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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Wasser, Wärme, Wellness – Bäder im alten Rom


Wellness - dieser Begriff, von dem man gar nicht recht weiß, wie man ihn ins Deutsche übertragen könnte (Wohlbefinden? Körperpflege aller Art? Entspannung?), ist mittlerweile zum Modewort aufgestiegen. Wellness-Hotels schießen wie Pilze aus dem Boden und gerne beteiligt man sich an einem Preisausschreiben, wenn es ein Wellness-Wochenende zu gewinnen gibt. Zu Wellness gehören Bäder, Thalassotherapie, Sauna, Massagen, Duftöl und verschiedenfarbiges Licht - und das Wörtchen "Spa". Ursprünglich wohl vom belgischen Badeort gleichen Namens herzuleiten, wurden die drei Buchstaben bald als Abkürzung aus dem Lateinischen interpretiert für "salus per aquam": Gesundheit durch das Wasser. Das passt zu Heilquellen, Solebädern und Thalasso-Anwendungen.

Und schon sind wir bei den Römern. Auch bei ihnen spielte das Baden eine große Rolle und daher sind viele Schwimmbäder, die dem Wellnessbaden dienen, mit jenem Wort benannt, das die Römer für ihre großen Badeanlagen benutzten: Thermen. In unserer weiteren Umgebung gibt es die Taunus-Therme in Bad Homburg, die Rhein-Main-Therme in Hofheim und in Aalen natürlich die Limes-Thermen, um nur ein paar wenige zu nennen.

Waren die Thermen der Antike nichts anderes als Schwimmbäder oder konnte man sie eher mit den raffinierten Wellnesstempeln unserer Zeit mit ihrem vielfältigen Angebot zur Entspannung vergleichen?

Schon der Begriff "Therme(n)" beruft sich ja auf das bei den Römern gebräuchliche Wort. Meistens gebrauchte man es in der Antike im Plural, also "Thermen" (lateinisch: thermae). Ursprünglich kam der Begriff allerdings aus dem Griechischen, was man unschwer an der Schreibweise mit "th" erkennen kann, und zwar von "thermon loutron" = warmes Bad. Wir kennen das Grundwort, das in "Thermen" steckt, von der Thermoskanne, die ja die Wärme in der Flüssigkeit halten soll.

Allerdings kommt in der lateinischen Literatur häufig noch ein ganz anderes Wort für Bäder vor: balnea oder balneum, auch das meist im Plural (balnea). Von ihm ist das medizinische Fachwort "Balneotherapie" abgeleitet, womit man eine Bäderkur bezeichnet. Auch dieses Wort haben die Römer aus dem Griechischen übernommen ("balaneion"). Bezeichnen also "thermae" und "balnea" das Gleiche? Nicht ganz,  denn den ersten Begriff, also "Thermen" findet man im Zusammenhang mit den wirklich großen Badeanlagen, wohingegen "balnea" oder auch die Einzahl "balneum" ein kleineres öffentliches und auch ein ganz kleines Privatbad bezeichnen kann und oft auch den Vorgang des Badens bezeichnet und nicht nur das Gebäude.

Kuhn Obernburger Salbgefaess

Das Obernburger Salbgefäß gehörte zu den Sachen, die man damals mit ins Bad nahm. Sein Fund beweist, dass auch in Obernburg eine Thermenanlage vorhanden war.

Ein Römerbad in Obernburg?

Ob nun extrem groß oder handlich klein - Badeanlagen waren für die Römer ab dem 1. Jahrhundert vor Christus so unverzichtbar, dass es auch in Obernburg ganz sicher ein Römerbad gegeben haben muss. Schließlich finden wir eines auch im Numeruskastell von Würzberg in der Nähe von Bullau und in der Haselburg, d. h. in der römischen Villa Rustica (darunter muss man sich einen Gutshof vorstellen) nicht weit von Obernburg. Gewisse Ausgrabungsstücke, besonders das bekannte schöne Salbgefäß mit Reliefdekor aus Bronze, das auch in der Münchner Limesausstellung gezeigt wurde, legen einen  Zusammenhang mit den Bädern nahe. Vielleicht lag das Lagerbad in der Nähe des heutigen Friedhofs? Ob auch die Badgasse etwas damit zu tun hat, sei dahin gestellt.

Auf jeden Fall aber war das Baden in den Zeiten, als das Römerlager in Obernburg bestand, längst zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Tagesablaufes geworden. Um das Jahr 115 n. Chr., -  Rom zählte damals bereits ungefähr 1,5 Millionen Einwohner - gab es in der Hauptstadt des Imperiums elf große öffentliche Bäder (thermae), einige von ihnen so ausgedehnt wie ein ganzes Stadtviertel, und ungefähr tausend kleinere (balnea), daneben noch viele Privatbäder reicher Leute. Das ist eine erstaunlich große Zahl - sie erklärt übrigens auch, weshalb der hohe Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser, der damals herrschte, erst ca. im Jahr 1960 in Deutschland wieder erreicht wurde. Rechnet man den Wasserverbrauch der Industrie heraus, dann kommen wir heute noch nicht auf die Wassermenge, die ein Stadtrömer täglich zur Verfügung hatte.

