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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Obernburgs Wald als Holzlieferant und Arbeitsplatz

Wenn man heute „Wald“ hört, denken wohl die Meisten zuerst an Natur, Erholungsort, Tiere und erst sekundär an den Wald als Holzlieferant für Bau- und Möbelholz und natürlich auch für Brennholz. Im Gegensatz zu heute wurde früher sehr spezielles Holz benötigt.

Holz für Garten und Obstbau

2017_42_01 Rankgerüst-für-Stangenbohnen

In vielen Gärten wurden Stangenbohnen gesät. Um den hochwachsenden Bohnenranken Halt zu geben, wurden Bohnenstangen benötigt.

Wer Obstbäume besaß, musste die schwer beladenen Äste „stäubern“. Entsprechend lange Stangen mit einem Holzzinken oder moderner mit einem Klemmblech, das in der Höhe variabel eingestellt werden konnte, kamen als Stütze unter die Äste.

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Holz für den Gerüstbau
Auch Handwerker wie Maurer und Tünchner benötigten für ihre Gerüste Holzstangen. Gerüstelemente aus Metall zum Zusammenstecken wie heute gab es noch nicht. Ein Gerüst wurde aus einzelnen Stangen mittels Stricken oder Ketten zusammen gebunden. Da die Stangen für die vorgenannten Zwecke möglichst gerade sein mussten, wurden überwiegend Fichten verwendet.

2017_42_03 Holzgerüst Kirche Obernburg

Holzgerüst beim Neubau der katholischen Pfarrkirche in Obernburg 1964/65

Die Waldarbeiter waren alles andere als begeistert, wenn es hieß: „Stangen machen“. In den engen Fichtenbeständen mussten die Bäumchen umgesägt und per Hand und mit viel Muskelkraft an die Wege gezogen werden. Dort wurden die vielen kleinen Äste mit der Axt stammgleich abgehauen. Wer einmal in einem jungen Fichtenschlag war, weiß wie viele dürre Äste dort im Weg sind. Entsprechend verkratzt sahen die Waldarbeiter nach getaner Arbeit aus. Die Bezahlung für diese Arbeit war obendrein miserabel. Da sich die Waldarbeiter nicht freiwillig für diese Arbeit meldeten, wurde von der Stadt ein Ausgleich vereinbart: Wer einen schönen Hieb Holz zum Aufarbeiten bekam (schönere Arbeit), der musste auch „Stangen machen“. Der Verfasser dieses Berichtes hat diese leidvolle Erfahrung auch erlebt.

Holz für den Eisenbahnbau
Der Eisenbahnbau ab Mitte des 19. Jahrhunderts benötigte viele Eisenbahnschwellen. Da diese fast nur aus Buchenholz gesägt wurden, waren Odenwald und Spessart mit den vielen Buchenbeständen geradezu prädestiniert. So wurde Elsenfeld zum Standort einiger Sägewerke.

2017_43_01 1930  Sägewerk Weiland mit Verkehrsinsel Bahnhofstraße

Sägewerk Weiland, am heutigen Shell-Kreisel

2017_43_03 Sägewerk Kreuzmühle Vaeth

Sägewerk Vaeth, Kreuzmühle

2017_43_02 Sägewerk Hofmann ca 1939 dahinter Zirkel

Sägewerk Hofmann, dahinter Zirkel

2017_43_04 Sägewerk Pfeifer

Sägewerk Pfeifer

Das Sägewerk Zirkel hatte sich überwiegend auf Eisenbahnschwellen spezialisiert. Auch die Sägewerke Hofmann und das Sägewerk Vaeth in Rück (Kreuzmühle) produzierten Bahnschwellen. Nachdem 1876 die Maintalbahn in Betrieb ging, konnten nun die Schwellen per Bahn überall hin versandt werden. Die Sägewerke Hofmann und Zirkel hatten sogar einen eigenen Gleisanschluss. Der Verkauf des Holzes für Bahnschwellen an die Sägewerke brachte etliches Geld in die Kassen der Gemeinden. Sonst wäre das Buchenholz überwiegend als Brennholz verwendet worden. Für die Eisenbahnschwellen wurde jedoch nicht das wertvolle Stammholz, sondern das C-Holz genommen, also das Oberholz oder das schwächere Stammholz. Die kürzeste Schwellenlänge war mit 2,60 m exakt vorgegeben. Zusätzlich gab es die weiteren Längen 5,20 m, 7,80 m, 10,40 m und 13 m am Stück.

