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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Julius Ritter von Rohe

Geboren wurde Julius Rohe am 3.3.1832 in Obernburg als 2. Sohn der Eheleute Heinrich Joseph und Theresia Rohe, geb. Saul aus Obernburg. Der Vater war Schiffer und Ökonom in Obernburg und hatte sowohl mit seiner 1. Ehefrau Barbara, geb. Hermann aus Obernburg, als auch mit seiner 2. Ehefrau Theresia jeweils sechs Kinder. Die Großeltern mütterlicherseits, der Drechsler Johann Saul und Wilhelmine, geb. Helm, stammten ebenfalls aus Obernburg. Auch Johann Saul war zweimal verheiratet und seine 1. Ehefrau war die Tochter Adam Neumanns aus Obernburg, Urgroßvater des Hl. Bischofs Nepomuk  Neumann. Ebenfalls ein Obernburger war der Schiffmann Kaspar Rohe, der Großvater väterlicherseits, verheiratet mit der Hebamme Barbara, geb. Adami. Aus dieser Familiengeschichte ist leicht zu ersehen, wie fest verwurzelt Julius Rohe in Obernburg gewesen war. Seine Liebe zu Obernburg zeigt ein Brief, den Julius Rohe im Oktober 1869 an seine Mutter und Geschwister nach New York schrieb: „Neulich war ich in Obernburg gewesen. Fand die gleichen alten Plätze vor, ausgenommen das Rathaus, welches neu aussieht, die Renovierung ist wunderschön. Wir haben auch die alte Kirchenanlage besucht und standen am Grab meines Vaters…“1. Julius Urgroßvater Johann Franz Rohe war der erste Rohe der Obernburger Linie, der aus Kleinwallstadt stammend nach Obernburg gezogen war. Er war ein Enkel des am 17.10.1688 in Kleinwallstadt verstorbenen Pancraz Rohe2.

Nach drei Klassen Lateinschule3 trat Julius Rohe am 30.5.1849 freiwillig als Gemeiner in das königlich bayerische 12. Infanterie-Regiment „König Otto von Griechenland“ ein. Während seiner Militärzeit erhielt er noch vier Jahre lang privaten Unterricht in „militärwissenschaftlichen Gegenständen durch Offiziere“4. Seit dem 31.3.1855 diente er im 5. Infanterie-Regiment „Großherzog von Hessen“. Nun begann für ihn ein schwieriger Zeitabschnitt. Ein chronisch-rheumatisches Hüftgelenksleiden machte sich bemerkbar und zwang ihn 1857 zu einem Dienstausfall von einem Monat wegen Krankheit mit anschließender siebeneinhalb Monate dauernder Beurlaubung. 1858 war er wieder zwei Monate lang krank. Die anschließende Kur im Juliusspital Würzburg wurde ihm als Urlaub angerechnet und Rohe ca. ein Jahr lang beurlaubt als Realinvalide. Deshalb schrieb Rohe am 29.7.1859 an seine vorgesetzte Dienststelle nach Bamberg und bat um höhere Verwendung in der königlichen Gendarmerie. Er führte an, dass er bereits im fünften Jahr als Offizier diene und mehrere Jahre in der Regimentskanzlei des kgl. bay. Inf.-Regt. „König Otto von Griechenland“ Verwendung gefunden habe. Da die Vorgesetzten den inzwischen 28 Jahre alten Rohe als einen  „sehr brauchbaren und tüchtigen Offizier“ schilderten mit „sehr gutem schriftlichem und mündlichem Vortrag“, „guter moralischer Führung, sehr anständigen Manieren, wissenschaftlich gebildet“, „untersetzt“, aber „kräftig und ausdauernd“, „bescheiden, gutmütig, gesetzt“, „sehr guter Schütze“, wurde trotz seiner Erkrankung eine Versetzung zu einer Garnisons-Kompagnie oder als Platz-Adjutant angeregt5. Rohe blieb in der Armee und nahm an einem einjährigen Kurs in einer Gewehrfabrik in Amberg teil. Während seiner Bamberger Zeit, 1861 bis 1864 wurde Julius Rohe am 11.9.1862 mit dem Ritterkreuz 1. Klasse des großherzoglich hessischen Verdienst-Ordens Philipps des Großmütigen ausgezeichnet. Im Zentrum des Kreuzes war Philipp der Großmütige in Seitenansicht abgebildet, umrahmt von dem Wahlspruch SI DEUS NOBISCUM QUIS CONTRA NOS (Wenn Gott mit uns ist, wer mag gegen uns sein?). Dieser Orden rangierte direkt hinter dem großherzoglich hessischen Ludwigsorden. Die Entgegennahme durch Rohe musste der bayerische König Maximilian II. Joseph  genehmigen. Weil Rohe königlich bayerischer Oberleutnant war, wurde er in der Verleihungsliste des Großherzogtums Hessen als „Ausländer“ geführt6. Seine erste Felderfahrung hatte Rohe im deutsch-deutschen Krieg 1866.  Gegen das siegreiche Preußen kämpfte er in den verlustreichen Schlachten vor Roßdorf (4. Juli), Üttingen und Roßbrunn (25./26. Juli). Am 1.8.1866 wurde er zum Hauptmann 2. Klasse befördert und am 16.5.1867 zum 5. Jäger-Bataillon versetzt.

