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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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“Besch” und Main - vor 70 Jahren und heute (2009)

Bezold Kochsmühle Gesamtareal

In diesem Beitrag möchte ich mit einigen Jugenderinnerungen in die Vergangenheit entführen, in der manches besser, aber auch vieles schlechter war als heute. Im Mai 1934 wurde ich in der Kochsmühle, der heutigen Musikschule, geboren. Das Schöne war, dass damals unter der Mühle noch ein rauschender Bach floss und tausende Fische sich im Wasser tummelten. Dieses Wasser kam von der Mümling und wurde am Wehr in den Mühlbach abgeleitet. Ich kam also auf dem Wasser daher, wie Moses, nur nicht im Binsenkörbchen. Natürlich war unsere Jugendzeit von dem Thema Wasser geprägt. Der Mühlbach, sprich: die "Besch", war ein herrliches Spielelement, aber auch ein sehr gefährliches. Ich erlebte drei tödliche Unfälle, bei denen Kinder ertrunken sind. Zwei dieser Kinder waren zu Besuch in Obernburg und für sie war die große Gefahr fremd, als sie am Wasser spielten. Das war die negative Seite der "Besch".

Das Wasser hatte aber auch sehr schöne Seiten, vor allem für uns Jugendliche. Viele von uns freuten sich zum Beispiel jedes Jahr auf den Annatag. Nicht unbedingt wegen der gewaltigen Predigt, die von der Kanzel der Annakapelle gehalten wurde; es hatte einen ganz anderen Grund. In dieser Zeit wurde nämlich die "Besch" abgelassen, das heißt, der Mühlbach war eine ganze Woche fast ohne Wasser. Diese Maßnahme war notwendig, um den Bachlauf zu säubern. Es wurden große Mengen Wasserpflanzen entfernt. Auch angespülte Sandbänke wurden mühevoll aus dem Bachbett geschaufelt. Diese Hindernisse bremsten den Wasserfluss. Die Folge war, dass die Knechtsmühle, nahe der Annakapelle, nicht den vollen Druck auf die Turbine bekam und dadurch leistungsschwächer wurde.

Bezold Besch abgelassen

Während dieser Säuberung war natürlich kein oder nur sehr wenig Wasser im Bachbett. Die Älteren unter uns werden nun ahnen was kommt. Bei uns Buben löste dieser Zustand eine ungeheure Jagdleidenschaft aus. Das abgeflossene Wasser hinterließ in den teils flachen aber auch stellenweise tiefen Pfützen zahlreiche Fische und auch Aale.

Mit den bloßen Händen versuchten wir einige von ihnen zu fangen. Mal gelang es, manchmal auch nicht. Diese Fische zu holen war nicht ganz legal, aber es wurde geduldet, da die Fische nach zwei, drei Tagen sowieso verendet und verdorben wären.

Bezold Hochwasser

Die "Besch" brachte früher auch öfter Hochwasser. Manchmal kam das Hochwasser so schnell, dass wir kaum das Nötigste ins Trockene bringen konnten. Einmal mussten wir sogar am Heiligen Abend vor dem Wasser fliehen und bei Nachbarn Unterkunft suchen.

Für uns Kinder waren Hochwasser natürlich ein riesiges Spektakel. Wir konnten ein paar Bretter zusammen nageln und mit diesem Gefährt auf dem Wasser im Hof der Kochsmühle herum paddeln. Was für uns Kinder eine große Freude war, machte unseren Eltern natürlich viel Sorge.

Aber bei all den negativen Begleiterscheinungen war die "Besch" ein sehr belebendes Element und eine schöne Bereicherung des Stadtbildes von Obernburg. Noch heute hört man viele ältere Obernburger wehmütig von dem quirligen Bach erzählen. Meiner Meinung war es ein großer Fehler den Mühlbach sterben zu lassen. Gab es wirklich keine andere Möglichkeit? Vielleicht hätte man mit einigen baulichen Maßnahmen dieses Kleinod erhalten können.

Bezold Blick vom Main auf Obernburg vom Badeplatz

Im Laufe der Zeit verlegte sich unser Spielplatz dann an das Mainufer. Da komme ich zu einem Thema, über das man wenig Gutes aber viel Schlechtes schreiben kann. Der Main, früher ein intakter, lebenssprühender natürlicher Fluss. Heute nur noch ein nackter Kanal, der die Schifffahrt bedienen muss und Strom erzeugen soll. Ausgebaggert, die Ufer mit riesigen Steinquadern beworfen und alles was stört weggeräumt. Wo sind die herrlichen, einige Meter breiten Schilfgürtel geblieben? Wo sind die Schilfinseln, die oberhalb der alten Badeanstalt waren? Wo sind die reichlich da gewesenen Lich-Vorkommen auf der Elsenfelder Seite. Lich wurde vom Fischer geerntet und an die Küfer als Dichtungsmaterial für die Fässer verkauft. Wo sind die Unterwasserpflanzen wie z. B. Laichkräuter, Armleuchtergewächs oder die Wasserpest? Dieses Kraut hat zwar keinen schönen Namen, sieht aber schön aus und ist ganz wichtig als Zufluchtstätte für die Fischbrut. In der alten Fähreinfahrt am Fährhäuschen, waren sogar Seerosen und Hahnenfussgewächse zu sehen.

