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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Aus der Lahmekaute

Lehm heißt im Obernburger Dialekt Lahme und eine Grube ist eine Kaute. Die Lahmekaute ist also eine Lehmgrube und in der Obernburger Lahmekaute habe ich (Jahrgang 1926) die glücklichen Jahre meiner Kindheit verbracht.

Große Ansprüche durften wir nicht stellen, denn Sparsamkeit war eine Tugend. Wir wussten uns aber zu helfen: wenn einmal Schnee lag, wollten wir Ski fahren. Also besorgten wir uns zwei Fassdauben und spitzten sie mit einem Beil zu. Ein Fahrradmantel lieferte die Schlaufen als Bindung, die wir mit Dachpappennägeln fest machten. Eine Bohnenstange wurde schließlich für die beiden Skistöcke zersägt. Mutters Bohnerwachs wurde zum Belag und am Tiefelterrand (Tiefelter = Tiefes Tal) fanden die ersten Versuche statt. Später konnte man beim Reicherts Emil selbstgemachte Ski kaufen. Es gab sogar Leute, die hatten Eschenski mit echter Bindung. Der Reise Tobias kam mitten im Winter braungebrannt von einem Skiurlaub aus den Alpen zurück.

Lahmekaute Stelzenlaeufer

Kam dann das Hochwasser, war Stelzenlaufen angesagt. Wer den Jäger konnte (auf einer Stelze stehend oder hüpfend, die zweite Stelze auf der Schulter) war Spezialist. Ewig Stelzenlaufen war aber auch langweilig.

Jetzt wurden Sprengen gemacht. Sprengen sind Bogen. Die Haselnussstecken holten wir im Tiefelter, das Schilf für die Pfeile am Bücholdsee und eine Hollerstaude lieferte die Pfeilspitzen. Tagelang wurde nun Indianer gespielt. Die Älteren hatten sich Karl May Namen zugelegt. Es gab Winnetou und Old Shatterhand. Der Karl war mit dem Namen Masse Bob nicht glücklich und er quittierte diese Anrede jedesmal mit einer Ohrfeige.

Lahmekaute Bogen
Lahmekaude Auffuellung mit Beamtenhaus

 

 

 

Später wurde die Lahmekaute aufgefüllt, mit einer Schlackendecke eingeebnet und zum Sportplatz gemacht. Dieser Platz mit der daneben liegenden Obstanlage, dem Jahnshügel mit seinem Schießhäuschen und dem dahinter liegenden Steinbruch war unser Dorado.

Wann immer es ging wurde „gekrempert“-Ball gespielt. Das Problem war: nur einer hatte einen Lederball und das war der Kleine Rudolf. Er war der Jüngste in unserer Runde. Wenn die Mannschaft gewählt wurde wollte keiner den Kleinsten. Wurde Rudolf aber nicht gewählt, nahm er seinen Lederball und ging. Er kam immer zum Spielen.

Anders ging es später dem Lehrer Gosbert, einem leidenschaftlichen Fußballer. Außer Fußball habe ich keine einzige Sportstunde bei ihm erlebt. Von der Volksschule wurde in die Lahmekaute marschiert. Die beiden Besten mussten die Mannschaften auswählen. Der Rest stand wartend am Spielfeldrand. Als Erster wurde natürlich der Lehrer Gosbert gewählt. Das hatte aber den Nachteil, dass man bei einem Fehler im Spiel ordentlich von ihm ausgeschimpft wurde. Nun ergab es sich einmal, dass die beiden Mannschaften komplett gewählt waren, aber keiner hatte den Lehrer Gosbert gewählt. Ergebnis war sein Kommando: „Antreten! Rechts um! Im Gleichschritt marsch!“ Ohne Spiel ging es zurück in die Schule. Beim nächsten Spiel hat Lehrer Gosbert wieder gespielt.

Lahmekaute Valentin Reis

Valentin Reis vor seinem Anwesen
an der Ecke Linden-/Jahnstraße.

Ein beliebtes Spiel war das „Treibsches“. Ein besseres Training für Weitwurf ist kaum möglich. Spielfeld waren die gesamte Jahn- und Lindenstraße. Zwei Mannschaften spielten gegeneinander. Begonnen wurde beim Reise Valtin (Valentin Reis). Ziel für die eine Partei war das Kino beim Schnatz, für die andere der Eingang zum Tiefen Tal. Jeder Spieler warf den Ball so weit er konnte und die andere Mannschaft versuchte den Ball aufzufangen. Von der Stelle aus, wo der Ball gefangen wurde, warf dann die andere Mannschaft in Richtung Gegner. Das Spiel wurde mit größter Verbitterung geführt. Dabei störten wir damals niemanden. Kam wirklich einmal ein Auto, setzten wir halt für einen Moment aus und spielten dann weiter. Jedes Spiel konnte leicht eine Stunde dauern. Heraus kamen dabei gute Handballer.

Lahmekaute Handballspiel

 

 

Unser erstes Spiel als Schüler hatten wir in Erlenbach. Es sollte an einem Sonntag um 15 Uhr beginnen. Der Spielbeginn musste aber erheblich verschoben werden, denn der Reicherts Wilhelm und der Bischofs Alois mussten in Obernburg bei der Nachmittagsandacht ministrieren und konnten erst danach mit dem Fahrrad nach Erlenbach kommen.

Lahmekaute Handballmannschaft 1935 1936

 

 

Noch heute muss ich, wenn der Klose in der Fußballnationalmannschaft nach einem Tor seinen Salto macht an unseren „Tetsch“, den Theo Klein denken. Wir nannten ihn nur „Salto“, denn er hat das schon vor über 70 Jahren in Obernburg praktiziert.

Lahmekaute Murmeln

Die Straße war unser Spielplatz, wenn gedobscht wurde, wenn wir den Kreisel mit der Peitsche durch die Lindenstraße trieben oder mit „Bätsch und Spann“ um Bickel kämpften. Was war das für eine Aufregung, wenn einer plötzlich schrie: „Tabak!“. Die großen mit Tabak beladenen Lastwagen passten nicht durch das Obere Tor und mussten den Weg über die Lindenstraße nehmen. Wenn es uns gelang, einen Büschel Tabak aus der Ladung herauszuziehen, betrachtete man das als Mundraub.

Wenn es heiß wurde gings zum Baden in den Main. Und wenn einer zum ersten Mal über den Main schwimmen konnte, wusste das die ganze Lahmekaute. Mancher mag geschmunzelt haben, wenn die Lahmekautler, vorweg der Gimels Walter über den Main schwammen und dabei die Obernburger „Nationalhymne“: „Geleite durch die Wellen“ anstimmten und dem Elsenfelder Ufer zustrebten.

Es war eine glückliche, sorglose Zeit, wenn heute auch vom Glorienschein der Vergangenheit umgeben.

Dr. Erich Ramstöck