In Obernburg heiratete Julius Rohe am 12. November 1867 Katharina Mott, Tochter des königlichen Oberforstmeisters Philipp Mott aus Obernburg und dessen Ehefrau Eva, geb. Arnold.

Als der französische Kaiser Napoleon III. am 19.7.1870 Preußen den Krieg erklärte, kämpfte  Julius Rohe im Verband des II. bayerischen Armeecorps in der III. Armee unter der Führung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, also auf Seiten des Kriegsgegners von vor vier Jahren. Bereits in der Schlacht von Sedan fiel die Vorentscheidung, als Napoleon III. sich am 2.9.1870 dem Preußenkönig Wilhelm ergeben musste.

Rohe Reitpeitsche Kaiser  Napoleons III

 

 

Auf der Fahrt des Kaisers zu König Wilhelm von Preußen entfiel dem Hofkutscher Napoleons bei dem Tor von Mézières die Reitpeitsche.

Hauptmann Julius Rohe ließ die Peitsche aufheben und brachte sie mit nach Deutschland. Diese Reitpeitsche überreichte Julius Ritter von Rohe am 1. Juni 1902 seiner Heimatstadt Obernburg als unveräußerliches Geschenk.

Obwohl die Stadt Obernburg bei Erhalt der Schenkung deren „hochhistorischen Wert“7 gepriesen hat, hängt dieses Erinnerungsstück (Bild links) heute im Rathaus bedauerlicherweise recht abgelegen im Verbindungsgang zwischen dem Sitzungssaal und dem Archiv hinter Absperrgittern. Deshalb finden nur Eingeweihte diese Rarität.

Durch die Kapitulation bei Sedan und die Belagerung der Rheinarmee bei Metz war de facto die Feldarmee Frankreichs ausgeschaltet. Die Franzosen hatten fest an einen Sieg geglaubt und ihren Generälen lediglich Landkarten deutscher Gebiete mitgegeben, weil sie nur auf deutschem Boden kämpfen und unbedingt ihr Staatsgebiet erweitern wollten8. Die Wut über die Niederlage war groß. In Paris musste die Kaiserin Eugenie fliehen und die Republik wurde ausgerufen, weil die Franzosen weiterkämpfen wollten. So kam es zur Belagerung von Paris, an der auch Rohe teilnahm. Nach mehreren kleineren Ausfallgefechten begann am 13.10.1870 bei Châtillon-sous-Bagneux um 8.00 Uhr früh der Großangriff.