Wo sind all diese Herrlichkeiten geblieben? Die Anpassung an den Fortschritt hat sie gierig aufgefressen und kaum ein Laichkraut übrig gelassen. Auch die hunderte Frösche, die im Sam (Wasserkraut) abends ihr lautes Konzert gaben, sind verschwunden. Kein Wunder, dass keine Störche kommen, sie würden glatt verhungern. Auch der Graureiher wird schon seltener. Wenn es so weitergeht hat selbst der Kormoran keine Nahrung mehr, denn die Fische sind auch, bis auf einen kleinen Restbestand, dezimiert. Daran hat sich der Kormoran aber auch selbst sehr beteiligt. Etwas muss man allerdings auch sagen, der Main war in den letzten Jahrzehnten noch nie so klar wie zur Zeit. Aber man hätte das auch erreichen können ohne den riesigen Verlust an Natur.

Wenn ich jetzt wieder zurückkomme auf meine Jugendzeit wird man verstehen, warum ich so engagiert über den Main schreibe. Mit sechs Jahren hatte ich meine erste große Begegnung mit dem Fluss. Mein Bruder Alfred, der in Stalingrad gefallen ist, nahm mich mit zu einem Nachtfischen. In der Abenddämmerung fuhren wir mit dem Obernburger Berufsfischer Franz Österlein, dem letzten Vertreter einer großen Fischerzunft, bis an die Mümling-Mündung, gegenüber der damaligen Glanzstoff (heute ICO). Dort wurden die ersten Netze quer über den Fluss gestellt.

Mich packten sie in eine dicke Decke, in der ich dann auch schnell einschlief. Um Mitternacht wurde ich geweckt, denn die Netze wurden nun eingeholt. Ich kann sagen, das war unbeschreiblich spannend als das Netz über den Kahnrand gezogen wurde und die Barben, Bräsen, Plötzen, Hechte und Rotaugen in den Kahn purzelten. Welch ein riesiges Erfolgserlebnis und die Belohnung für die harte Arbeit.

Mit acht oder neun Jahren war ich dann ständiger Begleiter von Franz. Nachdem die Schulaufgaben und häuslichen Arbeiten, die es ja damals noch reichlich gab, erledigt waren, rannte ich voll Freude zum Fischer hin. Besonders arbeitsintensiv war der Aalfang. Hier mussten wir schon Tage vorher kleine Köderfische fangen. Dabei steuerte ich den Kahn und Franz versuchte mit dem Hebgarn am Ufer entlang kleine Fische zu fangen. Dann wurden möglichst rechteckige Steine in den Kahn eingeladen. Für diese Steine hatte Franz an einer bestimmten Uferstelle einen Lagerplatz, so dass wir die Steine immer wieder benutzen konnten. Dann waren noch die Aalschnüre erforderlich. So eine Aalschnur war 15 Meter lang und hatte 12 dünnere Hakenschnüre.

In der Abenddämmerung wurden diese Schnüre mit den Köderfischen bestückt und mit den Steinen quer zum Fluss verlegt. Am Schilf wurde an dieser Stelle ein Papierzeichen angebracht, damit man die Aalschnüre wiederfand. Am nächsten Morgen wartete Franz schon um vier Uhr am Ufer auf mich. Die Zeit drängte, denn ich musste um acht Uhr in der Schule sein. Diese morgendliche Stimmung mit der allmählich einsetzenden Morgendämmerung bis hin zum ersten Sonnenahnen und schließlich der erste Sonnenstrahl, einfach unvergesslich schön.

Das Ganze bei absoluter Stille, kein Autolärm, Schiffe fuhren damals nicht nachts. Man hörte nur ab und zu ein Käuzchen schreien oder ein Schilfvogel flog erschreckt auf. Ansonsten war nur das Wassergeplätscher am Bug des Kahns oder das Springen eines Fisches zu hören. Die Nebelschwaden zogen über die Wiesen und darin stand immer wieder mal ein Fischreiher so unbeweglich, als wäre er aus Stein gemeißelt.

