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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Auf den Spuren Obernburger Auswanderer in Obernburg/USA

Das 150-jährige Kirchenbaujubiläum feierte am 29. August 2004 die katholische Kirchengemeinde „Saint Mary’s Church“ von Obernburg im US-Bundesstaat New York. Seit Jahrzehnten bestanden dorthin Kontakte von Heinz Knebel und Dietmar Deckelmann/ Glattbach. 17 Personen aus dem unterfränkischen Obernburg, unter ihnen auch Bürgermeister Walter Berninger, folgten der Einladung der dortigen Pfarrei und feierten den denkwürdigen Jahrestag der Kircheneinweihung mit den Nachfahren der früheren Auswanderer. Höhepunkt dabei war eine feierliche Messe mit dem New Yorker Kardinal Edward Egan in der kleinen Pfarrkirche.

Die bayerischen Obernburger mit dem New Yorker Kardinal

Gründung des kleinen Weilers Obernburg
Aus dem unterfränkischen Obernburg und Nachbarorten oder aus anderen deutschen Gebieten ausgewanderte Menschen hatten sich etwa 220 km nordwestlich von New York im Gebiet der Catskill-Berge niedergelassen und dort ihre Ortschaft nach Obernburg benannt. Interessante Einblicke in das harte Leben der Neusiedler, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihre deutsche Heimat verlassen hatten, gibt die Festschrift „Souvenir Journal Sesquicentennial Celebration“, die anlässlich des Jubiläums veröffentlicht wurde:

„Zwischen 1845 und 1855 wanderte eine große Zahl von Deutschen nach Amerika aus. Viele von ihnen wurden in die unerschlossenen Gebiete im westlichen Landkreis von Sullivan durch die Verteilung von deutsch verfassten Werbeschriften gelockt. Salomon Royce, dem die Gebiete gehörten, heuerte Agenten unter den Deutschen an, die sich schon vorher in seinen Besitzungen niedergelassen hatten. Die Passagierlisten von jedem Schiff waren verfügbar, bevor es im New Yorker Hafen anlegte.

Werbeschriften priesen die Vorzüge der Ländereien von Royce als eine ideale zukünftige Heimstätte. Salomon Royce verkaufte auf diese Weise sein Land. Das westliche Gebiet von Sullivan wurde größtenteils geschlossen von Deutschen besiedelt. Die deutsche Sprache war deshalb für mehr als 50 Jahre im allgemeinen Gebrauch. Sie war so vorherrschend, dass sogar nicht Deutsch sprechende Nachbarn sie lernten. Royce hielt das Interesse an seinen Kunden aufrecht und machte es zu seinem Geschäft, sie während des Winters zu besuchen. Fand er eine Familie in Not, gab er ihr auch genügend Kredit, um die nächste Zeit zu überbrücken.

Gründung einer katholischen Pfarrei
Viele unter den deutschen Siedlern waren Katholiken. Sie kamen hauptsächlich aus Bayern und anderen Gebieten, wo eine katholische Bevölkerung ansässig war und wo sie sich der Segnungen ihrer Religion erfreut hatten. In ihrer neuen Heimat vermissten sie schmerzlich die heilige Messe, den Empfang der Sakramente, den geistigen Beistand bei Krankheiten und die religiöse Unterweisung ihrer Kinder.“

Zunächst kümmerten sich Redemptoristenpatres um diese Siedler, aber sie kamen nur viermal im Jahr nach Obernburg. So wurde der Wunsch laut, einen ständigen Pfarrer bei sich zu haben. Für einen Dollar wurde ein  Grundstück von einem Acre (= 4.047 m²) von Wilhelm Deckelmann gekauft und die Siedler errichteten darauf eine kleine Missionskapelle. Auf Bitten der Obernburger entsandte der New Yorker Erzbischof den aus Österreich stammenden Priester Joseph Rösch als ersten ansässigen Pfarrer nach Obernburg. Er gab der neuen Pfarrei den langen Namen ‚Katholische Pfarrei zur unbefleckten Empfängniß der seligsten Jungfrau Maria zu Obernburg’. Der neue Pfarrer hielt seine erste Messe in der Obernburger Kirche am 3. September 1854. Als die Pfarreiangehörigen das Lied „Großer Gott wir loben dich“ gesungen hatten, wussten sie, dass sie die erste katholische Pfarrei im weitem Umkreis gegründet hatten.

