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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Adam Lux

»Und kein Deutscher vergesse ihn!«
Zu Leben und Wirken des Jakobiners Adam Lux aus Obernburg


Gute Ideen benötigen in der Geschichte manchmal lange, bis sie ihre Wirkung entfalten. Die Gedankenwelt des Obernburger Bäckersohnes Adam Lux, die eng verknüpft ist mit den Anfängen der Demokratie in Deutschland, etwa rückt erst 250 Jahre nach seiner Geburt im Jahre 1765 in das Licht einer breiteren Öffentlichkeit. Im Jahr 2015 feierte die Universität Mainz im Landtag Rheinland-Pfalz das Geburtstagsjubiläum ihres Absolventen Dr. Adam Lux unter dem Titel „Die Gedanken sind frei“ mit einer literarisch-musikalischen Zeitreise. Der Ort der Veranstaltung trägt seit dem Jahr 2009 die Adresse „Platz der Mainzer Republik“ und würdigt damit den ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden – jenes kurzlebige Gebilde, als dessen Botschafter der Obernburger Adam Lux im Jahr 1793 in Paris unter der Guillotine spektakulär sein Leben ließ.

Lux’ bewegendes Schicksal, das durch die Jahrhunderte hinweg immer wieder als Thema der Geschichte und Stoff der Literatur aufscheint, erhielt vor diesem Hintergrund eine besondere Resonanz in seiner Heimatregion. Die Stadt Obernburg präsentierte zu Ehren ihres berühmten Sohnes im November 2015 die Jubiläumsveranstaltung der Universität Mainz. Darüber hinaus führten die Burg-festspiele in Freudenberg am Main in der Saison 2017 gar die Uraufführung des eigens dafür verfassten Stückes „Adam Lux – frei leben oder sterben“ auf.

Von Obernburg nach Mainz
Johannes Adam Lux wird am 27. Dezember 1765 im damals kurmainzischen Obernburg geboren. Er ist das erste von sechs Kindern des Bäckers Heinrich Franz Lux und seiner aus Großwallstadt stammenden Frau Barbara Fußler.

Trotz der Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen kann der hoch begabte Adam, nach Schulbesuchen in Obernburg und wohl auch in Aschaffenburg, in Mainz studieren. Im Alter von 16 Jahren schreibt er sich an der Universität der Residenzstadt ein. In der Matrikelliste führt man ihn als »pauper« (arm). Anfänglich belegt er Medizin, wechselt dann aber zur Philosophie.

Im Herbst 1784 schließt Lux dieses Studium mit der Promotion ab. Das Thema seiner Dissertation lautet »Enthusiasmus« und stellt gewissermaßen das Leitmotiv für seinen weiteren Lebensweg dar.

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Weitgehend mittellos – der Vater Heinrich Franz war im Sommer 1784 in ärmlichen Verhältnissen in Obernburg gestorben – ist der junge Doktor der Philosophie, wie zahlreiche andere Gelehrte seiner Zeit, dazu gezwungen, als Hauslehrer tätig zu werden. Lux erhält eine Stellung in der begüterten und hoch angesehenen Mainzer Familie Dumont, deren Söhne er unterrichtet. Dabei erfährt er einen außerordentlichen sozialen Aufstieg.

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Im Hause Dumont lernt Adam die um einige Jahre ältere Sabine Reuter, die wohl situierte Schwester sei-ner Dienstherrin, kennen und lieben. Das Paar hei-ratet im Mai 1786 und bezieht danach ein Hofgut, die Donnermühle, bei Kostheim nahe Mainz. Lux bewirt-schaftet dort mit seiner Frau die Äcker und Weinberge des mit ca. 20 ha Fläche sehr stattlichen Anwesens. 1787 und 1789 kommen in Kostheim die Töchter Maria Anna und Therese Apollonia zur Welt, ein 1791 geborenes Mädchen stirbt kurz nach der Geburt.