Wer reich war, hatte in seiner Villa auf dem Land, wo er die stickig-heißen Sommermonate verbrachte, ein luxuriöses Privatbad. Plinius, ein Autor des 1. Jahrhunderts n. Chr., beschreibt voll Stolz sein schönes Bad in seiner Villa "Laurentinum" (die Römer benannten ihre Villen nach der Lage). Er konnte sogar vom Warmwasserbecken einen wunderschönen Blick auf das Meer genießen ("calida piscina mirifica, ex qua natantes mare adspiciunt" - das wunderschöne warme Schwimmbecken, von dem aus die Schwimmenden das Meer sehen können. - epistulae morales 2, 17). Woher hatte man all das Wasser, das für den Betrieb dieser vielen Badeanlagen nötig war? Welche technischen Raffinessen konnte man in den Thermenanlagen finden?

Thermen - Technik

Nicht immer haben, so die Überlieferung, die Römer in luxuriösen Thermen gebadet. Der Ursprung des mehrteiligen, zeitaufwändigen Badeablaufs lag in Süditalien. Dort, in der Nähe des Vulkans Vesuv, liegen die Phlegräischen Felder, wo heiße Dämpfe aufsteigen und Thermalquellen sprudeln. Dampf und Wärme wussten die dortigen Anwohner zu nutzen; sie glaubten, mit einem Dampfbad die schlechten Säfte aus dem Körperinneren vertreiben zu können, welche nach antiker Ansicht Krankheiten auslösen. Heute schreibt man in ganz ähnlicher Weise der Sauna eine vorbeugende Kraft gegen Erkältungen zu.

Der ältere Plinius, ein naturwissenschaftlich interessierter römischer Autor, berichtet, ein gewisser Caius Sergius Orata habe als erster die Idee gehabt, das natürliche Dampfbad in Thermenanlagen5 nachzuahmen ("qui primus pensiles invenerit balineas", nat. hist. IX, 168). Orata hatte Geschäftssinn, nicht nur bei seiner Bade-Neuheit, sondern er machte auch viel Geld mit den von ihm erfundenen Austernzuchtanlagen.  Das war im 2. Jahrhundert vor Christus, seit dieser Zeit also genossen die Römer das Baden in Dampf und heißem Wasser.

Kuhn roemische Fussbodenheizung

Die römische Fußbodenheizung am Beispiel der Thermen von Weißenburg:
warme oder auch glühend heiße Luft strömt
zwischen den gemauerten Säulen, die den Fußboden tragen.


Wie bescheiden die Römer früher badeten, darüber wundert sich schon Seneca im 1. Jahrhundert n.Chr., als er das Landhaus des berühmten Generals Scipio Africanus besucht. Der große Mann hatte nur ein winziges, enges und dunkles Bad - so würde zu Senecas Zeit keiner mehr baden wollen! ("Vidi ... balneolum angustum, tenebricosum." - "at nunc quis est qui sic lavari sustineat?" , epistulae morales 86, 4 und 6).

Wie heizte man nun Wasser und Luft in den Thermen?
Könnte man eine Zeitreise ins kaiserzeitliche Rom machen, dann würde man die Thermen schon von weitem an den aufsteigenden Rauchsäulen im Stadtbild erkennen.  Gigantische Heizöfen wurden praktisch durchgehend mit Tonnen von Feuerholz bestückt. Im Herzen des riesigen Gebäudekomplexes, der zusammen "die Thermen" bildet und über den wir später noch mehr erfahren werden, liegen die heißesten Räume, was eine gute Isolation und das Einsparen von Energie bewirkt. Große Fenster gab es, sie waren aber, so hat die Forschung festgestellt, schon damals aus doppeltem Glas, um die Wärme besser halten zu können.

In den letzten zwanzig Jahren haben viele Häuslebauer ein Element antiker Bautechnik sozusagen wiederentdeckt: die Fußbodenheizung. Warme Luft durchströmt bei der römischen Fußbodenheizung die Zwischenräume zwischen aus Ziegeln gemauerten Säulen (rund oder eckig), auf denen dann der Fußboden aufliegt. Die Römer bezeichneten das mit einem griechischen Begriff: Hypokausten. Anders als heute beheizte man aber in den heißesten Räumen auch die Wände, in die man Rohre aus Ton eingelassen hatte. Im oberen Stock des Römermuseums in Obernburg ist in einer Vitrine dieses System des Heizens sehr anschaulich erklärt.

Ein Bad musste also richtig schön heiß sein, jedenfalls das caldarium. Um sein balneum zu loben, sagt in Petrons Roman der Freigelassene Trimalchio - er ist steinreich geworden, aber im Grund seines Wesens ein einfacher Tölpel geblieben  - sein Bad sei so heiß wie ein Backofen ("sic calet tamquam furnus", Cena Trimalchionis, 72) und umgekehrt bemerkt Martial spöttisch, das Bad des geizigen Caecilianus sei so kalt, dass man es im Sommer als Kühlraum für Fische verwenden könnte (Epigramm 2, 78).

