hvvlogosw

Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

Inhaltsverzeichnis

Startseite

Vereinsziele, Vorstand

Vereinsgeschichte

Obernburger Geschichte/n

Römische Geschichte/n

Bauwerke und Gebäude

Persönlichkeiten

Mundart

Aktivitäten

Tanz- und Kostümgruppe

Links

Impressum

Beitrittserklärung

banner_hvv

Gustel Konze
Nur noch in der älteren Bevölkerung ist das Obernburger Universalgenie Gustel Konze, der seine Publikationen (vornehmlich im Main-Echo und im einstigen Obernburger Boten) unter dem Kürzel GUKO veröffentlichte, ein Begriff. Doch fünf Jahrzehnte hat er das gesellschaftliche Leben seiner Heimatstadt auf vielen Sektoren mit geprägt. Sein Leitspruch war: „Wer lacht hat mehr vom Leben!“

Die Familie Konze ist seit Ende des 19. Jahrhunderts in Obernburg ansässig. Sie ist aus Frankfurt am Main zugewandert, nachdem Gukos Vater, Alexander Konze, in Obernburg bei der Obst- verwertungsgenossenschaft (OVGO) die Geschäftsführerstelle antreten konnte und Direktor dieses Unternehmens wurde.

Gustel Konze wurde am 7. April 1900 in Obernburg als Sohn von Alexander und Emilie, geborene Fuchs, geboren, besuchte hier die Volksschule und dann das Gymnasium in Aschaffenburg. Er wuchs mit vier Geschwistern im OVGO-Haus auf. Bruder Ludwig wurde Geistlicher und war u. a. Pfarrer in Wenigumstadt; eine der drei Schwestern ergriff den Ordensberuf und nannte sich Mater Anselma.

Seine Studienzeit verbrachte Gustel in Mittweida in Sachsen. Seine Gattin Gertrud Loesche aus Halle an der Saale lernte er aber in Obernburg kennen, als diese während ihrer Ferienzeit in Obernburg bei der Weinhandlung Robert Semmler arbeitete. Im Februar 1926 führte er sie zum Traualter. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Gerd, Ilse und Ursula, die ihre Eltern mit acht Enkeln erfreuten.

Bei seinem Arbeitgeber, den einstigen Glanzstoffwerken Obernburg, war er von 1925 bis zu seinem frühen Tod 1965 als Technischer Angestellter beschäftigt. Zudem war er Schriftleiter der Werkszeitschrift, die er auch mit zutreffenden Karrikaturen illustierte. Er schuf dabei die Figuren „Fritz und Franz“, die über den Werks-Unfallschutz Zwiegespräche führten. Ferner gab er ein „Unfallbüchlein für Groß und Klein“ heraus.

Fast alle Vereine seiner Vaterstadt schätzten seine Mitgliedschaft und sein Universaltalent. Er hat den Vereinen seinen Stempel aufgedrückt. Auf sein Organisationstalent konnte man bei Festen und Geselligkeiten nicht verzichten.

Einige Vereine hat er aber auch mitgegründet, so die Handballabteilung des einst selbständigen Turnvereins (wurde im Dritten Reich mit der konkurrierenden Turngesellschaft zur Tuspo zwangsfusioniert), die Karnvevalsabteilung KATO, die Tennisabteilung und den Schachclub.

Die 1930 gegründete KATO ging aus den einstigen Faschingskneipen des Turnvereins hervor. Guko war Kneipwart und hatte sich damals als Überraschung einen Elferrat ausgedacht. Doch von den elf ausgewählten Humoristen hatten fünf „gekniffen“. So wurde die erste Elferratssitzung mit nur sechs Humorkanonen bestritten. Natürlich war Guko auch Präsident der KATO.

Gustel hatte geniale Fähigkeiten und war sehr vielseitig. Er war Heimatdichter und Poet, Humorist, Musiker und Sportler. Er verstand sich als Conférencier und Zauberer. Er war Sportler (Handball, Turnen, Tennis, Schach), Humorist und Karnevalist, Alleinunterhalter und Musiker. Er spielte ohne Notenkenntnisse virtuos Klavier ohne es je erlernt zu haben. Auch war er ein Maler. Seine liebsten Motive in Öl waren Stillleben, Landschaften und die Sehenswürdigkeiten Obernburgs.

