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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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Berufsfischerei auf dem Main in Obernburg
Eines der ältesten Handwerke am Main war das des Berufsfischers. Keinen Berufsstand hat die Wasserverseuchung durch die Industrie, die  Flussbegradigung und Kanalisierung und der Bau der Staustufen und Schleusen so empfindlich getroffen wie den der Fischerei. Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts galt der Main als der fischreichste Fluss in  Europa. Das galt vor allem für die stillen Altwasserarme, Überbleibsel früherer Flussrinnen. Auch später noch, als durch den Bau von Wasserbauten, so genannten Buhnen (steinernen Längsdämmen, die parallel zu beiden  Ufern verliefen und für eine tiefere Schiffsrinne in der Flussmitte sorgten) mit Flusskorrekturen wegen der Dampfschifffahrt begonnen wurde, fanden die Fische noch ideale Laichplätze in dem stillen Wasser der Buhnen  und deren Querdämmen. Gottseidank wurden inzwischen große Anstrengungen unternommen, den Main wieder so sauber wie möglich zu bekommen und mittlerweile gibt es auch wieder Fische im Main und einige Fischer, die sie  berufsmässig fangen.

Am Beispiel der Obernburger Fischerfamilie Weiler wird diese Entwicklung deutlich. Viele Generationen liegen zwischen dem 1650  verstorbenen Peter Weiler, dem ersten, und Gregor Weiler (1876 - 1959) dem letzten Obernburger Berufsfischer. Peter Weiler begründete eine Familientradition, die sich stets auf den Erstgeborenen vererbte, über acht Generationen hinaus. Gregor, der in der Unteren Gasse 23 zu Hause war, wurde von seinem Vater Fridolin in der Kunst der Mainfischerei ausgebildet. 13 Jahre war er alt, als ihn sein Vater in seinem Nachen mit zum Fischfang nahm.

Damals lebten in Obernburg neben ihm nur noch drei Fischer. Zu Fridolin Weilers Zeiten, als die Fischerei noch einträglicher war, ernährten sich auch die Obernburger Fischerfamilien Dölger,  Reichert, Peter und Wilhelm Reis und Helm von der Fischerei. Im Main gab es damals noch knapp 40 Fischarten. Der Absatz war gut, da Fische für die Ernährung der Bevölkerung eine große Rolle spielten. Die  Fische waren schmackhaft, weil das Wasser noch rein und sauber war.

Oft standen viele Hausfrauen mit Körben und Taschen bei der Anlandung am Main, um aus erster Hand die noch lebenden Fische zu kaufen. Die  Weißfische aus dem Main waren zwar voller Gräten, aber paniert und goldknusprig in der Pfanne gebraten trotzdem köstlich. Was nicht auf einmal verkauft werden konnte, wurde in Fischkästen in das fließende Wasser  gehängt.

Der Bruder von Gregor Weiler, Franz Weiler, war auch bis 1922 Fischer. Er hat in seinen Erinnerungen, die von der Jahrhundertwende bis in die  zwanziger Jahre reichen, einige interessante Informationen hinterlassen:

"Die Jahre 1904 und 1905 waren gute Jahre. So wurden am 2. Januar 1904 an einem Tag drei Zentner Barben gefangen. Hierzu ist zu sagen,  dass der Fang dieser so genannten "Eisbarben" nur deshalb möglich war, weil glasklares Wasser sein musste, um bis auf den Grund sehen zu können. Mit einem käscherähnlichen Gerät und einer langen Stange  wurden sie in den Kahn befördert. Es war bei großer Kälte kein leichtes Handwerk.

Die Jahre 1907 und 1908 waren noch besser. Von Ende Oktober bis November wurden ca. 20 Zentner angelandet. Diese Fische wurden mit 30 bis 40  Mark pro Zentner nach Aschaffenburg, Groß- und Kleinwallstadt, Großostheim usw. verkauft. Wichtig und erträglich war auch die Eisgarn-Fischerei. Anfang März im Jahre 1909 waren die Wasserbauten mit einer dicken  Eisdecke bedeckt. Diese musste in mühseliger Arbeit losgehackt werden, um die Netze legen zu können. Es wurden an einem Tag vier Zentner Bresen, 20 Pfund Hechte, Rotaugen und Barsche gefangen. Zu bemerken ist, dass  bei oben erwähnter Eisgarn-Fischerei zwei Nachen mit vier Mann beteiligt waren. Außer mir und meinem Bruder Gregor waren noch Gustav und Anton Dölger dabei.

1910 und 1911 waren weniger gute Fischjahre. Durch eine lange Trockenheit im Sommer war das Wasser sehr klein. 1912 war dann ein nasses Jahr,  das sich sehr schlecht in der Fischerei und auch im Feldbau bemerkbar machte. Die meisten Äcker lieferten nicht einmal das, was gesät und gesetzt wurde. 1914, als bereits der Krieg ausgebrochen war, gab es dann den  Sommer hindurch und besonders im folgenden Winter wieder sehr viele Fische. Bemerkenswert ist ein Hochwassertag im März, wo wir mit dem Breitgarn 60 Pfund Hechte gefangen haben.

Im Februar 1920 fingen wir nach Entfernen des Eises an der Einlandung auf der Elsenfelder Seite 15 Zentner Fische, welche uns der  Aschaffenburger Händler Mayer für 200 Mark pro Zentner abkaufte. In den kommenden Jahren gab es mitunter noch gute Fänge. Es kam wieder einmal ein guter Barbenwinter, das Wasser war wochenlang sehr klar. Das nützten  wir natürlich reichlich aus.

