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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Ebbelwoigässje oder Äppelwoigassl

Die Obernburger Altstadt zwischen Römerstraße, Kaisergasse, Unterer Gasse und Badgasse hatte sich mit ihren Anwesen über Jahrhunderte in beengten Verhältnissen ohne große Zerstörungen bis zu einem amerikanischer Fliegerangriff am 19. Februar 1945 entwickelt. Damals explodierte eine Luftmine über den Häusern von Anton (Assi) Reis und Thomas Brand (dunkler umrandet) und zerstörte diese Häuser und weitere Gebäude.

Ebbelwoiviertel alt eingefaerbt mit Namen3
Ebbelwoiviertel neu eingefaerbt 3

Im weiten Umkreis wurden Dächer abgedeckt und Fenster zerstört. Bei diesem Angriff erreichte der junge Eduard Probst den rettenden Luftschutzkeller im Hause Heinrich Kempf nicht mehr und wurde von einem Scheunentor, das von dem starken Luftdruck der Mine aus den Angeln gerissen wurde, erschlagen. Willy Elbert und Edgar Raups, die sich während des Angriffs im Haus von Thomas Brand aufhielten, blieben unverletzt.
 

Die beiden Häuser Reis und Brand waren unbewohnbar und mussten mit weiteren Nebengebäuden abgerissen werden, andere Gebäude wurden nach dem Krieg wieder repariert. Durch den Abriss der beiden Häuser und Nebengebäude entstand etwa 1948 ein erster Durchgang zwischen Kaisergasse und Badgasse zwischen den Anwesen Neisse, Klein, Probst und Hefner auf der einen Seite und Elbert, Kempf und Abb auf der anderen Seite. Dieser Durchgang wurde 1952 gepflastert und das führte zu einer lustigen Straßentaufe.

Eine Gruppe um die 20 Jahre jungen Obernburger Studenten und Auszubildenden, angeführt von Erich Ramstöck, der als Student in seinen Semesterferien bei der Stadt arbeitete und beim Pflastern des Durchgangs half, hatte die Idee, diesen Durchgang durch eine Namensgebung aufzuwerten. Erich Ramstöck, Gerd Klemm, Albrecht Kempf, Alfred Bundschuh, Robert Hold, Rudolf Klein, Gerhard Wagner, Günther Schork, Hermann Schollmayer, Rudolf Heil, Claus Reis, Ludwig Oberle, Karlheinz Neeb und Robert (Bobby) Reis beschlossen, den Durchgang auf den Namen „Ebbelwoigässje“ zu taufen, und zwar deshalb, weil die Pflasterarbeiter zu den Arbeitspausen von den Nachbarn immer einen Bembel Ebbelwoi bekamen.

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In der Werkstatt des Malergeschäfts der Gebrüder Reis erstellte der aus dem Sudetenland stammende Otto Daisinger die anzubringenden Straßenschilder, allerdings nicht korrekt im Obernburger Dialekt „Ebbelwoigässje“, sondern mit der nach seiner Meinung richtigen Beschriftung „Äppelwoigassl“.

 

Die lustige Truppe – in Sonntagsanzügen und mit Zylindern ausstaffiert – startete den Taufzug am Stadtcafe Deckelmann und zog feierlich über Römerstraße und Badgasse in den Durchgang vor das Haus Kempf. Den Zug führten Karlheinz Neeb mit der von Robert Hold gefertigten Fahne und Robert Reis mit dem Akkordeon an.

 

 

 

Auf der Treppe verlas Erich Ramstöck, assistiert von Alfred Bundschuh von einer leeren Toilettenpapierrolle in salbigen Worten den Tauftext. Es folgten die Anbringung der Straßenschilder am Haus Kempf und am Haus Elbert (Ecke Kaisergasse) sowie die Taufe des Gässchens mit Ebbelwoi aus einer Gießkanne.

 

 

Die Bevölkerung fand Idee und Durchführung toll, die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Nees zunächst aber nicht, da die ganze Aktion ohne ihren Segen abgelaufen war. Doch die Genehmigung wurde im nachhinein erteilt und das Gässchen blieb unter seinem neuen inoffiziellen Namen „Ebbelwoigässje“ bis heute bekannt, auch wenn das Schild am Haus Kempf bald verschwand (gestohlen oder von einem Anlieger abmontiert). Am Haus Elbert wies das Schild noch lange auf das „Ebbelwoigässje“ hin.

 

Ebbelwoigassl Zeichnung Haus Elbert von Ebbelwoigaessje aus Ebbelwoigassl Kaisergasse 1986 Hausabbruch EbbelwoigassePlatznachUmbau

Die Zeichnung zeigt das Haus Elbert zur Zeit der Taufe 1952 vom „Ebbelwoigässje“ aus. Nach einem Dachstuhlbrand 1981 wurde das Anwesen Elbert abgerissen und es entstand ein freier Platz, der zusammen mit dem „Ebbelwoigässje“ im Rahmen der Altstadtsanierung nach 1985 neu gestaltet wurde.

Dr. Erich Ramstöck, der seit vielen Jahren in Füssen lebt, fühlt sich noch immer stark mit seiner Heimatstadt Obernburg verbunden und denkt gerne an die Taufe 1952 und den Obernburger Ebbelwoi zurück. In seiner Rentenzeit hat er nun eine ca. 1,10 m hohe Figur eines Jungen aus Ytong gestaltet, der mit einem Bembel Ebbelwoi aus dem Keller kommt. Diese Figur will die Familie Ramstöck auf ihre Kosten in Bronze gießen und mit Unterstützung des Heimat- und Verkehrsvereins und der Stadt im „Ebbelwoigässje“ aufstellen lassen. Damit würde 60 Jahre später in hervorragender Weise an die Tauffeier von 1952 und den Obernburger „Ebbelwoi“ erinnert werden. Der Familie Ramstöck gebührt dafür unser aller Dank.

Heinz Janson

Ebbelwoigassl Figur von vorne

Dr. Erich Ramstöck bei der Arbeit