Bis zu 18 französische Bataillone versuchten die strategisch wichtige Anhöhe bei Bagneux zu stürmen. Das 5. kgl. bay. Infanterie-Regiment stand unter dem Granatfeuer der Forts Bicêtre, Montrouge, Vanves und Issy. Hauptmann Rohe hielt „mit seiner einzigen Kompagnie den übermächtigen Feind stundenlang zurück […], bis frische bayerische Hilfstruppen den Feind definitiv auf Paris zurückwarfen“9. Nach der Schlacht wurde das Gelände um Bagneux und Châtillon befestigt und ab dem 16.10.1870 von nun zwei Regimentern besetzt.

Am 22.12.1870 wurde Hauptmann Julius Rohe mit dem Ritterkreuz 2. Klasse des bayerischen Militär-Verdienst-Ordens ausgezeichnet und erhielt am 31.7.1871 das Eiserne Kreuz 2. Klasse vom preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Für sein tapferes Verhalten bei der Schlacht von Bagneux10 wurde Julius Rohe am 27.11.1871 in den Kreis der Militär-Max-Joseph-Ordensritter aufgenommen mit einstimmigem Beschluss des Ordenskapitels unter Vorsitz Jakob Ritter von Hartmanns, kommandierender General des II. bay. Armeekorps11. Diese Auszeichnung ersetzte das zuvor verliehene Ritterkreuz 2. Klasse.

Julius Ritter von Rohe

Julius Ritter von Rohe
Foto: Staatsarchiv München
Genehmigung vom 31.8.2011

 

 

Der Militär-Max-Joseph-Orden wurde 1806 vom bayerischen König Maximilian I. Joseph gestiftet und war der höchste militärische Verdienstorden des Königreichs Bayern. Seine Devise lautete VIRTUTI PRO PATRIA (Tapferkeit für das Vaterland). Er war für bayerische Nichtadelige mit einem nicht vererbbaren persönlichen Adel verbunden und 50 Rittern stand eine Pension von jährlich jeweils 300 Gulden zu. Vor der Verleihung wurde nicht nur die tapfere Tat der Offiziere (nur sie konnten den Orden erhalten) geprüft, sondern auch, ob diese Tat nicht mit der Aufopferung der Mannschaft erfolgt ist.

Damit war aus einem einfachen Bauernsohn der geadelte Julius Ritter von Rohe geworden, der in offiziellen Schreiben mit Herr Hochwohlgeboren tituliert wurde. Die Stadt Obernburg verwendete als Anrede meist den militärischen Titel.

In Zweibrücken, wo Ritter von Rohe von 1870 bis 1878 stationiert war, kamen alle seine vier Kinder zur Welt. Karl (*7.4.1870) und Elisabeth Anna (*18.7.1878) starben nur wenige Tage alt. Olga Maria Theresia (*4.4.1872) und Maximilian Josef (*13.3.1874) erreichten das Erwachsenenalter.

Die glanzvolle militärische Laufbahn Julius Ritter von Rohes setzte sich fort über den Hauptmann 1. Klasse (1.4.1872), den Major und etatmäßigen Stabsoffizier im 5. Inf.-Regt. (3.4.1877) und den Bataillonskommandeur im 16. Inf.-Regt. in Passau (10.10.1878). Der Qualifikationsbericht  zum 1.1.1876  beschreibt von Rohe wie

