arbeiten mussten, die Benutzung des Bades verbieten. „Zur Abwehr von Gefahren, besonders auf rassenpolitischem Gebiet, die aus dem Zusammensein mit Ausländern in Schwimmbädern“ entstehen, sollten „zuverlässige Partei- und Volks-genossen“ die Aufsichtskräfte verstärken und gegebenenfalls Ausländer entfernen.

Im Kriegsjahr 1940, als man nach dem Sieg im Westen auf ein baldiges Kriegsende hoffte, bemühte sich Bürgermeister Störrlein, ein neues Freibad für 1500 bis 2000 Personen zu planen. Er ließ Angebote für ein Schwimmbecken von 50m x 15m mit zwei Sprungbrettern und einer Rutschbahn einholen. Erste Ver-handlungen mit Grundstücksbesitzern am Hundbaum (an der heutigen Deckelmannstraße) wurden aufgenommen. Der weitere Kriegsverlauf machte die Verwirklichung dieser Pläne jedoch unmöglich.

Badeverbote am Main

2014-11-1 Bild Wolf

Badebucht mit Urbaum,
Bild oben: gezeichnet von Adam Wolf
Bild unten: Fotografie

2014-11-3 Main Kind am Badeplatz
2014-11-2 Main Kinder baden

Groß und Klein suchte Abkühlung im Main

Nach dem Kriegsende 1945 ordnete die amerikanische Militärregierung einen Arbeitseinsatz für ehemalige NSDAP-Mitglieder und Hitlerjungen in den Mainanlagen an. Anstelle der früheren Badeanstalt mussten sie unterhalb der heutigen Mainbrücke eine flache Badebucht ausschaufeln.

Dort herrschte bald am Rande der Bleichwiese, wo Hausfrauen ihre Wäsche trockneten und bleichten, reger Badebetrieb. Gerne verabredeten sich dort Kinder am „Urbaum“, einer durch Feuer ausgehöhlten Pappel, wenn sie sich zum Schwimmen treffen wollten. 

Die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Willy Nees dachte aber zunächst nicht daran, das „ehemals bestehende Schwimmbad wieder zu eröffnen“. Die Pontons waren nämlich von deutschen Soldaten unbrauchbar gemacht worden. Ein Hochwasser hatte außerdem die frühere Steinhauerhütte im Winter 1947/48 weggerissen.

Als Nees im Frühjahr 1948 die Herstellung einer offiziellen Badeeinrichtung wieder ins Auge fasste, kam vom Landratsamt die Feststellung, dass „die Sommer-badestelle Obernburg wegen der Abwassereinleitung aus den Glanzstoffwerken völlig ungeeignet, ja mit gesundheitlichen Gefahren verbunden ist“. Die Badestelle sei sofort zu schließen und eine entsprechende Verbotstafel sei anzubringen. Trotzdem wurden die Verbotsschilder wenig beachtet, im Gegenteil herrschte in den Sommermonaten weiterhin Badebetrieb. Als Mutprobe galt es damals, da es den Sprungturm nicht mehr gab, von der Mainbrücke (heute Brückensteg) zu springen und zurück ans Ufer zu schwimmen.
 

Im Juli 1954 mussten schließlich auf Aufforderung des Landratsamtes die noch stehenden Umkleidekabinen abgebaut werden und an den Rand des damaligen Sportplatzes (heutiger Festplatz) umgesetzt werden.

Damit endete in Obernburg der öffentliche Badespaß am Main. Mit einem amtlichen Bescheid im Jahre 1960 entzog das Landratsamt endgültig der Stadt die wasserrechtliche Erlaubnis zur Errichtung einer Badeanlage am Main. Badelustige Obernburger konnten jedoch ab Juni 1954 im neu eröffneten Erlenbacher Bergschwimmbad ihrem Hobby nachgehen.

Helmut Wörn

2014-12-1 Luftbild Badebucht