Das Heben der Schnüre erforderte viel Geschick, Gefühl und Erfahrung. Ich durfte den Kahn steuern und Franz suchte mit dem "Kringel" den Grund ab. Der "Kringel" war eine 3-4 Meter lange Stange mit einem eisernen Kopf. Dieser Kopf hat einen starken Zahn und einen Haken. Mit diesem Haken wurde die Schnur gesucht und gehoben. Der Fischer spürte dann ziemlich schnell, ob an der Schnur etwas hing oder nicht. Es zuckte dann sehr an der Schnur und Franz konnte mit dem Kescher den Fang einholen. Manche Aalschnur fanden wir auch nicht mehr. Entweder hatte sie ein schwerer Fisch weggezogen oder Treibgut hatte sie mitgenommen. Direkt am Almosenturm stand ein Ofen, in dem die Aale geräuchert wurden. Auch ich bekam einige Aale als "Belohnung" für meine Bemühungen. Die Aale war damals eine wertvolle und köstliche Ergänzung der Mahlzeiten.


Eine Begebenheit ist mir noch in besonderer Erinnerung. Wir waren gegen Abend beim Fischen kurz unterhalb von Erlenbach in der Flussabteilung "Im Kronisch". Die Fische gingen willig und zahlreich ins Netz. Da zogen dicke Wolken auf und es dauerte nicht lange bis es in Strömen regnete. Wir holten schnell die Netze aus dem Wasser und warfen uns das immer im Kahn vorhandene "Ölzeug" über. Das Netzeinholen gelang natürlich beim Regen nicht so gut wie normal. Wir waren zu dritt im Kahn. Der "dritte" Mann könnte man sagen war oft sehr impulsiv und schnell erregt. Kurz, er fluchte wie ein Rohrspatz. Da waren ganz fürchterliche Ausrufe und Verwünschungen dabei. Mir, als Kommunionbub, ging das durch Mark und Bein.

Da fing es auch noch an zu blitzen und zu donnern. Mir fuhr ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Und vor meinem geistigen Auge sah ich die Bibelstelle von den Jüngern auf dem See, die vor Todesangst zitternd, die letzte Stunde erwarteten. Ich dachte wir würden jeden Moment auf den Grund des Maines fahren. Aber zum Glück erinnerte ich mich auch an die Stelle in der Bibel, wo von den "Kleingläubigen" die Rede ist. Das war für mich wieder beruhigend.

Das Fahren eines Kahnes mit dem Fahrbaum war besonders reizvoll. Dabei brauchte man schon einige Kraft und einige Geschicklichkeit. Der Fahrbaum war auch eine 3-4 Meter lange Holzstange mit zwei spitzen Eisenzapfen und so dick wie eine Baumstütze. Der Baum wurde in den Grund gestoßen und man konnte den Kahn damit nach vorne schieben. Auch das Fahren mit dem Paddel musste man erst einmal erlernen und üben. Da gab es dann zwei Befehle vom Fischer: "Reihab" oder "Wasser". Bei "Reihab" musste man das Paddel unter den Kahn stechen und das Wasser nach außen drücken. Dann lief der Kahn nach rechts. Bei dem Befehl "Wasser" stach man den Paddel etwas entfernt von dem Kahn in das Wasser und zog ihn kräftig zu sich heran. Somit lief der Kahn nach links.

Diese Technik war besonders gefragt, wenn die großen Netze ausgestellt wurden. Sie wurden nachts quer zum Fluss und tagsüber am Schilf entlang ausgelegt. Die Fische flohen Richtung Flussmitte und der eine oder andere blieb im Netz. An manchen Tagen mussten man schon viel "Petri Heil" haben, um dann auch bei einem erfolgreichen Fischzug "Petri Dank" sagen zu können. Die Netze mussten nach dem Fang unbedingt getrocknet werden. Dazu wurden sie an den Bäumen unterhalb der alten Badeanstalt aufgehängt, wo auch die Ankerstelle des Fischerkahnes war. Oft mussten auch Netze repariert werden, Franz beherrschte noch diese Knüpftechnik.

Bezold Fischerkähne am Main

An dieser Anlegestelle waren auch so genannte Fischkästen verankert. Diese waren etwa zwei Meter lang, 60 cm breit und 50 cm hoch. Sie hatten nach allen Seiten viele ein Zentimeter große Löcher, durch die das Wasser ein- und ausströmen konnte. Die Fische hatten dadurch immer frisches Wasser. In diese Fischspeicher kamen die Fische, die von Montag bis Donnerstag gefangen wurden. Am Donnerstag und Freitag kamen dann die Obernburger Fischfreunde an das Ufer und holten sich für Freitag eine Portion Backfische oder auch mal einen Hecht, Schleie, Karpfen oder Aal. Auch die Obernburger Wirte wurden regelmäßig mit Fisch beliefert.

Bezold Main Obernburg TS 064

(TS)

So weit ein kleiner Rückblick in meine Jugendzeit. Der eine oder andere hatte bestimmt ähnliche Erlebnisse.

Adolf Bezold