 

Links: Brief von Adam Lux

 

Die »Mainzer Republik«
Die Idylle eines weitgehend sorgenfreien und selbstbestimmten Lebens als Landwirt, Philosoph und Familienvater endet für Lux jäh 1792. Im Herbst dieses Jahres erreicht die Französische Revolution den Rhein und den Main. Die Franzosen nehmen zum Schutz ihrer jungen Republik vor den deutschen Fürsten die Festung Mainz und auch die Stadt Frankfurt ein. Der Kurfürst Erthal flieht ohne Gegenwehr. Lux begrüßt, ohne Kalkül seiner Lebensverhältnisse, diese Entwicklung freudig. Er stimmt voll mit den Zielen der Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – überein und verknüpft ausdrücklich sein persönliches Schicksal mit dem politischen Erfolg der Franzosen.

Früh tritt Lux dem neu gegründeten Mainzer Jakobinerklub bei und engagiert sich politisch ebenso an seinem Wohnort. Unter seiner Führung wird in Kostheim ein Freiheitsbaum errichtet und Lux bewegt die annähernd gesamte Bevölkerung des Dorfes dazu, sich öffentlich für die Ziele der Revolution zu erklären. An der Gründung des Rheinisch-Deutschen Freistaates, der im Frühjahr 1793 unter der Protektion der Franzosen in Mainz entsteht, ist Lux ebenfalls aktiv, jedoch nicht in einer führenden Funktion beteiligt. Die »Mainzer Republik«, der erste demokratische Staat auf deutschem Boden, beschließt unter dem militärischen Druck der deutschen Fürsten die Reunion mit dem mächtigen französischen Vorbild.

Lux wird in die Delegation gewählt, die den Beschluss nach Paris überbringen soll. Gemeinsam mit dem Kaufmann André Patocki und dem berühmten Gelehrten Georg Forster, der einst mit James Cook um die Welt segelte, mit Goethe konferiert und in Mainz der Universitätsbibliothek vorsteht, reist Lux im März 1793 ins Zentrum des politischen Geschehens. Die Donnermühle in Kostheim war schon zu Beginn des Jahres an die deutschen Truppen gefallen und Lux’ Frau mit den Kindern zu Verwandten in den Rheingau geflüchtet.

Deputierter in Paris
Schon kurz nach der Ankunft in Paris schwinden für die Mainzer Deputierten Forster und Lux rasch die Ideale der Revolution. Auf der Zuschauertribüne des Konvents ist Lux täglich Zeuge des Machtkampfes zwischen den gemäßigten Jakobinern, den Girondisten, mit deren Zielen er sympathisiert, und der radikalen Fraktion der Jakobiner um Robespierre und Marat.

Zugleich treffen Nachrichten von der erfolgreichen Belagerung der Stadt Mainz durch die deutschen Fürsten ein, der französische Widerstand gegen deren Vorrücken bleibt schwach. Völlig ausweglos erscheint Lux die Situation in Paris, als die gemäßigten Jakobiner Anfang Juni 1793 von den Kräften um Robespierre und Marat unerbittlich und gewalttätig verfolgt werden.

Der Freitod als Fanal
Lux beschließt in diesen Tagen seinen öffentlichen Freitod – als Fanal gegen die Herrschaft der politischen Gewalt. Zunächst will er eine Protestrede vor dem Konvent halten und sich danach erdolchen, doch Freunde können ihm diese Aktion ausreden. Unbeirrt sucht Lux weiter nach Möglichkeiten, wie er mit dem Einsatz seines Lebens das Revolutionsregime um Robespierre öffentlich anklagen kann.

Mitte Juli hat er seinen Weg gefunden. Er bedient sich dazu eines Mittels, das ihm als Intellektuellem am besten vertraut ist: er schreibt und publiziert. Am 13. Juli verbreitet Lux eine von ihm verfasste Flugschrift gegen das Revolutionsregime mit dem Titel »Avis aux citoyens français«, von den Zeitgenossen übersetzt mit »Die Meinung den Parisern gesagt«.

Wenige Tage später lässt er eine weitere Schrift zu dem Attentat der Charlotte Corday folgen – die junge, unbekannte Adelige hatte am 13. Juli mit einem Aufsehen erregenden Anschlag den radikalen Jakobiner Jean-Paul Marat ermordet. Lux begrüßt in seiner Schrift ausdrücklich die politischen Ziele der Corday, nicht aber ihr Mittel des politischen Mordes.

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Endlich wird er verhaftet. Konsequent beharrt Lux in den Verhören vor dem Revolutions-Tribunal auf seinem Protest und lehnt in der Haft der nächsten Monate alle Möglichkeiten ab, der drohenden Hinrichtung zu entgehen.