folgt: „In Verrichtung seines Dienstes lebhaft, eifrig, selbst denkend und pflichttreu. Von echt soldatischem Sinne, militärisch tüchtig, bildet Chargen und Mannschaft der Kompagnie mit sehr gutem Erfolg aus…“12. Am 20.4.1878 wurde von Rohe abkommandiert, um an den Frühjahrs-Exerzitien der kaiserlich-preußischen Garde in Berlin–Potsdam teilzunehmen mit vorheriger Ausbildung in der Schießschule Spandau. Diese Exerzitien dienten im noch jungen Kaiserreich nicht nur der einheitlichen militärischen Fortbildung, sondern waren auch ein gesellschaftliches Großereignis. Im Alter von 49 Jahren erbat sich Ritter von Rohe am 7.7.1881 aus Gesundheitsgründen seinen Abschied, der ihm unter Verleihung des Charakters als Oberstleutnant bewilligt wurde. Als Pension erhielt er jährlich 3.674 Mark auf Lebenszeit. In den Landwehrdienst wurde von Rohe am 17.2.1886 berufen. Kurze Zeit später wurde der pensionierte Oberstleutnant vorgeladen, damit ihm die Umstände der plötzlichen Abdankung und des Ablebens König Ludwig II.13, der noch persönlich von Rohes Abschiedsgesuch unterzeichnet hatte, gesondert erklärt wurden. Daran zeigt sich, wie angespannt die Lage in Bayern damals war. Dann wurde er auf den neuen bayerischen König Otto I. vereidigt (14.7.1886).14 Gelegentlich der Feier des hundertjährigen Bestehens des Militär-Max-Joseph-Ordens 1906 in München wurde ihm der Charakter als Oberst verliehen. Aus Anlass des 70-jährigen Dienstjubiläums seiner königlichen Hoheit Prinz Leopold erhielt Ritter von Rohe die Jubiläumsmedaille mit Krone am 28.10.1909 verliehen. Beigelegt war die schriftliche Anweisung, dass diese Medaille in der Rangfolge nach dem Militär-Max-Joseph-Orden und dem Eisernen Kreuz, aber vor allen sonstigen Auszeichnungen zu tragen sei. Dazu gehörten beispielsweise das Armeedenkzeichen, die Kriegsdenkmünze 1870/1871 in Bronze und das Dienstalterszeichen für 24 Jahre.

Noch in Passau hatte sich Ritter von Rohe „wegen ehelicher Dissidien“ (Streitpunkte) im Frühjahr 1881 von seiner Frau Katharina getrennt. Eine Scheidung war wohl wegen der Altersversorgung seiner Frau und der Kinder nicht geplant.15 Die von Rechtsanwalt August Rothmund aus Passau vorbereitete außergerichtliche vertragliche Einigung scheiterte an der fehlenden Zustimmung der Ehefrau. Trotzdem übergab Rothmund, wie von Rohe anführt absprachewidrig, die kommissarisch verwalteten Wertpapiere und Gelder in Höhe von 17.000 Mark an Katharina von Rohe. Daraufhin beleidigte Ritter von Rohe den Rechtsanwalt mit den Worten: „Dann sind Sie ein Schurke, ein Hundsfott!“ Der Advokat strengte ein Ehrengerichtliches Verfahren gegen den Oberstleutnant zur Disposition vor dem Militär-Untergericht der Kommandantur Aschaffenburg an und von Rohe wurde wegen schwerer Beleidigung in 1. Instanz verurteilt (18.4.1883). Diese Verurteilung hätte sogar den Pensionsanspruch von Rohes gefährdet. In 2. Instanz wurde der Oberstleutnant jedoch freigesprochen, obwohl seine Gegenklage in Passau wegen Amtsuntreue des Rechtsanwaltes keinen Erfolg hatte und das OLG München die Beschwerde nicht annahm.16

Seinen Lebensabend, d. h. noch 29 Jahre, verbrachte Ritter von Rohe wieder in Obernburg, obwohl der größte Teil seiner Angehörigen17 inzwischen nach Amerika in den Raum New York ausgewandert war. Sohn Maximilian besuchte in Aschaffenburg das Studienseminar und Tochter Olga befand sich 1884 als zahlendes Mitglied im Vorkurs der höheren Töchterschule Aschaffenburg im Schönborner Hof. Ein Gesuch Rohes, für die Tochter eine Freistelle zur Ausbildung im Max-Joseph-Stift München zu erhalten, wurde ohne Angabe von Gründen am 19.9.1884 abgelehnt.