Doch das Wichtigste für den Betrieb der Badeanlagen ist das Wasser. Rom liegt an einem Fluss, dem Tiber. Nutzen die Römer sein Wasser für die Thermen? Die Antwort ist ein klares Nein. Das Wasser für die Thermen war bestes, frisches Trinkwasser, das man in riesigen Leitungen z. B. aus den Albaner Bergen herbeischaffte. Diese Wasserleitungen, die man Aquaedukte nennt, waren eine wahre technische Meisterleistung. Um das Jahr 100 n. Chr. gab es allein für  Rom elf dieser großen Wasserleitungen. Sie speisten Thermen, öffentliche Brunnen und Privathäuser auf so raffinierte Weise, dass bei Wasserknappheit zuerst die privaten Leitungen versiegten und zuletzt die öffentlichen Brunnen. Dies wurde über die sogenannten "castella" (= Verteilerbecken) bewerkstelligt.1 Übrigens hat unser Wort "Wasserhahn" noch viel mit den römischen Wasserleitungen zu tun, denn die Vorrichtung zum Verschließen der Ausflussrohre hatte als Griff oft ein Tier, einen Tierkopf und besonders gern einen Hahn. 

Marcus Agrippa, der große General und enge Freund des Kaisers Augustus (und gleichzeitig sein Schwiegersohn), hat in Rom bis heute Spuren hinterlassen. Wer kennt nicht den von ihm erbauten Tempel für alle Götter, den man Pantheon nennt? Kaiser Hadrian ließ ihn renovieren, er diente lange als Kirche und Grablege der Könige des geeinten Italien. Genau dieser Agrippa baute in Rom die ersten großen Thermen, die auch schon ein Freischwimmbecken besaßen. Dafür brauchte er viel Wasser, sodass der Bau einer neuen Leitung nahe lag. Der Überlieferung nach hat sich Agrippa an eine Quelle erinnert, aus der nach einer Schlacht ein junges Mädchen seinen erschöpften Soldaten reines, erfrischendes und wohlschmeckendes Wasser geholt haben soll.

Kuhn Fontana de Trevi

Fontana di Trevi -
Roms schönster Brunnen ist nichts anderes als der Endpunkt
des von M. Agrippa erbauten Aquaedukts "Aqua Virgo",
das u. a. seine Thermenanlage speiste.

 

Dieses Wasser führte er nach Rom und nannte den Aquaedukt "Aqua Virgo", denn virgo ist das lateinische Wort für junges Mädchen. Vielleicht haben Sie auch schon die Hände in das Wasser dieses Aquaedukts getaucht. Unmöglich, nach 2000 Jahren?

Keineswegs, denn die Aqua Virgo sprudelt noch heute, nur kennen Sie sie unter einem anderem Namen: Fontana di Trevi. Roms vielleicht schönster Brunnen entstand dadurch, dass die Päpste die alte Aqua Virgo neu fassen ließen - immerhin hatte sie, bedingt durch die stabile Bauweise und die Kalkarmut des Wassers, bis ins 15. Jahrhundert gehalten.

In den Provinzen war die Wasserversorgung genauso. Weltbekannt ist der Pont Du Gard, die Wasserleitung, die Nimes in Südfrankreich versorgte. Noch in den 1960er Jahren bretterten Autos und Lastwägen über das als Brücke weitergenutzte Bauwerk - es ist davon nicht eingestürzt. Eine römische Wasserleitung in unserer Gegend kann man auf dem Römerkanal-Wanderweg sogar erwandern. Er wurde Mitte 1988 in Nettersheim eröffnet.

Wann und wie oft ging man in die Thermen?
Für uns heute beginnt der Tag meist mit einer Dusche. Suchte also ein Römer am Morgen die Bäder auf? Nein, ein Römer erhob sich von seinem Lager im meist fensterlosen Schlafzimmer und musste sich, sofern er nicht zu öffentlichen Aufgaben unterwegs war, noch nicht einmal groß anziehen. Er schlief nämlich sozusagen im Hemd (wie noch im 19. Jahrhundert bei uns üblich), also in der Tunica. Sein Bad nahm er erst später, meist am Nachmittag, das aber normalerweise täglich.

Schon von Cicero, dem großen Redner und Zeitgenossen Caesars, wissen wir, dass ein Bad zu seinem Tagesablauf einfach dazu gehörte: Seinem Freund M. Paetus, der ihn zum Abendessen nach Neapel eingeladen hatte, schreibt er, eigentlich reiche ihm gute Hausmannskost und er verursache ihm bestimmt keine großen Ausgaben - nur ein Bad, das müsse er ihm schon einlassen. ("Ego tibi unum sumptum afferam, quod balneum calfacias oportebit", ad fam. 9, 16). Genauso hielt es auch der Autor Plinius (9, 36), nur ein neureicher Primitivling wie Seleucus in Petrons "Satyricon" (Kap. 42, 1) gibt zu, er persönlich bade nicht jeden Tag ("ego" inquit "non cotidie lavor") und outet sich so als ungepflegten Kerl. Um sein Bekenntnis richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass in der lateinischen Sprache "homo lautus", also wörtlich "ein gewaschener bzw. ein gebadeter Mensch" im übertragenen Sinn einen vornehmen und geistreichen Zeitgenossen bezeichnet: Seleucus ist in doppeltem Sinne "ungewaschen". Die Römer waren in dieser Hinsicht also reinlicher als wir moderne Menschen, denn bei uns war es noch in den 50er Jahren des gerade vergangenen Jahrhunderts üblich, dass nur einmal in der Woche die Badewanne gefüllt und dann von der ganzen Familie nacheinander "ausgebadet" wurde.