Nachdem das Regime Robespierres sich der wichtigsten innenpolitischen Gegner, der Girondisten wie auch der Königin Marie Antoinette, entledigt hat, kommt die Reihe an den Jakobiner aus der mittlerweile untergegangenen »Mainzer Republik«. Am 4. November 1793 um 5 Uhr nachmittags wird Adam Lux in Paris guillotiniert. Georg Forster, sein Begleiter, berichtet: »Er ist auf das Schafott gesprungen

 

Links: Das Todesurteil

Nachruhm in Geschichte und Literatur
Lux’ moralische Auflehnung gegen die Revolutionsdiktatur blieb politisch wirkungslos. Sein Schicksal jedoch fand bei den Zeitgenossen, insbesondere in Deutschland, großen Nachhall. Bekannte Publizisten der Zeit sicherten die Zeugnisse seines vergeblichen Kampfes und Dichter überformten seinen spektakulären Freitod. Jean Paul etwa schrieb 1800 zu Adam Lux: »Und kein Deutscher vergesse ihn!« – ein Nachruf, der das Scheitern und die Bewunderung der Tat einschließt.

Im 19. Jahrhundert dann wird die Tat des Adam Lux Thema der deutschen wie der französischen Geschichtsschreibung. Bedeutende Historiographen der Französischen Revolution gehen ausführlich auf Lux’ Schicksal ein. 1866 veröffentlicht der aus Mainz stammende, bekannte liberale Politiker Ludwig Bamberger in der französischen Zeitschrift »Revue Moderne« erstmals eine ausführliche biographische Studie zu Lux. Dieser folgen weitere Aufsätze, etwa der französischen Historiker Welschinger und Chuquet. 1892 dann publiziert der Mainzer Bibliothekar Alfred Börckel die erste Monographie zu Lux.

In der Dichtung wird, wie jüngst der amerikanische Literaturwissenschaftler Thomas P. Saine feststellte, Adam Lux bereits 1798 eine Figurenvorlage in Goethes Versepos »Hermann und Dorothea«. An dieses frühe literarische Zeugnis schließen sich zahlreiche weitere an, so unter anderem Jean Pauls Eloge auf Lux in dem Aufsatz „Der 17. Juli oder Charlotte Corday“. In der Romantik ist Lux Thema bei Justinus Kerner oder im Realismus bei Otto Ludwig und Victor Hugo. Der spätere Literaturnobelpreisträger Romain Rolland schließlich stellt Lux 1899 in den Mittelpunkt seines Revolutionsdramas »Le Triomphe de la Raison« (»Der Triumph der Vernunft«).

Erstmals aber hat Stefan Zweig – Autor so bekannter Erzählungen wie der »Schachnovelle« oder viel gelesener historischer Essays wie den »Sternstunden der Menschheit« – das politische Schicksal des Adam Lux zum Thema eines Werkes gemacht. Angeregt von Rolland, mit dem er eng befreundet war, entstand in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Zweigs Drama »Adam Lux. Zehn Bilder aus dem Leben eines deutschen Revolutionärs« – das Stück wurde allerdings, ergänzt um einige marginale Textstellen, erst posthum 1984 publiziert. Zweigs Drama schildert in epischer, aber dennoch einfühlender Distanz Lux’ Weg in die Französische Revolution. Die Stationen der Passion reichen dabei vom begeisterten Aufstellen eines Freiheitsbaumes in Kostheim bis zum letzten Verhör vor dem Revolutions-Tribunal in Paris. Der Blick Zweigs liegt dabei auf dem ohnmächtigen Individuum, das gegen die politische Gewalt einen moralischen Triumph zu behaupten versucht.

Die jüngste literarische Bearbeitung des Lux-Themas findet sich in einer 1987 publizierten Novelle des Mainzer Schriftstellers Nino Erné mit dem Titel »Kinder des Saturn«. Ein Privatgelehrter hält im München der Jahre 1941/42 Vorlesungen im kleinen Zirkel und berichtet ausführlich vom Schicksal des Adam Lux im Paris des Jahres 1793. Lux’ Anklage gegen die politische Gewalt in der Französischen Revolution stellt dabei für den Gelehrten die Frage nach dem Widerstand gegen die Herrschaft des Nationalsozialismus.