Verkleinerter Nachbau des ersten Gotteshauses
aus dem Jahre 1854

Schwieriger Start der Einwanderer
Rösch, der 20 Jahre Pfarrer in dieser Gemeinde blieb, lieferte ausführliche Berichte über die Anfänge des winzigen Pfarrortes: „Im Jahre 1846 war diese ganze Gegend noch eine dichte Waldung, nur hie und da fand sich eine Amerikanische Familie, sich kümmerlich ernährend. Es gab damals keine Eisenbahn, keine Loh-Gerberei, keine Getreide- oder Sägmühle.

In die Waldungen kamen im Winter des Jahres 1847 die ersten katholischen Ansiedler, erbauten sich aus den umgehauenen Baumstämmen Blockhäuser, hieben die Bäume nieder, zündeten die Äste, das Busch- und Reiserwerk an, schleppten dann übrig gebliebene Baumstämme mit ungeheuerer Mühe auf große Haufen zusammen und vernichteten sie durch Feuer. So entstanden lichte Stellen, Wiesen, fruchtbare Felder und kleine Hausgärten. Vom Obstbau war anfangs natürlich keine Rede, erst allmählich wurden aus anderen Gegenden kleine Obstbäume gekauft.“

Rösch beschrieb in seinen Aufzeichnungen viele Beobachtungen bei den Neusiedlern: „Die deutschen Einwanderer waren bei ihrer Pionierarbeit nicht so geschickt im Gebrauch der Axt, aber sie waren anderweitig fähige Leute, weil sie in ihrer alten Heimat als Lehrlinge Berufe gelernt hatten. Einer aus der Familie Deckelmann war ein Bäcker, ein anderer ein Brauer. Anton Wolff war Schreiner. Schuhmacher und Schneider gab es unter ihnen in großer Zahl.

Die Deutschen hatten jedoch vorher nie auf isoliert gelegenen Bauernhöfen gewohnt. Jede Familie hatte innerhalb einer Ortschaft gelebt und die bebauten Felder lagen in einiger Entfernung vom Ort. Im Gegensatz dazu waren die amerikanischen Pioniere Jäger und Fischer und erjagten ihre Nahrung in den Wäldern und Gewässern. Die Deutschen dagegen waren Fachleute in allen Arten der Landwirtschaft.

Aus den dichten Waldungen schufen die deutschen Auswanderer vor ungefähr 150 Jahren Wiesen, Felder und Gärten. Ihre Streusiedlung nannten sie Obernburg.

Die Erbauung der Blockhütten und die Urbarmachung des Landes kostete ihnen wenig Geld, aber während sie damit beschäftigt waren, konnten sie nichts verdienen. Sicherlich brauchten sie auch etwas Geld, aber dieses wenige war schwer zu bekommen. Wenig Kostbares kam in ihren Besitz. Sie tauschten viele Waren bei fahrenden Händlern ein. Auch der Bau von Landstraßen war nicht abhängig von der Bezahlung von Steuern. Stattdessen war jeder Erwachsene verpflichtet, eine bestimmte Stundenzahl für das Anlegen und Unterhalten der Wege unter der Anleitung eines amtlichen Wegebaumeisters abzuleisten.

Obwohl das Geld meist knapp war, gab es doch einige Siedler, die Geld aus ihrer Heimat mitgebracht hatten und Teile ihres Neubesitzes bezahlen konnten. Die alten Grundbücher zeigen jedoch, dass Salomon Royce viele Hypotheken auf die Grundstücke vergeben hatte.“

Die deutsche Sprache weicht dem Englischen
Mit Pfarrer Rösch hatte Obernburg einen ungeheuer fleißigen und einsatzfreudigen Geistlichen bekommen. Er erweiterte nicht nur bald das kleine Gottes- haus, sondern errichtete ein Missionsgebäude und sorgte dafür, dass im Jahre 1855 erstmalig Schulunterricht für acht Kinder abgehalten werden konnte.