Dass Gustel Konze ein „Omborscher mit Leib und Seele“ war, bezeugen viele seiner Gedichte und lyrischen Verse, die er meist im Dialekt schrieb. Ungezählte seiner „Werke“ wurden in den Tageszeitungen "Obernburger Bote" und "Main-Echo" sowie in der Glanzstoff-Werkzeitung veröffentlicht; einige aber erst nach seinem Tod im städtischen Mitteilungsblatt „Almosenturm“ bzw. in zwei Gedichtbändchen.

15 Jahre lang verfasste Guko die Glosse „Rund um de Runde Torm“ im „Main-Echo“, für die er auch das Blickfang-Logo – den schmunzelnden Runden Turm – erfand und zeichnete.

Das erste der erwähnten Gedichtbändchen erschien 1984 zur 1900-Jahr-Feier der Stadt unter dem Titel „Rund um de Runde Torm“ mit 136 Seiten um das dichterische Schaffen von Gustl Konze lebendig zu erhalten. Herausgeber waren seine Tochter Ursula und deren Gatte Karl Plöchl. Im Vorwort schrieb der damalige Bürgermeister Wendelin Imhof: „Gustel Konze hat in der Vergangenheit das Obernburger Leben wesentlich mitgeprägt und mit Leben erfüllt. Er ist kein Poet, der Geisteswelten und -entwicklungen beeinflusst hat oder Ausdruck ihrer Strö­mungen war; er war schlicht ein Volksdichter!“ Die Verse, die er uns hinterlassen habe, seien gelebt und erlebt - hautnah empfunden aus dem Alltag. Daher seien sie keine literarischen Extravaganzen, sondern vielmehr Betrachtungen über sich selbst, über den Alltag, das Leben und die Natur. „Seine Verse sind ein Stück eines Menschen, der mit wachen und sehenden Augen durch die Welt ging, der Humor und Lebenslust als eine Gabe Gottes verstand und der seine Empfin­dungen und Freuden gerne mit anderen teile.“

Den zweiten Band „Erinnerungen – Gedichte von Gustel Konze“ mit 152 Seiten ließ der Heimat- und Verkehrsverein (HVV) im März 2000 zum 100. Geburtstag Konzes mit weitgehend bis dahin unveröffentlichten Werken Gukos folgen. In diesem Band sind Werke und Gedichte zu lesen, die auch einen ernsten, nachdenklichen „Guko“ erkennen lassen. Während die humoristischen Verse in Omborscher Mundart verfasst sind, wurden seine, oft besinnlichen Lebens­betrachtungen, in Hochdeutsch geschrieben. Werner Trunk, der damalige HVV-Vorsitzende, betonte in seinem Vorwort: „Der HVV würdigt mit diesem Buch das poetische Schaffen dieses Obernburger Originals und will dazu beitragen, ein Stück ‚Alt-Omborsch’ lebendig zu erhalten.“

Wie vielseitig Guko war, sollen die folgenden Abschnitte zeigen:

Zum Jubiläum „1900 Jahre Obernburg“ verfasste Konze das historische Festspiel „Die Schweden in Obernburg“, das Ende Mai 1984 an zwei Tagen in zeitgerechten Kostümen am Oberen Tor aufgeführt wurde. Einige tausend Zuschauer waren begeistert.

Unvergessen sind seine Tratschweiber „Fraa Schnadderisch un Fraa Schnuffel“, die bei den KATO-Sitzungen (in Gestalt von „Bobberer“ Johann Reis und Oberturnwart Felix Raups) mit ihrem „Omborscher Gebabbel“ das Stadtgeschehen satirisch beleuchteten und manchen Unhold durch den Kakao zogen. Im „Main-Echo“ waren diese hintergründigen Zwiegespräche in den Wochenendausgaben zu lesen. Natürlich trat auch Guko selbst in vielerlei Gestalten bei den Elferratssitzungen der KATO auf und zeigte dort sein schauspielerisches Talent, wie die folgenden Bilder zeigen.