Julius von Rohe ersteigerte18 am 1.6.1881 das Haus Nr. 310 (heute Römerstraße 89/Ecke Juliusstraße). Binnen kurzer Zeit kaufte von Rohe weitere Grundstücke hinzu und erweiterte sein Haus mit einem Anbau, einem Hinterhaus und weiteren Nebengebäuden. Später klagte er, dass „bei beabsichtigten Grunderwerbungen“ in seiner Nähe „von den einschlägigen Besitzern geradezu ganz exorbitante Forderungen gestellt worden sind“19. Sein Wohnhaus war zwar für damalige Verhältnisse repräsentativ, dennoch wurde Oberst Ritter von Rohe von Justizrat Erzberger als genügsamer Mensch beschrieben, der sich auf das Äußerste einschränkte.20 Trotzdem musste von Rohe noch mehrere Prozesse führen. Bis 1897 wohnte der königliche Forstamtsassessor Trümbach21 ebenfalls im Haus als Mieter. Der rührige Trümbach behauptete, „größte Mißfälligkeiten“ mit seinem Mietherrn Rohe zu haben und „ein langwieriger, höchst widerwärtiger Prozess“ stünde bevor. Termin wäre bereits für den 29.10.1886 vor dem königlichen Amtsgericht Klingenberg anberaumt.22 Er wollte offenbar die Stadt unter Druck setzen, damit diese endlich den langgehegten Plan eines Forsthauses  verwirklichen sollte. Deshalb drohte er mit einer Domizilverlegung, weil in Obernburg ein chronischer Mangel an Beamtenwohnungen bestünde, und hatte Erfolg.

1897 baute die Stadt Obernburg das Forstamt in der Kreßstraße 2. Auch gegen den Wagner Hugo Reis musste Ritter von Rohe klagen, weil er ein Gartenstück besaß, das von Grundstücken des Hugo Reis vollständig umgeben war. Als Reis seinen Grundbesitz plötzlich absperrte, benötigte Rohe einen Zugang. Erst nach mehreren vergeblichen Vermittlungsangeboten stimmte Reis endlich einem kleinen Eingangstörchen nebst einem 55 cm breiten Weg als Zugang zur Plannummer 1609 gegen eine jährliche Entschädigung von 50 Pfennig zu.23

Von Rohe hatte bereits 1896 seiner großjährigen Tochter Olga, „ledige Privatiere von Obernburg“24, sein Anwesen wohl zu deren Absicherung übertragen, obwohl diese 1898 in Paris und 1907 in München lebte. Rechtsgeschäfte im Namen der Tochter erledigte er per Generalvollmacht. Er blieb in Obernburg wohnen und verhielt sich weiterhin wie der rechtmäßige Hauseigentümer. Deshalb verhandelte die Stadt Obernburg nur mit ihm, als sie einen Bauplatz für die neue Knabenschule suchte. Erst wollte sie das hintere Wohngebäude mit Nebengebäude und Gartenland von ihm erwerben25, dann verlangte sie seinen Acker am Römergäßchen, der dem Haus gegenüber auf der anderen Seite der Straße nach Aschaffenburg (heute Römerstraße) lag, weil sie nun die Schule auf dem Uhrig‘schen Gelände unterhalb des Amtsgerichts plante und sein Acker die hintere Zufahrtsstraße ergeben sollte.26 Schließlich fragte sie „ergebenst an, ob Euer Hochwohlgeboren geneigt wären, Ihr Gesamtanwesen, also Hauptbau mit Hof, Rückgebäude und Gartengebäude an die Stadt zum Knabenschulhausbau zu verkaufen…“27.