Schon im nächsten Jahr wuchs die Schülerzahl auf 21 Kinder und stieg fortan stark an. Nach dem Tode von Pfarrer Rösch im Jahre 1884 betreuten bis 1892 verschiedene deutschsprachige Diözesanpriester die Pfarrei. Infolge kirchenfeindlicher Gesetze in Preußen während des Bismarck’schen Kulturkampfes mussten um diese Zeit viele Ordensleute Deutschland verlassen. Im Jahre 1892 übernahmen deshalb deutschsprachige Franziskaner die Obernburger Pfarrei. Bis heute ist dieser Orden in der Kirchengemeinde tätig. Hatte man anfangs in Obernburg nur Deutsch gesprochen, so wurden aber bald einmal im Monat das Evangelium und die Predigt auch in Englisch vorgetragen. Nach dem Kriegseintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 wurde der Gebrauch der deutschen Sprache bei offiziellen Anlässen verboten. So verlor sich danach allmählich auch das Deutsche aus dem Alltagsleben der Obernburger.

Das heutige US-Obernburg

Die heutige Kirche “Saint Mary’s”
mit der Franziskanerniederlassung

Heute bildet die Kirche mit einer Franziskanerniederlassung und einem Gemeindesaal ein kleines Zentrum des Weilers Obernburg, der zur Gemeinde Fremont gehört. Auf dem Friedhof in der Nähe der Kirche kann man viele alte Grabsteine mit den Namen verstorbener Auswanderer aus Unterfranken entdecken. Verstreut in einer hügeligen, waldreichen Landschaft finden sich die einzeln stehenden Wohnhäuser, manchmal noch zusammen mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden oder Garagen. Nur in den Sommermonaten steigt die Zahl der Bewohner über 200 Personen an. Im schneereichen Winter werden manche Landhäuser selten genutzt, weil ihre Besitzer im Großraum New York leben und arbeiten. Riesengroß für europäische Verhältnisse sind die Grundstücke. Keine Seltenheit ist die Fläche von 20 Hektar Wiesen, Äckern, Gärten und Wald rund ums Haus.

Jeder Hausbesitzer muss jedoch für seine Trinkwasserversorgung mittels Brunnen oder einer Quelle selbst sorgen und auch das Abwasser über Versitzgruben o. ä. selbst entsorgen. Deshalb müssen für einen Neubau eines Hauses auch mindestens 4 Acres (ca. 16.000 m²) zur Verfügung stehen. Die Grundstückspreise sind billig. Ein Quadratmeter kostet zwischen 0,25 bis 0,50 $. Im Gegensatz dazu sind die gemeindlichen Grundsteuern extrem hoch: Etwa 10.000 Dollar muss ein Besitzer einer früheren Farm für 24 Hektar jährlich bezahlen, wobei in dieser Abgabe auch die Kosten für die Müllabfuhr enthalten sind.

Im Jahre 1953 wurde mangels einer ausreichenden Zahl von Kindern die Schule geschlossen. Eine Brauerei, die der Familie Deckelmann gehörte, stellte ihren Betrieb ein. Auch eine Apfelkelterei gibt es nicht mehr. Ebenso schlossen die Post und ein Kaufladen ihre Pforten, so dass die Obernburger bei Einkäufen und Besorgungen in Nachbarorten vom Auto abhängig sind.

Blick von der Kirche über die hügelige Landschaft der Catskill-Mountains

Obernburg - ein Idyll inmitten ursprünglicher Natur
Für Naturliebhaber ist das 600 m hoch gelegene US-Obernburg ein idealer Ort. Weite Wälder, Weiden, Seen und Wildbäche umgeben die kleine Ortschaft. Jagden auf vielerlei Wild, auch Bären, finden im Herbst und Winter statt. Auch das Angeln erfreut sich großer Beliebtheit. Vielleicht deshalb haben sich erst in neuerer Zeit einige Familien Grundstücke mit Häusern im Gebiet von Obernburg gekauft. Sie genießen die Weite der Landschaft, die gute Luft und die Ruhe in einer wenig besiedelten Gegend, die an unseren Spessart oder Odenwald erinnert.


Helmut Wörn