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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Hochgericht - Früher Galgenberg

 

2019_13_01
2019_13_02

In Obernburg gibt es unterhalb der Johannes-Obernburger-Schule in der Gemarkung Hochgericht eine Straße mit dem Namen „Am Hochgericht“.

 

In einer älteren Landkarte wird die Gemarkung „Galgenberg“ genannt. Im Stadtarchiv hat der Verfasser dieses Artikels die Erklärung für die Namens-gebungen in einem undatierten „Main-Echo“ Bericht gefunden, der hier fast wörtlich wiedergegeben wird.

 

2019_13_03

Zwei Diebe in Großwallstadt ertappt
Im Sommer 1702, es war die Erntezeit, war in der Obernburger Bürgerschaft einige Aufregung entstanden. Zwei misteriöse Einbrüche hatten den gewohnten Ablauf der Tage unterbrochen. Im Jacob sein‘ Lädchen fehlte ein Dutzend eiserner Schnallen, etliche Knieriemen und sonstige Waren. Die Diebe hatten noch einem anderen Bürger einen Besuch abgestattet. Es war ihnen aber hier glücklicherweise nichts in die Hände gefallen.


Beim abendlichen Schoppen hatte man ausgiebigen Gesprächsstoff, der wohl für einige Wochen angehalten hätte, wenn nicht am nächsten Tage aus Großwallstadt neue Kunde gekommen wäre. Im dortigen „Schwarzen Adler“ waren zwei verdächtige Landstreicher mit einer Magd eingekehrt, deren einer dem Krämer Jung verschiedene Sachen zum Kauf angeboten hatte. Unser Jacob Cammer eilte auf diese Nachricht hin schleunigst in die Nachbargemeinde, wo sich der Verdacht bald bestätigte und der Landschöffe die beiden Galgenvögel kurzerhand arretierte. Inzwischen war der aufregende Vorfall Ehrwürden Obervogt zu Großostheim Johann Adam Valentin hinterbracht worden, der auch pflichtgemäß Großwallstadt sogleich visitierte.

Ein Geständnis
Ein hochnotpeinliches Examen bereitete unseren Landstreichern, deren einer, Johannes Kraft in Bensheim beheimatet, während sein Freund Johannes Vetter in Mannheim in der Pfalz gebürtig war, arge Kopfschmerzen. Sie leugneten Stein und Bein, einmal, dass sie die Waren dem Krämer Jung gezeigt hätten, zum anderen, dass sie durch Obernburg gekommen wären, denn – ob solcher Scheinheiligkeit ergrimmte sogar der Obervogt, der manches gewöhnt war – ihr Reiseziel wär‘ Walldürn, wo sie eine Wallfahrt gelobt hätten.

Doch das Verhör ging weiter und schließlich offerierte der Großwallstädter Kaufmann einen Eid und man war beinahe auf und dran, die beiden trotzdem wieder auf freien Fuß zu setzen, als die große Wendung kam. Bei der Nachschau im Wirtshaus war das versteckte Diebesgut gefunden worden. Jacob Cramer identifizierte es und so brach nach längeren Vorhaltungen der Harmlosere der Beiden, Vetter, zusammen und gab folgendes zu Protokoll: „Den Einbruch hat Kraft getan und die Waren gestohlen. Ich, Johannes Vetter, habe vor der Pforte gewartet!“ So musste auch Kraft schließlich nach längerem Leugnen die Tat zugeben.

Neue Indizien – das Todesurteil
Nachdem so die Amtshandlung abgeschlossen war, wurden die Deliquenten auf Befehl des löblichen Vizedomamtes zu Aschaffenburg an der Markscheide dem Obernburger Bürgermeister Jörg Helm ausgeliefert. Die beiden armen Sünder saßen in den folgenden Tagen bei Wasser und Brot und ein immer dichteres Netz von Verdachtsmomenten zog sich über sie zusammen.

Aus den umliegenden Orten im Bachgau und am Main trafen Meldungen über gewalttätige Diebstähle in Wohnungen und Gotteshäuser ein, so dass die Examinatoren viel Arbeit bekamen. Wieder brach Vetter zuerst zusammen, als man ihm so ganz am Rande der Vernehmung von Tortur und Folter erzählte. Johannes Kraft gab bei einer Gegenüberstellung die meisten Straftaten dann auch freiwillig zu. Die Protokolle schickte nun der Stadtrat an die weltlichen Herren Räte von Mainz und von dort erging folgendes Urteil: Johannes Kraft ist mit dem Strang vom Leben zum Tod hinzurichten, sein Komplize und die Weibsperson können geringer bestraft werden.

Der Galgen wird errichtet
Ob dieses Urteils entstand in Obernburg einige Verwirrung, denn – so erzählt uns der Protokollführer – es war hier nie ein Hochgericht gestanden. Man befragte sich beim Vizedomamt, ob man den Deliquenten nicht in Niedernberg hängen lassen soll – selbstverständlich spielten hier auch finanzielle Bedenken eine gewisse Rolle, denn ein Galgen kostete auch seinerzeit Geld. Doch das Vizedomamt erteilte nicht die Zustimmung, und so musste Bürgermeister Helm mit einem Ratsherrn gen Mainz fahren.

Bürgerschaft und Handwerker erstellten nun den Galgen und am Gerichtstag brach Bürgermeister Helm im Beisein des Aschaffenburger Obervogtes und des gesamten Rats nach Verlesung des Urteils den Stab über Johannes Kraft.

Der arme Sünder blieb noch 24 Stunden am Galgen hängen, bis ihn der Scharfrichter abnahm. Der Zweite im Bunde, Vetter, hat ihn dann am Mühlrain begraben, nachdem er selbst mit Ruten dreimal um das Hochgericht gepeitscht worden war und man ihm einen Galgen in den Rücken gebrannt hatte. Er und die Magd aber wurden „des Hohen Erzstifts auf ewig verwiesen.“

(Zusammengestellt nach einem Protokoll von Ludovicus, Eberhardo W. Obercamp, Statthalter zu Obernburg, gefertigt im Sommer 1702).

Ende des Zeitungsberichts.

Andere Zeiten, andere Sitten! Welche Strafe würde Johannes Kraft heute vom Gericht erhalten? Und was mag sich wohl Johannes Kraft auf seinem letzten Weg gedacht haben?

Quellen:
Originalprotokolle im Archiv der Stadt Obernburg
Zeitungsbericht im Main-Echo, Erscheinungsjahr unbekannt, gefunden mit den Protokollen im Archiv der Stadt Obernburg

Heinz Janson