In den 1980er Jahren wurden immer weniger Bahnschwellen aus Holz gebraucht. Die Bahn stellte auf Eisen- bzw. Betonschwellen um, denn für die immer höheren Geschwindigkeiten der Züge waren Holzschwellen nicht geeignet. Auch die Sägewerke in Elsenfeld und Rück spürten den Wandel der Zeit. Das Sägewerk Vaeth, das heute noch existiert, spezialisierte sich auf Eichenholz. Stölting, Weiland und Hofmann schlossen um die 1970er Jahre und Zirkel nach einem Brand am 5.3.2000 endgültig die Werkstore. Auf dem Gelände der beiden letztgenannten Betriebe entstand in Elsenfeld zwischen Bahnlinie und Erlenbacher Straße ein großes Wohn- und Gewerbegebiet. Ein Dampfkessel der Firma Heinrich Lanz aus dem Jahre 1911 aus dem Sägewerk Zirkel steht als Zeuge dieser Zeit am Radweg gegenüber dem Bahnhof Obernburg-Elsenfeld.

2017_44_01 1957 ca. Luftbild Bahnhofstraße - Weilandseck

Am Weilandseck befindet sich heute in Elsenfeld der Shell-Kreisel

Holz für den Grubenausbau
Grubenholz wurde hauptsächlich in den Kohlebergwerken im Ruhrgebiet gebraucht. Dafür wurde überwiegend Kiefernholz verwendet, denn es „warnt“ bei Überlastung durch Knistern, bevor es bricht. Dies war ein überlebenswichtiger Aspekt im Bergbau. Genommen wurden meist junge Kiefern mit einem mittleren Durchmesser bis 20 cm. Die Mindestlänge betrug 4 m. Die Kiefern mussten im Wald per Hand geschält werden.

An den Weg gerückt (gezogen) wurde das Grubenholz zu jener Zeit von Wilhelm Vad (Lindenstraße 39) mit seinem Pferd. Heinrich Vad (Lindenstraße 24) rückte Grubenholz mit einem Pferd noch bis in die 1980er Jahre.

Aus dem Obernburger Stadtwald wurden die Stämme meist von Bauern zum Lagerplatz an den Main gefahren. Dieser befand sich zwischen dem heutigen Brückensteg und der früheren Mühlbachmündung. In Elsenfeld reichte der Lagerplatz von der Elsavamündung bis zur heute noch vorhandenen Abfahrtsrampe ca. 70 m nördlich des Brückenstegs. Auch auf dem Bahnhofsgelände wurde zeitweise Grubenholz gelagert und aufgearbeitet.

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Holzlagerplatz in Obernburg

2017_45_02 Holzlagerplatz Elsenfeld

Holzlagerplatz in Elsenfeld

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Der Landwirt Alois Englert (aus der Römerstraße, jetzt Aussiedlerhof Pflaumheimer Weg) fuhr lange Zeit Grubenholz. Nach seinen Worten wurde bis 1942 mit eisenbereiften Wägen gefahren. Im Jahr 1942 konnten die Englerts einen luftbereiften „Eisenwagen“ kaufen. Solch einen Wagen mitten im Krieg zu bekommen, war nicht einfach. Nur weil der Wagen wichtig für die Nation war (wegen der Kohlebergwerke), wurde er überhaupt genehmigt. Im Gegenzug musste die Familie Englert entsprechend viel Eisenschrott liefern. Der Wagen bot große Vorteile. Die breiteren Gummireifen sanken auf den weichen Waldwegen nicht so schnell ein und es konnte mehr geladen werden. Pro Fahrt wurden fünf bis sechs Festmeter Grubenholz mit der Hand aufgeladen. Eine Tour dauerte, wenn alles gut ging, ca. fünf Stunden. Gezogen wurde der Wagen von zwei Pferden. Der Verdienst war nicht besonders hoch. Alois Englert sagt heute: “Der Verdienst war gerade etwas besser als daheim geblieben“. Bis 1963 transportierten Englerts Grubenholz. Hermann Stahl (Lindenstraße 21), fuhr noch mit seinem von Schlossermeister Walter Helm gebauten gummibereiften Wagen einige Jahre länger Grubenholz.

