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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Die Ziegelhütte

Erster Bauantrag - abgelehnt
Im Staatsarchiv Würzburg findet sich unter dem Jahr 1861 ein Gesuch von Franz Devora und Peter Kreß von Obernburg "um Erbauung einer Ziegelhütte und Ertheilung der polizeilichen Bewilligung zum Betrieb der Ziegelbrennerei." Die Antragsteller schreiben "Wir haben vor dem unteren Thor gemeinschaftlich ein Grundstück requiriert und beabsichtigen auf demselben einen Ziegel- und Kalkbrennofen zu errichten und in demselben die Ziegel- und Kalkbrennerei zu betreiben. Das Anwesen kommt von allen Seiten frei zu stehen und wird in einer Entfernung von ca. 300 Fuß (1 Fuß = ca. 30 cm, daher ca. 90 m) von der Stadtmauer aufgestellt."

Das fragliche Grundstück lag in etwa an der Ecke der heutigen Lindenstraße/Brunnenstraße neben den Lehmenkaut Äckern, wo man sicher einen schnellen und kurzen Zugriff auf das benötigte Rohmaterial gehabt hätte.

Am 5. Februar 1862 erfolgte die Ablehnung des Bauvorhabens durch das königliche Landgericht u. a., weil

1. die neu zu erbauende Ziegelhütte nur ca. 300 Fuß von dem nördlichen Ende der Stadt und in unmittelbarer Nähe des neu zu erstellenden Verwaltungsamtgebäudes (heutiges Finanzamt) und des daneben (Ecke Kreßstraße/ Lindenstraße) ebenfalls neu zu errichtenden Gefängnisses (Frohnfeste) zu stehen kommen sollte,

2. ein Ziegelhüttenbau für das Auge in der unmittelbaren Nähe des großartigen Amtsgebäudes einen widerlichen Eindruck machen würde,

3. sich Rauch und widrige Wasserdünste auf die Gesundheit der Gefangenen nachteilig auswirken müssten.

Die Stadtgemeinde-Verwaltung musste ihre schon gegebene Zustimmung widerrufen.

An der Ziegelhütte
Es ist davon auszugehen, dass die Antragsteller danach einen neuen Platz für ihr Vorhaben suchten und ihn neben dem Mühlbach im Süden der Stadt und weit außerhalb jeglicher Bebauung fanden, denn im Hypothekenbuch von Obernburg, Band 13, sind die Herren Franz Devora und Peter Kreß als die Besitzer des Grundstücks an der Ziegelhütte eingetragen.

Die Luftaufnahme zeigt die Gebäude der Ziegelhütte heute zwischen B469, Miltenberger Straße und Zufahrt zum Festplatz am Main.

In den städtischen Akten findet sich unter dem Datum 15. Januar 1863 folgendes Schreiben:

"Gesuch des Franz Devora von hier um Abgabe von Thonerde aus dem hiesigen Stadtwald. Der Unterzeichnete bedarf zur Ausübung seiner neu eingerichteten Ziegelbrennerei noch Thon als Zuthat zu dem Material für die Ziegel. Derselbe wäre auf einige Jahre am besten zu erhalten in dem Stadtwald dahier, Abtheilung Bannholz an der Stelle, wo vor 20 Jahren Erz gegraben wurde, wodurch dieser Lett auf die Oberfläche geschafft wurde.

Ich stelle daher an die vornehmliche Stadtverwaltung die Bitte, mir nach erhaltenem Gutachten des königl. Herrn Revierförsters die Benutzung dieser Thonerde zu gestatten, wofür ich bereit bin, eine entsprechende Abgabe an die Stadtkasse zu entrichten. Dabei verpflichte ich mich dem umstehenden Buchenbestande keinerlei Schaden zuzufügen, die Waldwege genau einzuhalten und verharre achtungsvollst der Stadtverwaltung."

Das Gesuch wurde von der Stadtverwaltung und dem königlichen Bezirksamt zunächst für drei Jahre genehmigt.

Ziegelhütte Google
Ziegelhütte Gesuch Devora

Genehmigungsschreiben vom 12. Februar 1862 des Königlichen Bezirksamtes an die Stadtgemeinde-Verwaltung Obernburg.

Im Hypothekenbuch von Obernburg, Band 14, wird das von Devora und Kress ausgewählte Grundstück als bebaut mit Wohnhaus mit Keller, Schweinestall, Stall, Ziegel- und Kalkbrennerei beschrieben.