Baden - das gehörte einfach zum Tag dazu, gleichgültig ob man Mann oder Frau war, ob Senator oder Sklave. Ein Tag ohne Bad wäre etwas Außerordentliches gewesen, wie ein vom jüngeren Plinius überliefertes Detail beweist: Als der Vesuv im Jahr 79 n. Chr. ausbrach, versuchte sein Onkel, der bereits erwähnte Naturforscher Plinius der Ältere, seine Umgebung dadurch zu beruhigen, dass er ins Bad ging - er wollte demonstrativ den normalen Tagesablauf beibehalten und dadurch jede Panik seines Gastgebers im Keim ersticken ("ut timorem eius sua securitate leniret, deferri in balineum iubet; lotus accubat, cenat aut hilaris aut, quod aeque magnum, similis hilari" - um dessen Furcht durch die eigene Sicherheit zu mildern, lässt er sich ins Bad bringen; nachdem er gebadet hat, legt er sich zu Tisch und speist heiter - oder jedenfalls tut er so, als wäre er heiter, was eine genauso große Leistung ist." epistulae 6, 16, 12). So zeigte er sich als stoischen Weisen, über dessen ruhigen, in sich gefestigten Geist kein Unglück und keine Naturgewalt wirklich Macht ausüben kann. Plinius hatte in seiner Funktion als Flottenkommandant seiner Bekannten Rectina und anderen von der Katastrophe direkt betroffenen Menschen Hilfe bringen und sie mit einem Schiff retten wollen, war aber aber wegen des heftigen Ascheregens zur Umkehr gezwungen worden und dann zu Pomponianus gefahren, der völlig aufgelöst und geradezu in Panik war. Plinius selbst hat übrigens den Ausbruch nicht überlebt. Am folgenden Tag versagte in den giftigen Dämpfen, die aus dem Vulkan kamen, sein vielleicht schon vorher schwaches Herz.

Nach dem Baden kam für Plinius (wie generell für die Römer) das Abendessen, das noch bei Tageslicht begann und die einzige wirklich große Mahlzeit des Tages darstellte, denn Frühstück und Mittagessen fielen eher bescheiden aus.

Baden und Wellness auf römische Art - ohne Seife, Shampoo und Duschgel
"Balnea, vina, Venus corrumpunt corpora nostra" - "Bäder, Wein und Liebe, die richten unsere Körper zugrunde", so lautet die erste Zeile einer zweizeiligen Grabinschrift (CIL VI 15 258) aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. Dass man es mit dem Alkoholgenuss übertreiben und in der Liebe eine Menge unvernünftiger und ungesunder Dinge tun kann, das leuchtet ein - aber kann man sich auch um Leben und Gesundheit baden??? Betrachten wir also einmal den typischen Ablauf eines Bades im alten Rom!

Kuhn Badeutensilien

(Fast) alles was man zum Baden braucht!
Römische Badeutensilien aus dem Nationalmuseum in Neapel.

(Bildquelle: http://www.legio-xv-primigenia.de/wissen/index.php?item=Strigilis)

 

Stellen wir uns also vor, wir seien ein Bürger des alten Rom! Um die 8. Stunde, grob gesagt,  gegen 14 Uhr (die römischen Stunden hängen von der Jahreszeit ab und sind nicht das ganze Jahr hindurch gleich lang) oder auch ein, zwei Stunden später, packen wir unsere Badeutensilien zusammen. Seife, Shampoo, Duschgel? Nein, all das gab es noch nicht, auch nicht die Seife. Wir brauchen für unseren Thermengang ein Salbgefäß, ähnlich wie das in Obernburg gefundene und dazu einen Schaber (oder zwei), der die Form einer Sichel hat. Anstelle einer scharfen Klinge weist er allerdings eine Rinne auf. Vielleicht nehmen wir noch ein Metallstäbchen oder -löffelchen mit, um uns das Ohrschmalz herausholen zu können. Alles das hängen wir an einen großen Ring, damit wir es mit einer Hand tragen können. Dann packen wir ein Tuch und die Badeschuhe. Die dürfen wir auf gar keinen Fall vergessen! (Ihre Wichtigkeit wird uns später noch klar werden.)

Wir verlassen das Haus (eventuell in Begleitung eines Sklavenjungen) und gehen in Richtung Thermen, vielleicht in die des Trajan, dort, wo einst das "goldene Haus", der prunkvolle Palast des Kaisers Nero gestanden hat, nicht weit vom Colosseum. Es dauert und dauert, bis wir den Eingang erreichen, denn die großen Thermen, das waren nicht einfach nur Gebäude, sondern ein Gebäudekomplex mit einer langen Umfassungsmauer, der sich über ein ganzes Stadtviertel ausdehnen konnte.

Wer schon einmal in Rom war, hat sich vielleicht auf dem Gebiet einer antiken Thermenanlage die Füße müde gelaufen - vermutlich ohne zu wissen, dass dieser Stadtteil eine einzige Bäderanlage war. Ich spreche von dem Gebiet um den Bahnhof. "Termini" heißt der zentrale Bahnhof in Rom und man hört darin noch das Wort "Thermen". Wenn wir ihn über die Piazza dei Cinquecento verlassen, kommen wir an Mauerresten und einem großen Museum vorbei, dann an einer etwas merkwürdig aussehenden,  sehr großen Kirche, erkennen linker Hand  einen runden Platz mit einem in die Rundung hineingebauten Luxushotel4. All das und mehr bildete einst den Komplex der Thermen des Diokletian.