Berufsfischerei Fischernetze_am_Main

Die Fänge wurden in der Hauptsache in großen Weidenkörben nach Ludwigshafen und Mannheim verschickt. Es war nur schade um das viele Geld, das  bei der damaligen Zeit wenig Wert hatte. Nachzutragen ist noch, dass wir bei einem großen Hochwasser neben der Staatsstraße nach Wörth vier große Hechte fingen. Diese wogen zusammen über 60 Pfund.

Im Jahre 1922 hatten dann die Fische wieder sehr abgenommen. Durch den Bau der Glanzstoff-Fabrik gab es bessere Verdienstmöglichkeiten. Ich,  Franz Weiler, entschloss mich dort die Arbeit aufzunehmen und wurde im August eingestellt."

Gregor Weiler fuhr bis in die dreißiger Jahre regelmäßig, dann nur noch ab und zu zusammen mit Franz Österlein mit seinem Nachen zum  Fischfang. Danach starb die Fischerei in der Familie Weiler aus. Die Söhne Ferdinand und Fridolin ergriffen andere Berufe.

In der Zeit des 2. Weltkrieges und danach setzte Franz Österlein die Fischerei fort. Aber ein richtiger Lebensunterhalt war in diesem alten  Handwerk nicht mehr möglich.

Früher war der "Karpfen" abends Treffpunkt vieler Gäste. Das ganze "Mainprotokoll" versammelte sich hier zu einem Trunk.  Zum Mainprotokoll gehörten neben den Fischern und Schiffern alle, die sich irgendwie vom Main ernährten - damals also auch noch die Leinreiter, Sandschöpfer und Steinmetze. Und natürlich gab es dabei viel zu  erzählen. Einige Geschichten sind überliefert:

Ein gewisser Paulus Krank, der in fast allen deutschen Flüssen gefischt hatte, stieg einmal mit seinen Obernburger Fischersfreunden in den  Nachen, um in der Mümling die Netze auszuwerfen. Wie es kam, weiß keiner mehr, jedenfalls fiel der Paulus ins eiskalte Wasser und wäre beinahe ertrunken. Als er wieder schnaufen konnte, stieß er entsetzt aus:  "Jetzt war ich im Rhein, im Neckar und in der Donau. Ich tät' mich zu Tod schäme, wenn's jetz heiße dät, ich wär in der Eisebacher Bäsch versoffe!"

Mit Vorliebe wurde auch in der Mümling gefischt, die teilweise zu den Fischgründen der Obernburger gehörte. Der Dölgers Eugen und der Weilers  Adam fuhren mit ihren Nachen bis zum Wehr der Kochsmühle und trieben dem Reise Peter, dem Michael und dem Fridolin Weiler, dem Emmerich und dem Jakob Reichert und den Gebrüdern Helm drunten an der Mündung die  laichenden Fische in die Netze. Einmal regnete es bei dieser Arbeit. Die beiden Helm-Fischer, die an der Mündung mit den anderen auf den Fischsegen warteten, krochen in einen schützenden Strohhaufen. Als der Weilers  Adam, der ein Schalk war, mit seinem Nachen die Mümling herunter kam, fragte er nach den "Schnätzern" (Spitznamen für die Gebrüder Helm). Die anderen zeigten auf den Strohhaufen und der Adam zündete ihn  kurzerhand an. Dem Josef Helm brannte sein Schnurrbart lichterloh, als er aus dem Stroh herauskroch und um Hilfe kreischte.

Oswald Ziegler, ein Schwager von Gregor Weiler, brachte oft mit einem Schubkarren den Fisch bis nach Bad König oder Seligenstadt. Nach dem  Verkauf der Ware in Großostheim genehmigte sich der gute Oswald einen über den Durst. Bedenklich schaukelnd packte er den Karren von rückwärts und zog ihn hinter sich her. An der langen "Schosse" (heute  B469) wurde er so müde, dass er das Gefährt fallen ließ und sich darin schlafen legte. Stockdunkel war es, als er in seinem Schubkarren wieder erwachte. Er sprang auf und packte ihn diesmal von vorne, um ihn vor  sich herzuschieben, vergaß aber, sich dabei umzudrehen. Erst als er in Stockstadt statt in Obernburg war, merkte er seinen Irrtum und fragte einen späten Passanten. "Wo bin ich dann? Es is heit alles ganz  annerscht!"

Manchmal mussten sich die Fischer auch nach einem Nebenverdienst umschauen. Sie ersetzten dann den Bagger, indem sie mit einem besonders  geformten Schöpfgerät den Sand aus dem Maingrund schöpften, um ihn an Handwerker und Baufirmen zu verkaufen. Jakob Krank und Emmerich Reichert waren auch wieder einmal bei dieser Nebenarbeit zwischen Obernburg und  Wörth, gleich am "Kranichswäldchen". Der Nachen war fast bis an den Rand voll und Emmerich sagte zum Jakob: "Hör uff!" Der Jakob aber holte noch ein Schöpfchen vom Maingrund "fürs Kaufmann's  Lieschen" und noch eins "für des, wo nei de Maa fällt" - und als er so sprach, sackte der sandbeladene Kahn samt den Männern auf den Grund. Bis an die Brust standen sie im Wasser und hatten alle Hände  voll zu tun, unter Wasser ihr Gefährt wieder zu entladen.

Sicher war die Fischerei in dieser Zeit nicht immer lustig, galt es doch bei Wind und Wetter auf dem offenen Nachen sein Brot zu verdienen.  Gregor Weiler betrieb noch so nebenbei die Winzerei. 1905 wurde bei den Weilers in der Unteren Gasse die letzte Häckerwirtschaft mit Obernburger "Höllenberger" eröffnet. Und dazu gab's natürlich selbst  gefangene Mainfische.

Heinz Janson, nach Unterlagen von Resi Priol, einer Tochter von Gregor Weiler