Während des „Tausendjährigen Reiches“ hatte die KdF, die Organisation „Kraft durch Freude“, Gustel als Alleinunterhalter und Zauberer verpflichtet. Die Gäste, mit dem Zug nach Obernburg angereist, wurden von ihm persönlich am Bahnhof abgeholt und zu Fuß zur Stadthalle geleitet (zu jener Zeit der größte Saal am bayerischen Untermain). Dort ließ Guko einmal – und das hat der Schreiber dieser Zeilen selbst erlebt – sein dreieinhalb Jahre altes Töchterchen Ursula von der Bühne verschwinden: Er hatte sie in das dicke Abschussrohr einer Kanonenattrappe („Dicke Berta“) gleiten lassen, die auf eine über der Bühne hängende, mit Ketten verschnürte Holzkiste zielte. Mit einem ohrenbetäubenden Knall wurde das Pulver gezündet – das Kind war verschwunden – und kletterte, dann fröhlich winkend, aus der von der Decke herunter gelassenen Holzkiste. Wie hat Guko das gemacht?, wurde gerätselt.

Der Schreiber dieser Zeilen hat diesen Trick miterlebt und ihn selbst, 20 Jahre später, bei seiner ersten KATO-Büttenrede angewandt, als er als „Geheim-haltungsrat der Dienststelle Blank“ den ersten deutschen Bundeswehrsoldaten (Richard Neeb) präsentierte und nach einem Sirenenalarm von der Bühne verschwinden ließ.

Ab 1926 gab es auch im Verlag des „Obernburger Boten“ alljährlich die Faschingszeitung „DER UHU“, worin Gustel jeweils „Um Omborsch rim und midde dorch!“ ging und schildete, was sich alles in seiner Vaterstadt im Jahresverlauf ereignet hatte. Damals war der UHU bereits fünf Jahre alt.

Daneben war er in der einst bestehenden Theatergruppe, die im legendären „Hirschen-Saal“ das Publikum begeisterte, aktiv.

Wenn der Dichter Guko seine Gedichte in Sütterlin-Schrift verfaßte, dann sah das so aus wie zu Weihnachten 1948, als er das besinnliche Gedicht „Unser Weihnachts-Glauben“ verfasste, das bei der Weihnachtsfeier der Tuspo-Handballer vorgetragen wurde.

 

Unser Weihnachts-Glauben!

Weihnacht – liebes, trautes Wort –
Wieder tönt’s von Ort zu Ort,
Weckt in uns den Kinderglauben,
Läßt uns nicht die Hoffnung rauben
Auf den Frieden in der Welt.

Weihnacht – voller Leid und Schmerz –
Tröstend dringt in jedes Herz,
Zwischen Kummer, Not und Tränen,
neues Licht und neues Sehnen,
Das die dunkle Nacht erhellt.

Stille Nacht – du wirst uns tragen
Jubelnd über banges Zagen.
Wirst uns Kraft und Segen geben
Für ein arbeitsreiches Leben,
Ohne jeden Haß und Neid.

Stille Nacht – mit heißen Händen
Werden Menschen Liebe spenden,
Glocken werden wieder klingen
Und uns endlich Frieden bringen –
Frieden, Glück und Seligkeit!

                                Guko, 48.

Zum Abschluss ein Beispiel für den nachdenklichen, tiefgründigen Gustel Konze:

In seinem Nachlass finden wir folgenden „Epilog“, den Guko zum 1. Januar 1948, in einer schweren Zeit – drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – in Verse fasste und der ihn als philosophischen Poeten charakterisiert:

Das alte Jahr, es ging zu Ende,
Wir stehen heut’ an seiner Wende
Und schauen nochmals kurz zurück. –
Ein Jahr voll Kummer, Leid und Not,
Ein Kampf um unser täglich Brot,
Viel Sorgen und nur wenig Glück!

Trotz allem wollen wir nicht zagen
Und neuen Glauben in uns tragen
Voll Hoffnung undBeharrlichkeit. –
Mag’s stürmen noch so sehr auf Erden
Einmal muss wieder Frühlingwerden
Und mit ihm kommt die Neue Zeit!

Und diese neue Zeit kam tatsächlich: Nach den schweren Jahren des Wiederaufbaus geschah das sogenannte „Wirtschaftswunder“ unter dem damaligen Wirtschaftsminister und späteren Kanzler Ludwig Erhard, dessen stetiger Appell „Maß halten“ heute noch genau so gültig ist wie damals vor nunmehr 60 Jahren.

 Karl Heinz Neeb