2017_46_02 Grubenholz auf Eisenbahnwaggons
2017_46_01Verladen Grubenholz am Bahnhof

Grubenholzverladung am Bahnhof

2017_46_03 Tonbergwerk Klingenberg

Das Grubenholz wurde vor dem Transport auf genormte Längen geschnitten.
Diese sogenannten Stempel hatten die Längen 1,10 m, 1,25 m, 1,85 m, 2,20 m, 2,50 m, 2,80 m und 3,10 m. Auch auf den Durchmesser musste je nach Auftrag Rücksicht genommen werden.
Der größte Teil des Grubenholzes wurde mit Schiffen in das Ruhrgebiet gebracht. Käufer waren die Rheinischen Stahlwerke.
Beim Mainausbau wurden deshalb Schiffsanlegestellen aus Sandstein an beiden Lagerplätzen ausgebaut.
Ein Teil des Grubenholzes wurde mit der Bahn befördert.

Bild links:
Grubenholz wurde auch im Bergwerk Klingenberg
benötigt.

Das Verladen geschah mit viel Muskelkraft aufwändig per Hand. Bis 1975 halfen hier die Obernburger Landwirte Heinrich und Ludwig Vad (Lindenstraße 24 bzw. vom Aussiedlerhof am Pflaumheimer Weg).

Ab den 1970er Jahren übernahmen dann überall LKWs die Holzabfuhr. Grubenholz wurde immer weniger gebraucht, da ein Kohlebergwerk nach dem anderen geschlossen wurde. Auch wurden vermehrt Eisenstützen eingebaut. Der Lagerplatz in Obernburg wurde bis ca. 1972 betrieben. Auf Obernburger Seite nutzen heute gelegentlich Personenschiffe diese Anlegestelle.

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Mainanlage am früheren Holzlagerplatz mit dem Schiffsanleger

Holz für moderne Baustoffe
Nachdem Heizöl in den 1960er Jahren das Brennholz als Heizmaterial zunehmend verdrängte, mussten neue Absatzmärkte für Holz gewonnen werden. Steigender Papierverbrauch und vermehrter Einsatz von Pressplatten, speziell im Möbelbau, benötigten als Grundlage auch Holz. Faserholz (Industrieholz) war plötzlich gesucht. So wurde im April 1968 in den Waldabteilungen Steingrube und Pilgersrain eine kräftige Jungdurchforstung durchgeführt. Zum größten Teil Buchen, aber auch Birken mit einem BHD (Brusthöhendurchmesser) von etwa 20 cm wurden entnommen. Die Landwirte Leo Krämer (Lindenstraße 22), Josef Stahl (Lindenstraße 45, Franz Stahl (Brunnenstraße 8, jetzt Aussiedlerhof am Pflaumheimer Weg) und Erich Reis (Lindenstraße 53) übernahmen den Einschlag. Leo Krämer fällte und entastete die Bäume, Franz Stahl zog mit seinem Pferd die Bäume an den nächsten Weg, Josef Stahl „längte“ mit dem Reißmeter ab (kennzeichnete die Schnittstellen) und räumte Äste weg und Erich Reis sägte die Stämme zu Meterstücken.

So wurden in nur einem Monat rund 1000 Ster Holz aufgearbeitet - ein richtiger Gewaltakt zur damaligen Zeit. Eingesetzt waren zwei Motorsägen, „Stihl 070 mit 53er Schwert und 404er Kette“. Eine Säge hatte ein stolzes Einsatzgewicht von rund 16,5 kg! Antivibrations-Handgriffe oder sonstige Schutzeinrichtungen waren Fremdwörter, genau so wenig gab es Schnittschutzhosen oder Waldarbeiterhelme. Es dürfte der größte Faserholzeinschlag im Obernburger Wald in einem so be-grenzten Gebiet gewesen sein. An den Waldhausweg gefahren wurden diese 1000 Ster von Richard Koch (Deckelmannsmühle). Es war damals ein imposanter An-blick, so viel Holz in einer Reihe am Waldhausweg sitzen zu sehen. Von dort wurde das Holz dann mit LKWs abgefahren.

Bevor das Holz mit LKWs aus dem Wald abtransportiert wurde, fuhr Erhard Englert aus dem Obernburger Wald, aber auch aus einigen Odenwaldgemeinden Faserholz noch mit seinem Traktor nach Großostheim zur Firma Wissel.

Während des Winters waren noch weitere Landwirte, meist aus dem Odenwald, als Saisonwaldarbeiter beschäftigt. Da es damals außer dem Waldhaus- und dem Grundweg keine mit LKWs befahrbare Wege im Wald gab, brachten Hermann Stahl und Heinrich Vad viel Faserholz an die Hauptwege. Anfang der 1970er Jahre kam das Aus für Faserholz. Das Geschäft war zu umständlich und es war zu viel Handarbeit nötig.