Obwohl von Rohe seine Preisvorstellung klar mit 30.000 Mark angab und begründete, dass er seine Barauslagen nachweisen könne und aus dem Verkauf „weder Profit machen, noch Verluste erleiden will …“28, versuchte Bürgermeister Eduard Deckelmann zu verhandeln. Erst von Rohes Brief vom 31.1.1907, in dem er eindrucksvoll beschreibt, dass sein Anwesen seine „eigentliche Sparkasse“ bildet und er kein „weiteres, fundiertes Barvermögen“ besitze, und die deutliche Anspielung auf den Bürgermeister, der zugleich auch „Ochsen“-Gastwirt und Metzger war, dass bei ihm „die Verhältnisse nicht so wie bei einem Geschäftsmann [liegen], der seinen Kindern ein organisiertes Geschäft hinterläßt, denn bei mir hängt alles nur von meinem Leben ab und sobald dieses aufhört, hört auch für meine eigenen und für meine Enkelkinder das Einkommen auf“, überzeugte die Stadt von seiner Standhaftigkeit.

Mit Kaufvertrag vom 26.3.1907 erwarb die Stadt Obernburg das Rohe‘sche Anwesen für 30.000 Mark und baute es um. Der hintere Anbau wurde weggerissen, um dem neuen Knabenschulbau Platz zu machen, der weitgehendst auf ehemals Rohe‘schem Gelände errichtet wurde.

Rohe Ausschnitt aus dem Vermessungsverzeichnis 212 von 1941

Ausschnitt aus dem Vermessungsverzeichnis 212 von 1941

Das Wohnhaus an der Ecke wurde renoviert und eine Holzlege mit Waschküche angebaut. Der damals 75-jährige Julius Ritter von Rohe, der zuvor betont hatte, dass er „am Abende [seines] Lebens nicht mehr von Obernburg wegziehen und [sich] nicht nochmals in fremde Verhältnisse schicken will und kann“29, wohnte weiterhin im Haus, jetzt als Mieter.

 

Er sicherte sich den untersten Stock (6 Zimmer, Küche, Holzlege neben der Waschküche und Abort). Dazu mietete er das mittlere Zimmer im Dachgeschoss zur Hauptstraße gelegen und den großen, tiefen Keller längs der Juliusstraße. Das Haus besaß schon elektrische Beleuchtung.30 Vor dem Haus befand sich eine der fünf(!) Bogenlampen, die seit 1906 nachts die Stadt Obernburg erleuchten sollten31.

Ritter von Rohes chronisch-rheumatisches Leiden machte sich mit der Zeit immer mehr bemerkbar. Seine früher ausgesprochen schöne Handschrift wurde wegen Schmerzen und Verdickung einzelner Finger zittriger. Im Verfahren zur Anerkennung als Kriegsinvalider steht im Arztbericht, Oberstleutnant von Rohe könne nur mit größten Mühen am Stock gehen und sich ohne fremde Hilfe nicht an- und auskleiden und zu Bett gehen. Der 78-Jährige sei dürftig genährt, habe schneeweißes Haupt- und Barthaar und seine Muskulatur sei schlaff. Seit Februar 1910 war von Rohe ständig bettlägerig. Daraufhin wurde er wegen seines Leidens als Kriegsinvalide „doppelt verstümmelt“ anerkannt.32

Rohe Schreiben des Julius von Rohe vom 4

Am 18.5.1910 um ½ 5 Uhr früh starb Oberst Julius Ritter von Rohe im Alter von 78 Jahren und zwei Monaten in Obernburg an Influenza und Herzschwäche. Mit zahlreichen Kranzspenden wurde der verdiente Offizier verabschiedet. Selbst in den Münchener Neuesten Nachrichten wurde ein ausführlicher Nachruf zum Ableben von Rohes veröffentlicht33. Er ließ seinen Leichnam nicht wie damals üblich beerdigen, sondern im Krematorium in Offenbach a. Main34 verbrennen. Weil er ein Mitglied eines Leichenverbrennungsvereins gewesen sei, erhielt er weder die Hl. Sterbesakramente noch eine Überführung mit kirchlicher Ehrung35. Dieser Verstoß gegen die damalige katholische Kirchenlehre36 hat wohl auch dazu beigetragen, dass Ritter von Rohe heute in seinem Heimatort kaum mehr bekannt ist. Sein Neffe, der Privatier Josef Rohe37, verstarb hier am 21.1.1916. Mit ihm starb diese Linie Rohe in Obernburg aus.

