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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Der Mittlere Höhenweg oder “Franzosenweg”

Ein Teil des im Mai 2006 eröffneten „UNESCO-Geopark-Kulturpfades Obernburg 1“ ist der Mittlere Höhenweg. Auf dem „Römerspaziergang“ hoch über den Dächern der Obernburger Altstadt kann man etwa einen Kilometer auf halber Höhe des Stadtberges laufen und dabei schöne Ausblicke auf die Stadt, ins Maintal und auf die Spessartberge genießen. Warum dieser Panoramaweg im Volksmund „Franzosenweg“ genannt wird, geht auf die Entstehungsgeschichte im Zweiten Weltkrieg zurück.

Jahrhunderte lang wurde der Berghang westlich der Altstadt für den Anbau von Reben genutzt. Die Winzer konnten ihre steilen Wingerte jedoch nur von der Bergstraße aus mühsam bewirtschaften. Etwa um 1880 kam in Obernburg der Weinbau durch das Aufkommen der Reblaus zum Erliegen und die terrassierten Osthänge wurden in der Folgezeit teilweise mit Obstbäumen bepflanzt oder als karge Wiesen genutzt. Viele der schmalen Grundstücke verwilderten.

Im Rahmen der Autarkiebewegung des Dritten Reiches entstand nach 1933 der „Dr.-Hellmuth- Plan“, benannt nach dem mainfränkischen NS-Gauleiter Dr. Otto Hellmuth. Der Plan sollte die Bedingungen für die Landwirtschaft verbessern.

Die Stadtverwaltung unter dem NSDAP- Bürger- meister Heinrich Störrlein stellte deshalb am 3. September 1940 einen Antrag an das Kulturamt Aschaffenburg, einen Wirtschaftsweg durch die früheren Weinberge anzulegen: „Die Zu- und Abfuhr, die Düngung und die Schädlings- bekämpfung soll verbessert werden. Da gegen- wärtig viele Kriegsgefangene zur Verfügung stehen, könnte diese Maßnahme in Kürze aufgenommen werden“, fügte Störrlein hinzu.

Die Feldzüge gegen Polen und Frankreich hatten nämlich 1939/40 Hunderttausende von Kriegsgefangenen ins Reich gebracht. Einige davon waren auch in einem Barackenlager auf dem früheren Tennisplatz unterhalb der Frühlingsstraße untergebracht. Nach dem Antrag der Stadtverwaltung sollte ein 1,2 km langer Wirtschaftsweg auf halber Höhe des Stadtberges angelegt werden und die früheren Weinberge der Flurgemarkungen Pfaffenberg, Schenkenberg, Stadtberg, Norbel und Rothenberg erschließen. Er sollte am Steinbruch beim Jahnhügel (früheres Schießhaus) beginnen und am Kriegerplatz (vor der heutigen evangelischen Kirche) enden.

Kurz nach der Antragstellung lief im Obernburger Rathaus die Sammlung der Einverständniserklärungen von den etwa 70 Grundbesitzern an. Jeder einheimische Bodeneigner sollte sein Einverständnis für den Wegebau und die damit verbundene unentgeltliche Abgabe des Bodens durch Unterschrift bestätigen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die damalige nationalsozialistische Stadtführung mit Grundstücksbesitzen umging, die nicht einverstanden waren oder Entschädigungen forderten. „Bedauerlich ist es, dass Sie nicht begreifen, dass wir heute ein Großdeutschland haben und dort das Führerprinzip herrscht. Nebenbei haben wir Gott sei Dank dank unserem Führer und seiner gesunden Idee die Volksgemeinschaft erhalten und dieser Höhenweg ist ein Stück Volksgemeinschaft. Wollen Sie sich wirklich abseits stellen?“, schrieb Störrlein an eine Frau im Rheinland.

Ein Landwirt, der wegen seiner Einberufung zur Wehrmacht nicht persönlich seine Interessen vortragen konnte, beschwerte sich bei der Gendarmeriestation in Obernburg, weil ohne sein Einverständnis der Treppenaufgang (die Himmelsleiter) von der Runde-Turm-Straße über sein Obstbaumgrundstück zum Höhenweg begonnen worden war. Er und seine Frau wurden daraufhin diffamiert, dass ihnen die nationalsozialistische Einstellung fehle und sie weder eine Spende für das Winterhilfswerk gegeben und noch bei keinem Eintopfessen teilgenommen hätten. Schließlich musste die Stadt doch einen Schätzpreis für den vereinnahmten Grundstücksstreifen für den Treppenaufgang bezahlen.

Franzosenweg Weg und rechts Steine

Blick auf den bewaldeten Stadtberg vor dem Bau des "Franzosenweges"

 

 

 

 

Noch im Herbst 1940 wurden bei der Firma Oberle, Elsenfeld, Schienenstränge für eine Feldbahn mit Loren bestellt.

 

 

 

Offensichtlich begannen nun auch die Arbeiten für die Anlage des Weges mit französischen Kriegsgefan- genen. Der Einsatz der Gefangenen ist aus den Akten nicht mehr nachzuweisen, weil belastendes Akten- material am Kriegsende von der national- sozialisti- schen Stadtverwaltung verbrannt wurde.

 

 

Jedoch filmte der damalige Drogeriebesitzer Fritz Schuck einige Male die Baumaßnahmen. (Diese Filmaufnahmen sind als Video auf dem Rathaus vorhanden). Nach Plänen des Kulturamtes gruben die Männer den Berg hangseitig ab, schütteten das angefallene Material zu einem etwa fünf Meter breiten Weg auf, verlegten Betonrohre zum Wasserablauf an der Alten Hohl oberhalb der OVGO und am Taubenloch und bauten eine Stützmauer entlang des Oberen Neuen Weges.

 

 

 

Die Stadt stellte als Vorarbeiter den Polier Michael Babylon sowie Jakob Vad und musste ansonsten nur geringfügige Kosten für den Wegebau übernehmen.

Ansichten von 1941 (links)  und 2006 (mitte und rechts)

Als im Sommer 1941 die Bauarbeiten beendet waren, hatte der neu angelegte Weg gleich seinen Spitznamen: „Franzosenweg“ hieß er, weil ihn französische Kriegsgefangene mit ihrer Hände Arbeit und wenigen technischen Hilfsmitteln mitten im Zweiten Weltkrieg gebaut hatten. 

Heute ist der Mittlere Höhenweg eine teilweise geteerte Straße, die als Zufahrt zu einigen Wohnhäusern dient und für Fußgänger auch über die Treppenanlage “Himmelsleiter” von der Bergstraße aus erreichbar ist. Der Obstbau spielt heute keine Rolle mehr, dafür ist der „Franzosenweg“ aber als Spazierweg wegen seiner schönen Aussicht sehr beliebt.

Helmut Wörn

Die rote Linie zeigt den Verlauf des Mittleren Höhenweges.