Einnahme der Stadt durch amerikanische Truppen „Am Montag, 26. März, spitzte sich die Lage immer mehr zu. Allerlei Gerüchte drangen in unsere Stadt..... Die Amerikaner waren schon mit ihren Panzerspitzen bis nach Mömlingen vorgedrungen. Es drehte sich darum, ob unsere Stadt verteidigt werden sollte oder nicht. Das Ja und Nein wechselte ständig. Endlich entschied sich der Bürgermeister für die Freigabe der Stadt ohne Kampf und alle Bewohner atmeten erleichtert auf. Die Lage war immer noch bedrohlich. Vater und ich ließen uns Sessel in den OVGO-Keller bringen. Wir nahmen auch Essen und unsere Koffer mit. Nachmittags um drei Uhr wanderten wir hinaus. Wir sahen uns auch den Felsenkeller an. Dieser ist in 30 m Tiefe in den Felsen eingehauen. Wenn man am Eingang steht, kann man gar nicht sehen, wo das Ende desselben ist. Er ist elektrisch beleuchtet. Hier standen die Menschen dicht gedrängt aneinander mit Gepäck, Kind und Kegel. Es war so warm darin, als wenn angeheizt wäre, aber eine Luft zum Ersticken. Bis die Nacht herum war, waren wir wie erleichtert, denn es war uns absolut nicht möglich eine Zeitlang zu schlafen. Glücklich waren wir, als es Morgen war und wir den Heimweg antreten konnten. Am Mittwochnachmittag (28. März) gegen vier Uhr trafen die Amerikaner ein. Die ganze Stadt stand von ihren Panzern voll. Die Stadt wurde kampflos übergeben und alle waren froh, unter einem gewissen Schutz zu stehen.“
Brände im Winkelhof „Gegen Abend um sieben Uhr fühlte sich unser Militär oder Hitlerjungen aus Ärger über die Übergabe der Stadt bemüßigt von jenseits des Mains einige Brandbomben in unsere Stadt zu werfen, welche einen riesigen Brand verursachten. Alle Hintergebäude von Leo Vad (Kobengasse) und Gasthof Sonne (heutige Kreissparkasse), sowie die Gebäude des Winkelhofes waren ein einziges Flammenmeer. Nur das Vieh konnte gerettet werden. Die Amerikaner schossen die ganze Nacht als Vergeltung hinüber, aber drüben wurde fast nichts mehr erwidert. Wir konnten natürlich die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommen, denn an das fortwährende Dröhnen der Geschütze muss man sich erst gewöhnen. Noch ein neu gebautes Haus, das an dem Fußpfad stand, welcher von der OVGO zum Friedhof führt (heutige Dr.-Zöller-Straße) wurde in Schutt und Asche gelegt. Die Leute befanden sich im OVGO-Keller, nur die 95-jährige Mutter wollte nicht mit und lag schon im Bett. Sie verbrannte und war das einzige Todesopfer.“
Mainüberquerung der Amerikaner „Am Gründonnerstag, den 29. März, wurde den ganzen Tag von den Amerikanern in den Spessart geschossen, da sich dort noch viele deutsche Truppen aufhalten sollten. Auch in der Nacht zum Karfreitag wurde ununterbrochen weiter geschossen. Das Feuer wurde aber nicht mehr erwidert, wahrscheinlich wegen dem Abzug der Soldaten oder aus Munitionsmangel. Am Karfreitag (30. März) sammelten sich die amerikanischen Panzer in der Römer- und Mainstraße. Es wimmelte von Soldaten, bepackt mit allem Möglichen, die dicht gedrängt auf die Fahrzeuge kletterten. Sie fuhren in den Main und setzten als Schiffspanzer ans andere Ufer über.“
Neues Leben nach dem Zusammenbruch „Die ganze Woche wurde in den Betrieben nicht gearbeitet. Die Glanzstoff ist erledigt.... Die ganze Woche ging weder Bahn noch Post, weder Telefon und Telegraf. Wir haben kein Licht. Wie es mit den Nahrungsmitteln wird, wissen wir nicht..... Neue Bestimmungen wurden ausgeschellt. Anton Reis ist neuer Bürgermeister. Von heute, 4. April, geht also ein neues Leben an. Alle Arbeiter haben ihren Arbeitsplatz aufzusuchen. Wer keinen hat, soll sich im Rathaus melden.... Obernburg hat nur mit Booten Verbindung zum anderen Mainufer. Der verflossene Nazi-Bürgermeister (Heinrich Störrlein) ist noch hier, die anderen Bonzen sind geflohen...... 22. April, Weißer Sonntag: Obwohl man ja nichts kaufen kann, waren alle Kinder so gut gekleidet, dass man fast vergessen möchte, dass uns noch schwere Schlachten umtoben.“
Helmut Wörn
Genauere Berichte über das Kriegsende um Obernburg finden sich in folgenden Publikationen: Alois Stadtmüller, Maingebiet und Spessart im zweiten Weltkrieg, 1982 Leo Hefner, 1900 Jahre Obernburg am Main, 1984 Josef Weiß und Winfried Müller, Das Kriegsende 1945
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