Katharina von Rohe, die im Schriftwechsel Julius von Rohe – Stadt Obernburg nicht auftaucht, galt noch immer als getrennt lebend, aber nicht geschieden. Sie erhielt ihre Pensionsbewilligung 1910 mit der Auflage, weiterhin ihren Wohnsitz in Obernburg beizubehalten. Dazu musste sie sogar eine Einwohnermeldeamtsbescheinigung der Stadt Obernburg vorlegen. Trotzdem kündigte sie den Mietvertrag im ehemals Rohe‘schen Anwesen zum 1.10.1910. Als sie am 26.2.1918 im Alter von 76 Jahren und 11 Monaten starb, wurde im Totenschein38 als letzter Wohnsitz München, Adelgundenstr. 21 angegeben. Zu dieser Zeit lebte auch die Tochter Olga Rohe, nach damaligem Namensrecht offenbar immer noch unverehelicht, in der Adelgundenstr. 21. Sohn Maximilian hatte promoviert, Berta Steinberger in München geheiratet und lebte mit seinen drei Kindern Martha Maria *15.8.1901, Hedda Katharina *23.5.1904 und Tillmann Julius *12.10.1905, alle geboren in München, 1910 in der Elisenstr. 44, Aschaffenburg als Kunsthistoriker.

Der Rittmeister a. D. wurde am 21.12.1917 zum Ende des I. Weltkrieges wieder zum Militärdienst eingezogen. Um seine Familie ernähren zu können, erhielt er noch aus der Fondskasse des Vaters eine Versorgung. Diese Geldleistungen wurden 1920 eingestellt, weil Dr. phil. Maximilian Rohe nach Hamburg in die Ludolfstr. 6 gezogen war. Als Schriftleiter des bekannten Hamburger Fremdenblattes hatte er eine Anstellung gefunden und konnte sich und seine Familie nunmehr selbst versorgen. 

Oberst Ritter von Rohe hat eine außergewöhnliche militärische Karriere gemacht und unserem Land in einer Zeit vorbildlich gedient, in der so viele andere ihr Heil und Wohlstand in der Neuen Welt gesucht haben. Er ist trotz der hohen Auszeichnungen immer bescheiden geblieben und mit seiner Obernburger Heimat verbunden. Am Ende seines Lebens gab er Stück für Stück seines mühsam erworbenen Grundbesitzes an die Stadt Obernburg ab, damit diese ihre Stadterneuerungspläne verwirklichen konnte.

Es wäre endlich angebracht, diesem großen Sohn Obernburgs in Anerkennung seiner Verdienste für Stadt und Staat die Juliusstraße offiziell zu widmen, die bereits seinen Namen trägt.39 Auch die Reitpeitsche Napoleons III. von Frankreich verdient einen würdigeren Platz im Sitzungssaal. Der Name Julius von Rohe sollte nicht wieder in Vergessenheit geraten.

Dagmar Menger

 

