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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Ausgrabung am Römerhof 1994

Wo immer im Bereich der Obernburger Altstadt Baumaßnahmen durchgeführt werden muss mit römischen Bodenfunden gerechnet werden. Nicht immer  sind diese so spektakulär wie im Jahr 2000 in der Baugrube am “Torhaus” mit der Benifiziarierstation und dem Weihebezirk. Da die römische Besiedlung über das mittelalterliche Obernburg hinaus ging, kamen auch 1994  beim Bau der Kurzzeitpflegestation am Römerhof interessante Funde ans Licht. Damit war zu rechnen, da dies der Bereich des Lagerdorfs war und ganz in der Nähe unter der Knabenschule schon früher Teile der  Jupitergigantensäule in einem Brunnenschacht geborgen wurden.

Leider ist noch keine Aufarbeitung der gesamten Fundsituation bekannt. Unter der Leitung der seinerzeit bei der Stadt Obernburg beschäftigten  Archäologin Dr. Heide Lüdemann haben auch einige Mitglieder des Heimat- und Verkehrsvereins Obernburg bei der unter erheblichem Zeitdruck durchgeführten Grabung mitgeholfen. Da der Baubeginn im Frühjahr 1994  unmittelbar bevorstand, mussten die Arbeiten bei schwierigen Wetter- und Bodenbedingungen durchgeführt werden.
 

In Ost-West-Richtung wurde ein quer durch das Baugelände verlaufender Spitzgraben vom Bagger angeschnitten. Derartige Spitzgräben  wurden von den römischen Legionären angelegt, sobald ein Lager errichtet wurde. Zeitlich muss die Anlage vor Errichtung des Lagerdorfs bestanden haben, da sie durch spätere römische Bautätigkeiten, z. B.  Brunnenschacht und Pfostenlöcher von Holzgebäuden gestört war. Es kann vermutet werden, dass sich in diesem Bereich ein gesichertes Lager der Legionäre während der Bauzeit des römischen Kastells befand.

Der Spitzgraben war in der Baugrube deutlich erkennbar durch die Auffüllung mit eingeschwemmtem Lehm.

Südlich davon wurde eine Grube entdeckt, aus der Unmengen Knochen geborgen wurden, dazwischen aber auch Metallteile und Keramik. Hier hatte  offensichtlich ein “Metzger” hinter seinem Haus die Abfälle entsorgt. Diese Entsorgung war nicht unproblematisch, da sich in der Nähe auch Brunnen befanden. Diese mussten oft aufgegeben werden, wenn das Wasser durch  Verunreinigungen verseucht war. So sind z. B. bei der Löwengartengrabung am Friedhof zahlreiche unmittelbar nebeneinander angelegte Brunnenschächte aus der Römerzeit festgestellt worden.

Leider konnte ein im Baustellenbereich festgestellter Brunnenschacht nicht vollständig ausgegraben werden. Zum einen hätte dieser Brunnen von  Anfang an gegen Abrutschen der Seiten gesichert werden müssen. Zum anderen stand der Baubeginn unmittelbar bevor.

Es ist bekannt, dass die den Römern nachfolgende Bevölkerung die Macht der römischen Götter dadurch zu brechen versuchte, dass sie die  gefundenen Statuen zerschlugen, diese in Brunnenschächten versenkten und den Schacht verfüllten. Dabei wurden auch Keramikscherben und andere Gebrauchsgegenstände dazugegeben. Und meist wurde bei Ausgrabungen in den  Brunnenschächten auch ein Hirschgeweih gefunden. Dieses dem keltischen Donnergott Taranis zuzuordnende Attribut sollte ebenfalls das Wiederkommen der fremden Götter verhindern. Sowohl die Fundfolge unter der  Knabenschule als auch in dem freigelegten Brunnenschacht sprechen für diese These. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass unter der Pflegestation am Boden des Brunnenschachts noch Relikte römischer Gottheiten  liegen. Eine eventuelle Ausgrabung ist künftigen Generationen vorbehalten.

Der aufgefundene Brunnenschacht war im oberen Bereich ursprünglich mit Holz eingefasst, was durch die Bodenverfärbung erkennbar war. Bei der  Ausgrabung kamen verschiedene Keramik- und Metallteile zum Vorschein. Die Schichtenfolge der Verfüllung spricht dafür, dass es sich auch hier wie vorstehend geschildert um eine “Beerdigung” von römischen Gottheiten  handelt.

Der interessanteste Fund in der Verfüllung des Brunnens war die orangerote Scherbe eines Medaillons, die aufgrund der Inschrift als aus  Lugdunum (Lyon, Frankreich) stammend zugeordnet werden konnte und Teil eines Faltenbechers war. Auch der Name des Töpfers ist durch Funde in Lyon bekannt.

Rings um den Brunnenschacht wurden mehrere großflächige Ascheschichten mit Holzkohleresten angeschnitten, die jeweils wieder von  Schwemmmaterial überlagert waren. Ob es sich um Schadensfeuer im Vicus handelt oder um Lagerfeuer, ist wohl nicht mehr zu klären.Verfärbungen im Boden von Holzpfählen des Unterbaus ließen noch die Lage  von Gebäuden erkennen. Es konnten auch Reste vom Innenputz gesichert werden.

Innerhalb der Baugrube wurde auch die Scherbe einer Gesichtsurne gefunden. Die Tradition der Gesichtsurnen stammt aus dem  Mittelmeerraum, das Gesicht symbolisiert die Totenmaske. Die Scherbe stammt wohl ursprünglich aus dem nördlich gelegenen römischen Friedhof.

Wulf Huke