Dem genialen Geist eines Michelangelo ist es zu verdanken, dass aus einem der Hauptbadesäle (Frigidarium) die Kirche "Santa Maria degli Angeli" wurde - übrigens die zweitgrößte in Rom. Die Fußböden aus Marmor und die Säulen, die man in der Antike aus Ägypten herbeischaffen ließ,  sind noch original aus der Zeit des Diokletian. Man muss sich nur die Heiligendarstellungen aus den Nischen und Seitenaltären wegdenken, um einen Eindruck eines großartiken römischen Badesales zu bekommen, von denen es aber in ein und derselben Thermenanlage mehrere gab.

Kuhn Santa Maria degli Angeli

 

 

Santa Maria degli Angeli -
es war Michelangelos Idee, aus einem
der Hauptbadesäle einer antiken Thermenanlage
diese Kirche zu machen.

 

Das Äußere verrät noch deutlich, dass das
Gebäude nur ein Teil eines größeren Komplexes war.

So langsam gewinnen wir eine Vorstellung davon, dass man es mit dem Baden tatsächlich übertreiben konnte!  Nun haben wir also den Eingang erreicht, zahlen einen geringen Eintrittspreis (oft nur ein Quadrans  - der vierte Teil dessen, was ein Becher Wein kostete; Frauen zahlten seltsamerweise mehr - das ist heute beim Friseur genauso) und treten ein. Als erstes sehen wir ein großes Schwimmbecken, die sogenannte "natatio". Dort stehen schon viele Menschen herum, plaudern oder planschen im Wasser. Das Gedränge ist groß, schnell hat man jemanden angerempelt und oft muss man sich seinen Weg mit sanftem Druck bahnen. Plinius überliefert, dass einmal ein Sklave einen hochmütigen Ritter mit der Hand zur Seite schieben wollte. Dieser aber regte sich darüber auf, holte aus, um dem Sklaven eine Ohrfeige zu versetzen - und traf versehentlich dessen Herrn (epistulae 3, 14,7). Man schätzt, dass in den Thermen des Trajan, die wir eben betreten haben, dreitausend (!) Menschen gleichzeitig baden konnten. Und dabei gab es später noch weitere und teils größere Thermenanlagen, z. B. die bereits erwähnten Thermen des Diokletian, deren Kaltbadesaal heute eine Kirche ist, und die Thermen des Caracalla, deren Ruinen man gerne für kulturelle Veranstaltungen nutzt - man denke nur an das große Konzert der "Drei Tenöre" Pavarotti, Domingo und Carreras, das 1990 dort vor einem Publikum von mehr als 20.000 (!) Menschen stattfand.

Manchmal liest man in der Literatur, die Römer hätten nur geplanscht, weil sie nicht schwimmen konnten. Es ist möglich, dass viele das Schwimmen nicht gelernt hatten. Offenbar hatte Nero nicht gewusst, dass seine Mutter es konnte – schwimmend überlebte sie seinen raffinierten Mordanschlag mittels eines zum Untergang präparierten Schiffes. Auch Properz erwähnt in einem der Gedichte an seine geliebte Cynthia, dass diese in den Wellen geschwommen ist  (elegiae 1, 11, 12).

Badehose, Bikini oder nackte Blöße?
Wir gehen nun in Richtung "Umkleidekabine", worunter man sich aber keine Einzelkammern, sondern Gemeinschaftsräume, für Männer und Frauen getrennt, vorstellen muss. Unsere Kleider legen wir in das offene Fach direkt über unserem  Kopf ab. Haben wir einen Sklavenjungen mitgenommen? Wenn ja, dann beauftragen wir ihn damit, unsere Kleider zu bewachen. Wo viele Menschen sind, tummeln sich Diebe, das war damals genauso wie heute - was nicht angebunden ist oder bewacht wird, bekommt Beine. Im bereits erwähnten Werk des Petron gibt es eine Szene, in der ein verzweifelter Sklavenjunge sich nackt vor seinen Herrn wirft und diesen um Verzeihung anfleht, weil ihm in den Thermen seine Kleider abhanden gekommen sind ("subducta enim sibi vestimenta ... in thermis" -  denn ihm seien ......  in den Thermen die Kleider entwendet worden. Cena Trimalchionis. 30). Eigentlich hätte ja ein speziell für den Umkleideraum angestellter Mann ein wachsames Auge haben sollen, doch offenbar war dieser oft mit der Menge der Badegäste überfordert - oder erfüllte seine Aufgabe höchst nachlässig, weil man es versäumt hatte, ihm ein angemessenes Trinkgeld in die Hand zu drücken.