„IL = Industrieholz lang“ setzte sich danach durch. Es wurde an einem Stück an den Abfuhrweg gezogen und dort vom LKW mittels Autokran aufgeladen. Dies ist bis heute gängige Praxis.

Der Wald als Arbeitsplatz

2017_48_01 Forstpferde-im-Einsatz

Das Pferd, ein wichtiger Helfer im Wald.

Im folgenden sollen Land-wirte erwähnt werden, die in der beschriebenen Zeit im Wald arbeiteten und/oder Holz fuhren.

 

Wurde früher das Holz mit eisenbereiften Holzwägen abgefahren, begann in den 1930er Jahren eine neue Epoche. Luftbereifte Wägen kamen auf den Markt. Wie bereits oben erwähnt, hatten sie viele Vorteile.

Den ersten Stammholzwagen dieser Art kaufte 1936 Franz Deckelmann  (Deckelmannsmühle in der Eisenbacher Straße). Er holte Stammholz meist in Vielbrunn und brachte es zum Sägewerk Stellding nach Elsenfeld. Frühmorgens fuhr er mit seinen Pferden los. Daheim versorgte inzwischen Ludwig Koch das Vieh. Danach setzte er sich auf das Fahrrad und radelte schnell nach Vielbrunn, um beim Aufladen der Stämme zu helfen. Dies ging bis 1950, dann übernahmen auswärtige Stammholzfahrer mit Lanz Bulldogs den Transport.

1937 kauften Erhard Englert (Römerstraße/Aussiedlerhof am Oberen Neuen Weg) und wenig später Wilhelm Schmitt (Frühlingstraße/Aussiedlerhof am Pflaumheimer Weg) ebenfalls solch einen Stammholzwagen. Hersteller waren die Gebrüder Schwarz aus Kaiserslautern. Beide Landwirte fuhren gemeinsam in den Wald. Meist wurden Kiefern zum Sägewerk Weiland nach Elsenfeld gebracht. Stammholz transportierten sie aber auch zur Firma Vaeth nach Rück. Noch wurden diese Wägen ausschließlich von Pferdegespannen gezogen.

1952 ersetzte Englert das Pferdegespann durch einen Traktor. Für die Traktornutzung gab es Vorschriften. Da das Holzfahren nun gewerblich eingestuft wurde, musste er den Traktor mit schwarzen Nummernschildern zulassen. Obendrein war auch der LKW-Führerschein Klasse 2 nötig. Diesen erwarb auch Josef Schmitt, nachdem sein Vater Wilhelm ebenfalls einen Traktor angeschafft hatte. Die Pferde waren aber weiterhin zum Rücken und Aufladen nötig. 1964 gaben beide Bauern das Stammholzfahren auf. Weitere Landwirte aus Obernburg, die Stammholz fuhren, waren Hermann Stahl und Gottfried Hasselbachert (Tiefental).

2017_49_01 Vad Willy 1929 - 1990

Ab Anfang der 1960er Jahre wurde Stammholz mit LKWs gefahren. Diese waren wesentlich schneller und konnten ein Mehrfaches laden.

So kaufte 1963 auch der Landwirt Willy Vad, der Stall und Scheune neben der heutigen Kochsmühle hatte (jetzt Rosengarten), einen Stammholz-LKW. Er fuhr überwiegend für das Sägewerk Zirkel.

Seine Landwirtschaft gab er ganz auf und baute im Obernburger Gewerbegebiet Weidig ein Wohnhaus mit großer LKW-Garage. Leider verunglückte er 1990 beim Holzabladen im Sägewerk tödlich.


Bild links: Willy Vad

Aber trotz LKW-Abfuhr gab es noch immer Tätigkeiten im Wald, wie das Rücken des Stammholzes an die Abfuhrwege. Mit dieser schwierigen Arbeit waren Richard Koch mit seinem Schlepper von 1965 bis 1992 und Heinrich Vad und sein Sohn Ludwig ebenfalls bis 1992 mit Pferd und Schlepper beschäftigt.

Erich Reis, Heinz Janson

Quellen:
Archivbilder der Marktgemeinde Elsenfeld, Eva Maria Schlicht 1999
Kreisspiegel Obernburg/Main
Bildarchiv Heimat- und Museumsverein Elsenfeld

2017_50_01Langholzfuhrwerk Arnold und Max  Becker Elsenfeld

Langholzfuhrwerk mit Arnold und Max Becker in Elsenfeld