1 siehe Schreiben von D. W. Morris aus Greenville/USA vom 15.07.1986 an die Stadt Obernburg in Übersetzung.
2 Vorfahrenliste von  Julius Rohe, nach Elisabeth Jung, Kleinwallstadt
3 In der Offiziersakte Julius von Rohe gibt es mehrere Personalberichte. Nur in einem wird noch zusätzlich von  „drei Jahren gymnasialer Studien in der Gemeindeanstalt“ berichtet. Siehe Staatsarchiv München, IV Kriegsarchiv, OP Nr. 34 789.
4 Staatsarchiv München aaO
5 Staatsarchiv München aaO
6 vgl. Hof- und Staatshandbuch des Großherzogtums Hessen 1865, S. 85 u. 135, HStAD Best. Bibliothek Nr. AD 331/5 – 1865.
Die Ordensverleihung an Julius Rohe findet im Großherzoglich Hessischen Regierungsblatt für das Jahr 1862 (HStAD Best. Bibliothek Nr. AD 334/1 1862 bzw. 1865)  keine Erwähnung, da in diesem nur Ordensverleihungen an Einwohner des Großherzogtums dokumentiert wurden.
7 Sitzungsprotokoll vom 14.10.1902
8 Oskar Jäger: Geschichte des Neunzehnten Jahrhunderts, Auflage 1912, S. 649
9 Obernburger Bote Nr. 77 vom 18.05.1910
10 In den Quellen findet man sowohl die Bezeichnung Schlacht bei Bagneux, als auch Schlacht bei Châtillon.
11 Baptist Schrettinger: Der Königlich Bayerische Militär-Max-Joseph-Orden und seine Mitglieder, München, Oldenbourgverlag 1882
12 Staatsarchiv München aaO
13 Ludwig II. ertrank am Abend des 2. Tages nach seiner Verhaftung bei Schloss Berg im Starnberger See, obwohl er ein guter Schwimmer war.
14 Staatsarchiv München aaO,  Der Text der gesonderten Erklärung ist nicht enthalten.
15 Er zahlte auch weiterhin in den bay. Witwen- und Waisenfonds und in den Reichsfonds ein, wie die Tochter Olga nach von Rohes Ableben der Rentenstelle schrieb. (Staatsarchiv München aaO)
16 Staatsarchiv München aaO. Eine Begründung des Freispruchs fehlt in den Akten.
17 Beispielsweise seine Brüder Jakob, Karl und Florian, seine Schwester Anna Maria, verh. Hoffmann, seine Mutter Theresia, Nichten, Neffen und Cousins
18 Versteigerungssache Gastwirt Klug Adam gegen Karl Michel (Klingenberg, GRN 461)
19 Schreiben vom 10.5.1904 an den Magistrat Obernburg
20 Schreiben vom 16.1.1829 an das Wohnungsamt Obernburg
21 In Quellen auch Trimbach genannt, aber er selbst hat im Schreiben vom 9.10.1896 an den Magistrat Obernburg mit Trümbach unterzeichnet.
22 Schreiben vom 9.10.1896, das den Sachverhalt jedoch nicht konkretisiert.
23 Protokoll zum Sühnetermin vom 15.5.1900 vor dem kgl. Oberamtsrichter Schraut.
24 Hypothekenbuch Obernburg Bd. 35 Blatt 1634 Abt. I
25 Schreiben vom 24.3.1904
26 Schreiben vom 4.5.1904
27 Schreiben vom 12.1.1905
28 Schreiben vom 15.1.1905
29 Brief vom 31.01.1907
30 Mietvertrag vom 11.10.1909
31 Sitzungsprotokoll vom 26.09.1906
32 Staatsarchiv München aaO
33 Abgedruckt im Klingenberger-Obernburger Bote,  Nr. 77 vom 21.05.1910
34 Im städtischen Friedhof der Stadt Offenbach ist die Verbrennung für den 20.05.1910 eingetragen. Es fehlt aber ein Verweis, wohin die Urne überführt wurde.
35 Sterbebucheintrag im Matrikelbuch Obernburg
36 Erst seit 1963 sind die Aussegnung und Bestattung der Urne durch die katholische Kirche gestattet. (SC Off. von 1963)
37 Sohn des Metzgers Longin Rohe, eines Halbbruders von Julius Rohe, der  nach Amerika ausgewandert und wieder nach Obernburg, Mainstraße Nr. 230 zurückgekehrt ist.
38 St. Reg. Nr. 493/1918
39 Link  “Die Juliusstraße und das Rohe-Haus”