Ziegelherstellung
Bevor überhaupt Ziegel gebrannt werden konnten, musste der Rohstoff Ton vorbereitet werden. Dies erfolgte von Mitte Oktober bis Mitte März. Im Spätherbst stach der Ziegler den Lehm ab, der dann überwintern und ausfrieren musste, um qualitätsvolle Ergebnisse zu liefern. Im Frühling war der Lehm dann zu schneiden, zu mischen, zu stampfen, einzusumpfen und zu formen. Anschließend mussten die Rohziegel an der Luft getrocknet werden bevor sie gebrannt werden konnten. Gebrannt wurde zwischen dem Josefstag im März und dem Gallustag im Oktober. Parallel zum Brennen lief die Fertigung der Rohlinge weiter. Der Ofen wurde langsam angefeuert und kontrolliert in etwa vier Tagen auf eine Brenntemperatur von etwa 1000 Grad gebracht. Während des dreiwöchigen Brennvorgangs war der Brennofen Tag und Nacht zu schüren. Danach musste das Brandgut noch langsam auskühlen. Man sieht, dass bei dieser zeitaufwändigen Produktion maximal fünf Brände pro Saison durchgeführt werden. Mit den erzielten Einnahmen konnte der Ziegler sicherlich nicht reich werden. Wahrscheinlich war daneben noch landwirtschaftliche Tätigkeit zum Überleben notwendig. Schließlich machten Fabrikziegeleien die Handarbeit in den alten Ziegeleien gänzlich unrentabel.

Im Odenwälder Freilandmuseum in Walldürn-Gottersdorf kann man noch eine Ziegelhütte aus dem Jahre 1788 in ihrem letzten Betriebszustand bestaunen. (www.freilandmuseum.com)

Häufige Besitzerwechsel
Dass es schwierig war von der Ziegelei zu leben, zeigen häufige Besitzerwechsel in den Folgejahren. Am 28. Dezember 1867 erkaufte Wilhelm Kneisel, lediger Ziegler von Obernburg, das Anwesen aus den Schulden des Franz Devora. Zehn Jahre später, am 26. Juni 1877 wurde Peter Anton Sonnemann, Bauer von Obernburg, als Besitzer genannt. Thaddäus Mott, Müllermeister von Obernburg, erwarb am 16. August 1880 in der Gutsversteigerung des Peter Anton Sonnemann das Anwesen. Schon nach drei Jahren, am 30. April 1883 kaufte Jakob Salg, Landwirt von Obernburg, von der Kuratel des Schuldners Mott das Anwesen. Im Gewerberegister der Stadt Obernburg ist unter dem 20. Februar 1894 vermerkt, dass Jakob Salg das Ziegeleigewerbe aufgegeben hat.

Am 23. Juli 1895 ersteigerte schließlich Nikolaus Hock, Landwirt von Obernburg, in der Güterversteigerung der Kinder und Erben des Jakob Salg das Anwesen. Er fiel im Ersten Weltkrieg. Zunächst gehörte das Anwesen danach seinen Kindern als Erbengemeinschaft. Am 29. März 1923 wurde sein Sohn Josef Hock, Landwirt, Alleinerbe des Anwesens mit der Hausnr. 303. Er begann mit einer Kuh und einem Rind Landwirtschaft zu betreiben.

Josef Hock berichtete seinen Nachkommen, dass die ehemaligen Ziegeleibesitzer den Ton mit Loren (zweiachsigen offenen Wagen mit Kippmulde) vom Ziegelgraben (bei dem heutigen Hundeübungsplatz in Richtung Grund) angefahren haben.

Ziegelhütte weit außerhalb der Stadt TS 043

Diese alte Postkarte zeigt am unteren Bildrand die Ziegelhütte weit außerhalb der Stadtbebauung. (TS)

Ziegelhütte mit Mühlbach
Ziegelhütte ohne Mühlbach 2009

Links: Ziegelhütte um 1975 noch mit Mühlbach. Rechts Ziegelhütte 2009; nicht mehr neben dem Mühlbach, sondern neben der B469. Das linke Fachwerkgebäude ist das noch erhaltene Gebäude der ehemaligen Ziegelei.

Die Landwirtschaft wurde in den Folgejahren immer weiter ausgebaut, weitere Gebäude wurden errichtet. Bis 1990 verdienten dann Leo Hock, Sohn des Josef Hock, und dessen Sohn Hans ihren Lebensunterhalt mit intensiver Landwirtschaft und Schweinemast. Ab 1992 wurden neue Gebäude erbaut und bestehende Gebäude wurden zu Wohnungen und gewerblichen Flächen umgestaltet.

Heinz Janson nach Unterlagen von Hans Hock