Jetzt also zur Badekleidung! Hier lassen sich im Laufe der Jahrhunderte erhebliche Änderungen feststellen. Offenbar war es nicht unüblich, nackt zu baden, wie man am Beispiel des oben erwähnten Sklavenjungen sieht. Man kann das auch aus einem kurzen Gedicht des Martial schließen. Er schreibt darin, dass ein gewisser Cotta nur Leute zum Abendessen einlädt, mit denen er gemeinsam gebadet hat. Ihn, Martial, habe er aber noch nie eingeladen - ob er ihm denn nackt nicht gefalle? (Martial,epigrammata I, 23). Cicero bemerkt dagegen in einem Traktat, das er seinem Sohn Marcus widmet, dass es gegen die römische Sitte sei, mit Verwandten zu baden - offenbar stößt er sich an dem Nackt-Sein und nimmt "Baden" als gleichbedeutend mit "Nackt baden": "Nostro quidem more cum parentibus puberes filii, cum soceris generi non lavantur." (Nach unserer Sitte freilich baden erwachsene Kinder nicht mit ihren Eltern, Schwiegersöhne nicht mit Schwiegervätern." Cic. De off, I,129) Vor Ciceros Zeit waren die Badeanlagen für Männer und Frauen noch getrennt gewesen, dann aber badete man gemeinsam. Hadrian sollte später erneut das getrennte Baden anordnen, wobei die großen Thermen zu verschiedenen Uhrzeiten jeweils für Männer oder Frauen geöffnet waren. Allerdings darf man annehmen, dass auch in den Zeiten, als gemeinsam gebadet wurde, sich nicht jeder nackt in den Thermen zeigte.

Mancher behielt sicher seine "Unterhosen" an - der modernen Unterhose entspricht bei den Römern ein Bekleidungsstück aus Leinen, das "subligar" genannt wurde: ein um die intimsten Körperteile gewickeltes und in der Taille befestigtes Stück Stoff. Etwas modischer für den gepflegten Mann des 1. Jahrhunderts war die "nigra aluta", eine Art Slip aus dunklem Leder. Beide Arten zu baden sind in einem ziemlich heftigen Epigramm des Martial (ep. VII, 35) erwähnt: Die Dame Laecania pflegt mit ihrem Sklaven zu baden, der dabei eine schwarze Lederunterhose trägt. Martial empfiehlt ihr (denn er hat den sexuellen Charakter dieses gemeinsamen Bades erkannt) seinen eigenen Sklaven: der sei erstens nackt und zweitens als beschnittener Jude am Penis noch nackter als nackt, nämlich ohne das Stückchen Haut.2

Was nun trug die Frau? Mindestens das subligar, manchmal behielt sie auch die tunica (ihr Untergewand) an, vor allem, solange sie die Hauptbaderäume noch nicht betreten hatte. Es gab aber auch schon eine Art Bikini, der nach offizieller Lesart erstmals 1946 von französischen Modemachern vorgestellt wurde. Erstmals? Ein Mosaik in einer prächtigen Villa aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., welche sich in der Nähe von Piazza Armerina auf Sizilien befindet, beweist das Gegenteil: Schon die römischen Damen trugen eine Kombination, die wir ohne Bedenken "Bikini" nennen würden. Es handelt sich aber in Wahrheit nicht um eine spezielle Badebekleidung, sondern um zwei Teile der normalen Unterwäsche. Was tun aber diese Mädchen in den Thermen? Sie sind ja gar nicht im Wasser! Das führt uns zu unserem nächsten Punkt.

Kuhn Bikinimaedchen

 

Der Beweis: Die Römer haben den Bikini erfunden!

 

Junge Frauen  im Bad, bekleidet mit subligar (Unterhose)
und strophium (Brustband),
Mosaik in der röm. Villa von Piazza Armerina.

 

Tödliche Thermen ?’
Balnea, vina, Venus corrumpunt corpora nostra - die bereits erwähnte Grabinschrift legt nahe, dass die Bäder eine gewisse Bedeutung beim Ableben des Betreffenden spielten. Was machte man in den Bädern? Inwiefern konnte das Baden gefährlich werden?  Die erste Etappe waren oft die Sportanlagen, die sich innerhalb des Thermenkomplexes befanden. Deshalb trägt also eines der Bikinimädchen einen Palmzweig und einen Lorbeerkranz: es hat gerade einen sportlichen Wettkampf gewonnen. Man spielte mit Bällen; beliebt war z.B. eine Art Volleyball oder man machte eine Art Gymnastik mit einem Reifen (wie das zweite Bikinimädchen).

Die Männer maßen gerne ihre Kräfte im Ringen. Dazu ölten sie ihre Haut ein (das Salböl hat man in den Thermen in einem Salbgefäß dabei), damit der Gegner es schwerer hatte, sie fest zu packen und zu Boden zu werfen. Sport ist aber doch eher gesund als gefährlich - es sei denn, es läuft so dumm, wie uns aus einem Fall aus der römischen Rechtsliteratur überliefert ist: Ein Ball trifft versehentlich einen Barbier, der einem Sklaven den Bart schert, die Hand rutscht ihm aus, er schneidet dem Sklaven die Kehle durch. Das kann durchaus in den Thermen vorkommen, aber auf so einen Fall wird sich die Grabinschrift wohl nicht beziehen.

Schauen wir also, was die Thermen noch zu bieten haben. Nehmen wir an, wir hätten jetzt ein wenig Sport getrieben. Nun brauchen wir eines der Utensilien, die wir mitgenommen haben, den Strigilis oder Strigile. Damit schaben wir uns das Öl und  den Schmutz von der Haut und sind nun bereit für die nächste Etappe.

