Leider ging die finanzielle Basis durch Kapitalstiftungen in der Hyperinflation 1923 total verloren. Als sich im Herbst 1923 die Geldentwertung mit Milliardenbeträgen ihrem Höhepunkt näherte, verlangten die Ordensfrauen den Gegenwert von 1,5 Liter Milch täglich als Entlohnung für ihren Einsatz. Im Normaljahr 1924 übernahm der Krankenpflegeverein wieder einen Großteil der Unterhaltskosten. Den Rest deckten die Verpachtungen der Wiesen und der Zuschuss der Stadtkasse.
Im Jahre 1931 forderte die Stadtverwaltung eine neue Schwesternstelle an, die sofort vom Würzburger Mutterhaus genehmigt wurde. Die Zahl der Erlöserschwestern stieg nämlich bis in die dreißiger Jahre auf 2900 an, so dass der Orden in Unterfranken 657 Niederlassungen unterhalten konnte. Auch im Bezirkskrankenhaus (heutige Rotkreuzstation in der Römerstraße) stellten die Ordensschwestern einen Großteil der Pflegekräfte.
Schwierigkeiten in der Nazizeit Schon ein Jahr nach der Machtübernahme von Hitler im Jahre 1933 bot das Amt für NS-Volkswohlfahrt Ausbildungen zu Krankenschwestern für junge Frauen an und versuchte in Orten ohne Krankenstationen eine NS-Schwesternschaft zu etablieren. Noch gab sich der Kreisamtsleiter der Volkswohlfahrt zahm: „Die Zusammenarbeit mit den Geistlichen, den klösterlichen oder anderen Gemeindeschwestern soll und muss in hervorragender taktvoller Harmonie erfolgen. Der Gedanke des Anscheins einer Verdrängung der in den einzelnen Gemeinden stationierten Schwestern ist also abwegig.“ Aber schon 1938 zeigte der NS-Staat sein wahres Gesicht, denn es wurde den Orden verboten, junge Frauen in arbeitsfähigem Alter in ihre Gemeinschaften aufzunehmen. Den Ordensschwestern sollte damit der Nachwuchs abgeschnitten werden. Der Obernburger NS-Bürger-meister und Ortsgruppenleiter Heinrich Störrlein, der 1938 der Stadt als Bürgermeister von der Würzburger Gauleitung aufoktroyiert worden war, fasste schon im Jahre 1939 die Errichtung einer NS-Krankenpflegestation ins Auge.
Das wurde aber scheinbar durch den Kriegsbeginn im September 1939 verhindert. Einen scharfen Ton schlug Störrlein im Jahre 1940 in einem Brief an die hiesige Oberin an. Er „verwarnte sie letztmalig und drohte mit Strafanzeige“, denn „im heutigen Großdeutschland ist es nicht mehr statthaft, dass Volksgenossen leichtfertig ohne ärztliche Behandlung bleiben.“ Ein Patient war nämlich nach längerer Krankheit mit 78 Jahren verstorben, ohne dass der ansässige Arzt Dr. Braun eingeschaltet worden war. Das nämlich hatte der Verstorbene zu Lebzeiten abgelehnt. Die Würzburger Generaloberin stellte in einem Antwortschreiben an Bürgermeister Störrlein aber klar, dass der Patient ausdrücklich die Zuziehung eines Arztes abgelehnt hatte. „Weite Bevölkerungskreise nehme von der Herbeirufung eines Arztes wegen ihrer finanziellen Lage gerne Abstand“, während die Schwestern „unentgeltlich ihre pflegerischen Dienste anbieten“. Trotzdem schloss die Kongregation im Jahre 1943 mit der Stadt einen neuen Vertrag über die Fortsetzung der Krankenpflege, obwohl schon klar war, dass „durch diesen völligen von staatlicher Seite verfügten Ausfall aller Nachwuchskräfte“ kein Ersatz für ausscheidende Ordensschwestern mehr zu erwarten war.
Nachwuchsmangel führte zur Schließung der Niederlassung Im Jahre 1952 renovierte die Stadt das Schwesternhaus und brachte es nach über 50 Jahren wieder in einen zeitgemäßen Zustand. Drei Ärzte wirkten inzwischen in Obernburg: Dr. Burkhard Aschberg, Dr. Erika Bergenthun und Dr. Emmy Metzger-Vogt. Trotzdem waren die Krankenschwestern für viele Menschen die erste Anlaufstelle bei Krankheiten, Verletzungen oder Pflegefällen.
Die Schwestern, die in den fünfziger Jahren noch in Obernburg wirkten, hießen „Hilarina“ Luise Frank (geb. 1903), „Ailreda“ Emma Meidel (geb. 1889) und Oberin „Cölesta“ Katharina Lang (geb.1880). Ihr Alter zeigte, dass es dem Orden an jungen Nachwuchskräften fehlte. Bei der Auflösung der Elsenfelder Niederlassung schloss sich die letzte Schwester von dort dem Obernburger Konvent an.
Bis 1975 war nur noch Schwester Hilarina in der Unteren Gasse tätig und auch sie ging nach 23jährigem Wirken in Obernburg im August 1975 ins Ruhestandskloster. Nach 80 Jahren endete somit die segensreiche Arbeit der Obernburger Krankenschwestern.
Hohes Ansehen der Krankenschwestern Die Schwestern, die man nur mit „Schwester“ anredete, aber ihren Klosternamen meist gar nicht kannte, genossen in der Bevölkerung große Anerkennung. Das geht auch aus vielen Schreiben und Äußerungen über ihre selbstlose Arbeit zum Wohle der Kranken und Hilfsbedürftigen hervor.
Regelmäßig waren sie im Stadtbild präsent, wenn sie zu Fuß ihre Gänge machten. In den werktäglichen und sonntäglichen Messen hatten sie in der Pfarrkirche ihren festen Platz. Danach machten sie ihre Hausbesuche, verbanden Wunden und kümmerten sich um pflegebedürftige Menschen. Viele ältere Obernburger erinnern sich noch an ihre erste Hilfe bei kleineren Verwundungen oder wie bei Kinderkrankheiten und Erkältungen zuerst die Schwester geholt und um ihren Rat gefragt wurde.
Die Obernburger dankten es ihnen, indem z. B. an Schlachttagen Wurstsuppe mit Würstchen bei den Schwestern abgeliefert oder bei Festen so mancher Leckerbissen in die Untere Gasse gebracht wurde. Nachbarskinder lernten bei ihnen das Wickeln von Binden, andere halfen im „Schwestern-garten“ beim Umgraben oder beim Hacken des Feuerholzes.
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