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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Die Jupitergigantensäule

Leicht versteckt durch Bäume und parkende Fahrzeuge steht auf dem ehemaligen Mühlgraben als Blickfang für das neue Römermuseum eine Jupitergigantensäule. Diese ist im Auftrag des Stadtrats nach Originalfunden aus Obernburg geschaffen, und auf Wunsch des Landesamtes für Denkmalpflege, das maßgeblich das neue Museum finanzierte, dort nach längerem Streit über den Standort aufgestellt worden.

Bei den Jupitergigantensäulen handelt es sich um einen Denkmalstyp, den es fast ausschließlich im keltischen Einflußbereich des römisch besetzten Obergermaniens und im Osten derProvinz Belgica gab. Sie sind dem römischen Jupiter geweiht, hinter dem sich gleichzeitig der keltische Himmelsgott Taranis verbirgt. Entstanden sind die meisten etwa in der Zeit zwischen 150 n.Chr. und dem Fall des Limes um 260 n.Chr.

Vorbild der ersten, im Jahre 59 n.Chr. aufgestellten Großen Mainzer Jupitersäule scheint die im Jahre 63 v.Chr. auf dem Kapitol in Rom aufgestellte Jupitersäule zu sein. Die Mainzer Säule wiederum war Vorbild für die, meist von einheimischen Künstlern geschaffenen Jupitergigantensäulen.

Aufgestellt wurden sie sowohl an römischen Gutshöfen (villae rusticae), die, ähnlich heutigen Aussiedlerhöfen, abseits der Siedlungen entstanden, aber auch innerhalb größerer Ortschaften wie Mainz oder Nidda bei Frankfurt sowie auch in Bergheiligtümern. Oft waren Altäre vor oder neben den Säulen errichtet und in einem ummauerten Bereich aufgestellt. Gestiftet wurden sie vermutlich von der ortsansässigen einheimischen Bevölkerung, seltener von Legionären oder Veteranen der römischen Armee.

Der Sockelaufbau der Jupitergigantensäulen ist meist gleich: Als Sockel steht auf der dreistufigen Fundamentplatte ein Viergötterstein, darüber als Zwischensockel ein Wochengötterstein, dann eine geschuppte Säule und über dem Säulenkapitell der Gigantenreiter. Bis zu 12 m hohe Säulen wurden gefunden.

Die Obernburger Jupitergigantensäule wurde aus hier gefundenen Teilen rekonstruiert. Der Viergötterstein steht im Original im Aschaffenburger Stiftsmuseum. Er war eingemauert im Turm der Stiftskirche und ist vermutlich als ideales Baumaterial von Obernburg nach Aschaffenburg geliefert worden. In der Mehrzahl enthalten diese Sockelsteine Darstellungen der römischen Gottheiten Juno (Gattin des Jupiter, Mutter- und Himmelsgöttin), Minerva (Göttin der Künste und der Handwerker), Mercur (Gott des Handels, Götterbote) und Hercules (Göttersohn, Retter und Schutzpatron). Die Obemburger Säule enthält nur drei Götter, nämlich vorne Proserpia (Gemahlin des Hades, Göttin der Unterwelt und der Fruchtbarkeit), links Mars (Kriegsgott, verehrt als Stammvater der Römer) und rechts Victoria (Siegesgöttin des römischen Reiches). Mit der Rückseite stand die Säule offensichtlich an einer Mauer, da die vierte Seite unbearbeitet ist. Die eingemeißelten Worte "Ramuc me facit"  Ramuc hat mich gemacht  sind nicht römischen Ursprungs, sondem vermutlich im Mittelalter von einem Steinmetz angebracht worden, der das Werk als sein eigenes ausgeben wollte.

Wochengöttersteine enthalten bis zu acht Darstellungen verschiedener Götter. Auf der rekonstruierten Säule sind es nur vier. Anscheinend handelt es sich bei dem Original des Steins um eine frühe Form eines Zwischensockels. Der Ursprung dieses Teils ist nicht geklärt, es paßt aber von der Größe her zu den anderen Obemburger Teilen. Abgebildet in den Bogennischen sind Vulkan (mit Amboß und Hammer, Gott der Schmiedekunst), Herkules (mit der Keule), Athena (mit Eule und Ovalschild, griechische Göttin des Friedens und des Krieges, der Künste und der Weisheit – entspricht der römischen Minerva) und Juno.

Das Schuppenmuster der Säule wird meist als stilisierte Baumrinde gedeutet. Die Kelten verehrten einen mit Jupiter gleich gestellten Gott in Form eines Baumes, einer hohen Eiche. Eichenlaub wurde auch auf einzelnen Säulen dargestellt. Es liegt daher nahe, die Schuppensäule über dem Wochengötterstein als keltisches Symbol eines Baumes zu deuten. Die Schuppensäulen enden, wie an der Obemburger Rekonstruktion, häufig in einem Kapitell mit Frauenbrüsten an den Ecken, die durch ihre Attribute im Haar die Jahreszeiten personifizieren.

Die Krönung der Jupitergigantensäule ist die Reitergruppe. Bei den meisten Darstellungen reitet Jupiter über den am Boden kauemden Giganten. Die Bewohner der römischen Provinzen kannten den aus der griechischen Mythologie stammenden Kampf der olympischen Götter gegen die Giganten, der mit Hilfe des Hercules gewonnen wurde. Jupiter wird hier mit dem Blitzbündel als oberster Himmelsgott der Römer dargestellt. Das hier wie auf vielen Säulen abgebildete keltische Rad symbolisiert ihn gleichzeitig als Taranis, den Licht- und Himmelsgott der Kelten, wobei es im Gegensatz zu den römischen Götterdarstellungen bei den Kelten allerdings keinerlei Namensnennungen für die Götter gibt. Jupiter reitet mit seinem Pferd über einen Giganten, der den Gott in den Fuß beißt.

Im Museum befinden sich die Originale der in Obernburg gefundenen Teile von mindestens zwei Säulen. Diese wurden (von Leo Hefner) beim Neubau der Knabenschule aus einem Brunnenschacht geborgen: Rechts vom Eingang sieht man den auf einem Pferd über den Giganten reitenden Jupiter mit dem keltischen Rad, darunter das Bruchstück eines Vierjahreszeiten-Kapitells. Daß derartige Funde in Brunnenschächten gemacht werden, ist nicht ungewöhnlich. Häufig wurden von späteren Bewohnern die religiösen Kultgegenstände, Götterstatuen und dergleichen, systematisch zerstört und in Brunnenschächten versenkt, um die Macht dieser Götter zu vemichten.

Die Jupitergigantensäulen zeigen anschaulich, wie sich römische und keltische Glaubensvorstellungen vermischt haben. Die Vielzahl der dargestellten Götter ist erstaunlich, und es ist unwahrscheinlich, daß sämtliche keltischen Gottheiten sich mit ihren römische Vorbildern deckten. Aus der keltischen Kultur der römischen Kaiserzeitf ehlen aber jegliche Schriftquellen, so daß eine eindeutige Interpretation meist nicht möglich ist.

Wulf Huke

Literatur und verwendete Veröffentlichungen:
Gernard Bauchhenß: Jupitergigantensäulen,  Württ. Landesmuseum Stuttgart
Baatz/Heffmann: Die Römer in Hessen, TheissVerlag
Czysz/Dietz/Fischer/Kellern: Die Römer in Bayern, TheissVerlag
Leo Hefner: Mars, Vulkan, Herkules, Main-Echo vom 14.1.1997