Oft war das Tepidarium (Lauwarmbad) der erste der großen Säle, den man betrat. Er diente sozusagen der Akklimatisierung, da wir nun aber schon durch den Sport reichlich warm geworden sind, machen wir es wie viele andere: Wir lassen das Tepidarium aus und gehen gleich weiter in das Caldarium, das Warmbad. Es hatte richtig warm zu sein, wie wir bereits gesehen haben, und lag daher im Zentrum des Thermenkomplexes. Dichter Dampf steigt auf und versperrt uns den Blick. Beim ersten Versuch, diesen Raum zu betreten, wird uns klar, warum wir die Badeschuhe, einfache Pantoffel mit einer ziemlich dicken Sohle aus Holz, mitgenommen haben: Der Boden glüht geradezu und ohne diese Pantoffeln würden wir uns die Fußsohlen ziemlich heftig verbrennen. Viele sitzen da und schwitzen oder dümpeln in den großen Wannen mit warmem Wasser, in denen viele Personen Platz finden. Es geht aber noch heißer: Wer mag, betritt auch das Laconicum, das Schwitzbad, das man mit einer modernen finnischen Sauna vergleichen kann.

Danach ist Abkühlung nötig, die wir im Frigidarium, dem Kaltbad, sogleich bekommen. Oder man kehrte zum großen Freibecken zurück und schwamm ein bisschen. Dieser Wechseln von Erhitzung und Abkühlung ist natürlich belastend für den Kreislauf, aber sicher auch gesund. Schon der Arzt Celsus empfiehlt ihn. Es ist jedoch bekannt, dass manchem dieses typische Bad nicht bekam. Plutarch berichtet, dass Kaiser Titus krank die Thermen besuchte und dass sich dadurch seine Krankheit verschlimmerte und er schließlich starb. Auch Frauen machten diesen ganzen Durchlauf meistens nicht; hartgesottene Thermenfans dagegen durchliefen die Tour jedoch gleich mehrmals. Frigidarium, Caldarium, eventuell auch ein kleiner Schwitzraum - das sind die Elemente, die das Bad des Castells Obernburg auch enthalten haben dürfte. Sie stellen sozusagen das Minimum dessen dar, was ein Römer zum Baden brauchte.

Kuhn Kaiser Titus Kopf


Kaiser Titus –
möglicherweise haben die Thermen
zu seinem Tod beigetragen.

 

In den großen Thermen in Rom treffen wir natürlich auch eine Menge Bekannte, Freunde, Abhängige ("clientes"). Man grüßt uns, wir grüßen zurück,besprechen kurz auch geschäftliche Dinge, basteln an unserer politischen Karriere oder überlegen, wie wir die eines Freundes voranbringen können - und natürlich laden wir spontan den einen oder anderen dazu ein, mit uns die Hauptmahlzeit, die Cena, einzunehmen. Genauso oft geschieht es, dass wir von einem anderen in den Thermen die Einladung zur Cena erhalten. Leider aber werden wir auch von einem unangenehmen Menschenschlag bedrängt: Leute, die uns in den Thermen an den Fersen kleben und uns schmeicheln, was das Zeug hält - bis wir endlich genervt die Einladung aussprechen, auf die sie aus sind.

Martial hat ein zynisches Gedicht über einen solchen Schleimer geschrieben (Epigramm 12, 82), der ihn solange mit abgeschmackten Komplimenten verfolgt, bis er aufgibt und das "Komm zum Essen" ("Veni!") ausspricht.

Es kam gelegentlich vor, dass man einen Badegast ohnmächtig oder gar tot aus dem Thermen tragen musste. Das beweist auch eine schreckliche Geschichte, die uns der bereits mehrfach erwähnte Plinius der Jüngere berichtet: Larcius Macedo, ein Mitglied der kaiserlichen Prätorianergarde,  dessen Vater selbst noch Sklave gewesen war, behandelt seine Dienerschaft so hart und brutal, dass eine Gruppe von Sklaven beschließt, ihn zu ermorden. In seinem Privatbad fallen sie über ihn her, treten ihn, drücken ihm die Gurgel zu, versetzen ihm Stöße gegen den Kopf und in den Leib - das alles mit bloßen Händen und Füßen, eine Waffe benutzen sie dabei nicht. Als sie ihren Herrn für tot halten, legen sie ihn zum Test auf den glühend heißen Boden des Caldarium (Warmbad). Das Opfer rührt sich nicht. Jetzt tragen ihn die Mörder hinaus, als wäre er in der Hitze zusammengebrochen ("quasi aestu solutus", ep. III, 14) - vermutlich hatten die Sklaven mit Absicht als Tatort das Bad gewählt in der Hoffnung, so die Tat vertuschen zu können. Aber es kommt anders als gedacht: In der kühlen Luft draußen erlangt Macedo die Besinnung wieder, öffnet die Augen, treue Diener helfen ihm, er klagt seine Mörder an, erlebt noch deren Bestrafung mit dem Tod und stirbt dann doch an den schweren Verletzungen und Verbrennungen wenige Tage später.