Als literarische Zeugnisse des 20. Jahrhunderts machen Stefan Zweigs Drama wie auch Nino Ernés Novelle deutlich: Das Schicksal des frühen Demokraten Adam Lux wird nicht vergessen. Es führt an die Abgründe der Geschichte.

Eric Erfurth

Quellen:
Franz Dumont
, »Sein Leben dem Wahren widmen«. Adam Lux als historische Gestalt.
Erwin Rotermund
, Ein Mainzer Jakobiner im revolutionären Paris. Stefan Zweigs Drama »Adam Lux«.
Eric Erfurth
, Bibliographie »Adam Lux«. Historische Gestalt und literarische Figur

Alle in: Stefan Zweig. Adam Lux. Zehn Bilder aus dem Leben eines deutschen Revolutionärs.
Mit Essays und Materialien, 2. Auflage, Obernburg am Main.
(208 Seiten, ISBN 3-9803087-7-4, Preis 15 Euro)

 

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Zeittafel »Adam Lux«
zusammengestellt von Eric Erfurth

27. Dezember 1765
Geburt als ältester Sohn des Bäckers Heinrich Franz Lux und dessen aus Groß-wallstadt stammender Frau Barbara Fußler in Obernburg.

Herbst 1782
Einschreibung an der Universität in Mainz, Studium der Medizin und Philosophie.

19. November 1784
Studienabschluss als Doktor der Philosophie, Thema der Dissertation »Enthusias-mus«. Danach Hauslehrer in der Mainzer Familie Dumont.

25. Juni 1785
Aufenthalt in Obernburg zur Regelung des kärglichen väterlichen Erbes.

7. Mai 1786
Heirat mit der vermögenden Sabine Reuter, Bezug der Donnermühle bei Kostheim. Dort 1787 und 1789 Geburt der Töchter Maria Anna und Therese Apollonia, eine weitere Tochter stirbt 1791 kurz nach der Geburt.

14. Juli 1789
Ausbruch der Französischen Revolution mit dem Sturm auf die Bastille in Paris.

26. August 1789
Erklärung der Menschenrechte in Paris.

21. September 1792
Ausrufung der französischen Republik.

21. Oktober 1792
Die Franzosen nehmen Mainz ein.

Anfang November 1792
Lux tritt dem Mainzer Jakobinerklub bei und übernimmt dort mehrere Funktionen.

24./25. November 1792
Errichtung eines Freiheitsbaumes in Kostheim unter Lux’ Führung.

Mitte Januar 1793
Lux und seine Familie fliehen vor den anrückenden deutschen Truppen aus der Donnermühle.

18. März 1793
Gründung des Rheinisch-Deutschen Freistaates in Mainz. Beschluss der Reunion an Frankreich.

25. März 1793
Lux reist als Gesandter der »Mainzer Republik« zur Überbringung des Reunions-Beschlusses nach Paris. Weitere Delegierte sind der berühmte Gelehrte Georg Forster und der Kaufmann André Patocki.
14. April 1793
Mainz wird von deutschen Truppen belagert.

31. Mai bis 2. Juni 1793
Gewaltsames Vorgehen der radikalen Jakobiner um Robespierre und Marat gegen die gemäßigten Jakobiner (Girondisten).

1. Juni 1793
Lux entschließt sich zum politischen Freitod und verfasst Abschiedsbriefe.

13. Juli 1793
Lux veröffentlicht in Paris die Flugschrift »Avis aux citoyens français«. Zugleich Ermordung Marats durch Charlotte Corday.

17. Juli 1793
Öffentliche Hinrichtung Charlotte Cordays, Lux ist Zuschauer.

19. Juli 1793
Lux veröffentlicht die Flugschrift »Charlotte Corday«.

22. Juli 1793
Lux wird verhaftet, verhört und inhaftiert.

23. Juli 1793
Kapitulation von Mainz, Verfolgung der Jakobiner durch die Preußen.

30. August 1793
Lux wird vor dem Revolutions-Tribunal verhört.

2. November 1793
Lux erhält seinen Anklageakt.

4. November 1793
Letztes Verhör Lux’ vor dem Revolutions-Tribunal um 3 Uhr nachmittags. Hinrichtung um 5 Uhr nachmittags auf der »Place de la Révolution«.