Die Chronik berichtet über das Programm: "Lieder des Männergesangvereins (Leitung Schulrat Zink) und Musikstücke der Stadtkapelle (Leitung Kapellmeister Walter, Klingenberg) künden morgens um 6 Uhr den Beginn des Festes an. Nach dem Hauptgottesdienst bringt der Dampfer “Rheinlust” eine große Anzahl Gäste aus dem Untermaingebiet nach Obernburg. Die Stadtkapelle gibt vor dem Rathaus ein Standkonzert, in den Pausen führt die Turnerinnengruppe von Thomas Schollmayer Volkstänze und Reigen auf. Um 14.30 Uhr unternimmt der Obstbauverein (Bezirksamtmann Dr. Kilian) eine Führung durch die Obstfluren am Stadtberg. Die Kapelle Haun aus Elsenfeld spielt im OVGO-Pavillon und die Stadtkapelle gibt ein zweites Konzert. Der größte Teil des Festes wickelte sich jedoch in den Gaststätten ab; so wird von “Tanzbelustigungen” vor allem im “Hirschen” und im “Anker” berichtet. Einen eigentlichen Festplatz gab es noch nicht, lediglich am Main eine 'Reitschule'.”
Die Jahre bis zum Zweiten Weltkrieg Im Jahre 1932 fand das Fest an beiden Pfingsttagen (15. und 16. Mai) statt. Wieder gehörten Gesangs- und Musikdarbietungen zum Hauptprogramm. In der Chronik kann man lesen: “Der Fremdenbesuch an beiden Tagen war sehr gut, was neben den an Gasthäusern hinterstellten Krafträdern, Autos und Fahrrädern sowie auch durch den starken Personenverkehr im hiesigen Bahnhof besonders bewiesen wird.”
Ein Jahr später, 1933, bekam das Blütenfest bereits eine politische Färbung. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei veranstaltete zusammen mit dem “Fest der Apfelblüte”- wie das Apfelblütenfest damals genannt wurde – den “Deutschen Tag”. Kein Wunder, dass man am 13. und 14. Mai im alten Römerstädtchen wenig vom herkömmlichen Apfelblütenfest spürte. Die “Hitler-Warte” an der Buchhölle wurde eingeweiht und die Adolf-Hitler-Straße (Lindenstraße) und die Horst-Wessel-Straße (heute Hubert-Nees-Straße) wurden getauft. Kundgebungen mit großangelegten Reden wurden gehalten. Marschmusik ertönte auf dem Turnplatz, wo 1000 SA-Leute verpflegt wurden.
Zwölf Monate später feierten die Obernburger wieder “ihr” Apfelblütenfest – zwar nur in kleinem Rahmen, aber dafür wurde es nicht zu politischen Demonstrationen missbraucht. Ein Vortrag über die Physiologie der Obstblüte, gehalten von Bezirksfachberater Seitzer im “Löwen-Saal” gehörte ebenso zum Programm wie ein humoristischer Abend mit dem Frankfurter Rundfunkhumoristen May Jaa, den der Wirt des Gasthauses “Ludwigskeller”, Felix Reis, verpflichtet hatte.
Über den Festverlauf 1936 wird berichtet, dass wieder zahlreiche Gäste nach Obernburg kamen. Das Passagierschiff “Walküre” brachte Gäste aus Aschaffenburg, der Männergesangverein “Concordia” Darmstadt traf in drei Omnibussen ein, die Musikkapelle Walter erfreute die vielen Zuhörer mit einem Standkonzert in den Mainanlagen.
Hauptanziehungspunkt war jedoch der erste Blütenfestzug, der sich durch die Straßen der Stadt bewegte. Märchengruppen waren zu sehen und auf einem Festwagen war die “Sonnenkönigin mit den putzigen kleinen Sonnenstrählchen” zu bewundern. Ausstattung und Durchführung des Zuges hatten die Schwestern der Mädchen- und der Handarbeitsschule bewerkstelligt.
Immer größer, ideenreicher und stattlicher wurde in den folgenden Jahren der Blütenfestzug, bis das Fest 1939 einen vorübergehenden Schlusspunkt brachte. Das größte und letzte Blütenfest vor dem Zweiten Weltkrieg wurde vom 13. bis 15. und vom 20. bis 21. Mai gefeiert.
Während in der Weltpresse von der drohenden Kriegsgefahr gesprochen wurde, brachte der “Obernburger Bote” am 13. Mai eine zehn Seiten umfassende Sonderausgabe aus Anlass des Apfelblütenfestes heraus. Darin heißt es: “Nicht irgendeine Stadt veranstaltet dieses Fest. Obernburg ist der Mittelpunkt des zweitgrößten Obstbaugebietes im ganzen Deutschen Reich. Darauf ist unser Kreis stolz und deshalb ist der Tag, der der Apfelblüte und dem Obstbauern gewidmet ist, eine Angelegenheit des ganzen Kreises!”
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