Neben der Beanspruchung des Kreislaufes durch den wiederholten, raschen Wechsel zwischen Heiß und Kalt gab es noch eine andere Gefahr für die Gesundheit: Der Thermenbesuch, vor allem der lange tägliche Aufenthalt im Kaltbaderaum, kann Schwerhörigkeit verursachen. Den Ärzten ist diese Art Schwerhörigkeit von Seeleuten bekannt, die jahrzehntelang der kalten Feuchtigkeit auf dem Meer ausgesetzt waren. Es handelt sich um eine gutartige Knochenwucherung (Hyperostose) des Gehörganges. Damals befiel sie vor allem die eifrigen Thermengänger, heute sind es die Windsurfer.

Wellness
Wir haben nun Sport getrieben, geschwitzt, uns heiß und kalt gebadet. Sind wir jetzt also fertig, haben alles mitgenommen, was die Thermen an Wellness zu bieten haben? Nicht ganz. Heute wie damals gehört eine entspannende Massage einfach dazu. Innerhalb des Gebäudekomplexes der Thermen, meist in der Nähe der Natatio (Schwimmbecken), entdecken wir die Buden eines Masseurs - das rhythmische Klatschen der Hände auf der nackten Haut weist uns auch akustisch den Weg.

Auch die Schönheitspflege gehört bekanntermaßen zur Wellness. Das war im alten Rom nicht anders und so gibt es in den Thermen die Haarauszupfer. Das Schönheitsideal verlangte haarlose Haut, auch bei den Männern - ähnlich wie es in den letzten Jahren bei uns wieder in Mode gekommen ist. Stellen wir uns also vor, wir wollen uns enthaaren lassen. Schon von weitem erkennen wir, wo der syrische Haarausreißer sein Handwerk ausübt, denn seine Kunden stöhnen und schreien. Wer schön sein will, muss leiden. Zumindestens damals galt diese Redensart noch. Weh dem, der - wie der Philosoph Seneca - einmal direkt über einer Thermenanlage wohnte! Ruhe hatte er nie: "Von überall her umtönt mich  vielfältiger Lärm ... stell dir nun alle Sorten von menschlichen Lauten vor, die einen dazu bringen, seine Ohren zu hassen!" (".... undique me varius clamor circumsonat ... propone nunc tibi omnia genera vocum quae in odium possunt adducere aures" -  epistulae morales,  56).

Nach der Enthaarungs-Tortur atmen wir kurz durch und stellen fest, dass wir Hunger haben. Bis zur Cena dauert es noch ein paar Stunden, also muss ein Imbiss her. In den Thermen kein Problem! Es gibt z. B. Würstchenverkäufer.

Noch nicht einmal die geistige Wellness kommt in den Thermen zu kurz. Zumindest von den großen kaiserzeitlichen Anlagen ist bekannt, dass sie auch Bibliotheken hatten. Also schmökern wir noch ein wenig in einem Volumen (so nennt der Römer die Buchrolle; das englische Wort volume = Band geht darauf zurück), vielleicht lesen wir, was der Mediziner Celsus über die heilsame Wirkung der Bäder zu sagen hat. Oder wir üben uns im Vortrag einer Seneca-Tragödie.

Wie wir gesehen haben, boten die römischen Thermen Wellness für Körper und Geist. Gut, es gab gewisse Risiken, vor allem aber konnte man es wirklich übertreiben. Die Stunden verflogen in den Thermen im Nu. "Nichts im Übermaß", so stand es schon im griechischen Heiligtum in Delphi geschrieben. In diesem Sinne verstehen wir also, warum in der Grabinschrift das Baden in einem Atemzug mit Wein und Liebe genannt wird: Balnea, vina, Venus corrumpunt corpora nostra. (Bäder, Wein und Liebe verderben unsere Körper). Aber das ist nur die erste Zeile: die Grabinschrift ist ein Distichon, und die zitierte erste Zeile stellt den Hexameter dar. Nun fehlt noch die 2. Zeile, der Pentameter. Ahnen Sie, wie es weitergehen muss? Man sollte uns doch nun bitte nennen, wie man es richtig macht - oder irgend eine Alternative anbieten. In der Tat beginnt die nächste Zeile mit "jedoch". Und dann? "jedoch das Leben machen aus" - Sie vermuten richtig: "balnea, vina, Venus" (Bäder, Wein und die Liebe).3

Margit Kuhn

Anmerkungen:
1. Über die römische Wassertechnik kann man sich auf unterhaltsame Weise weiter informieren, wenn man Robert Harris' spannenden Bestseller-Roman "Pompeji" liest.
2. nach : Schäfer, Peter: Attitudes toward the jews in the ancient world, Oxford, 2. Aufl. 1998
3. Balnea, vina, Venus corrumpunt corpora nostra. // Sed vitam faciunt  balnea, vina, Venus
4. Heute heißt der Platz "piazza della repubblica" - vor ca. 50 Jahren aber noch "piazza essedra", weil seine halbrunde  Form ein architektonisches Teil der Thermenanlage widerspiegelt, die Exedra.
5. Im Originaltext steht das Adjektiv "pensiles" = hängend. Man vermutet, dass damit die Hypokaustenheizung gemeint ist, weil der Fußboden, d. h. das eigentliche Bad, auf Säulen über der heißen Luft "hängt", vgl. Bild

Literatur:
Angela, Alberto: Una giornata nell'antica Roma. Vita quotidiana, segreti e curiosità, Milano (Mondadori) 2007
Weeber, Karl-Wilhelm: Alltag im alten Rom, Neuauflage, Zürich 1995