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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
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Warum 500 Jahre Annatag in Obernburg im Jahr 2017?

Entdeckung einer Urkunde aus dem Jahr 1516 im Stiftsarchiv Aschaffenburg

Günther Koch, Dachau

Vor 500 Jahren gehörte die Pfarrei St. Peter und Paul in Obernburg und die Stadt Obernburg zum geistlichen und weltlichen Herrschaftsbereich des Kollegiatstifts St. Peter und Alexander in Aschaffenburg und damit auch zum Erzbistum Mainz und zum Kurfürstentum Mainz.
Erzbischof und Kurfürst war Albrecht von Brandenburg1. Er regierte von 1514-1545.

Obernburg und das Stift Aschaffenburg
Das Stift Aschaffenburg wurde von Prälaten regiert. „
Der erste Prälat war der Stiftspropst.2

Nach Valentin Ferdinand von Gudenus galt „die Propstei Aschaffenburg als reichste und fetteste Pfründe Deutschlands.3 Seit 1512 übte der Mainzer Domkanoniker Georg Graf von Henneberg4 das Amt des Stiftpropstes aus. Er war „Verwalter des Vermögens und der Einkünfte.”5

Dazu war er oberster Gerichts- und Lehensherr. Neben anderen Privilegien besaß er für ausgewählte Pfarreien das Collationsrecht, d.h. er konnte in Obernburg den Pfarrer bestimmen.

Der zweite Prälat hieß Dechant. Er „war das geistliche Haupt, dem die Leitung des ganzen corpus ecclesiae collegiatae, der Canoniker und Vicare, zukam.“… „Der Dechant führte den Vorsitz bei den Capitelsitzungen und leitete die Diskussion und die Abstimmung der Capitulare.6 Es gab noch drei weitere, nachgeordnete Prälaten, die Scholasten (Lehrer), Kantoren (Sänger) und Custoren (Küster). Sie bildeten das Stiftskapitel.

Der amtierende Dechant von 1493 bis 1519 war Ulrich Kemmerlin aus Hall bei Salzburg.7
In seiner langen Amtszeit von 26 Jahren vertrat er die oft und lange abwesenden Pröpste. Dabei übernahm er deren weitreichende, weltliche Befugnisse und Privilegien. Darunter auch das oben genannte Privileg in Obernburg:
„…ebenso [erhielt] der Dekan die Collation der mit der Dechantei incorporierten Pfarrei Obernburg.8

Die Urkunde von 1516
Mit dieser Machtfülle ausgestattet nahm der Dechant Kemmerlin Einfluss auf das Leben in Obernburg. Er ließ am 23. Oktober 1516 eine Urkunde mit einem Vertrag zwischen dem Stift Aschaffenburg, dem Pfarrer, dem Bürgermeister und seinen Räten von Obernburg ausfertigen. In vier Punkten ist darin geregelt, wie der Pfarrer Johann Kulbrot zusammen mit der Stadtverwaltung das religiöse Leben in der Pfarrei gestalten soll. Dazu ist festgelegt, wie die Einnahmen zu verteilen sind, die offensichtlich mit dem neuen St. Anna Altar in der Noitburgiskapelle zu erzielen waren.

Die vier Punkte sind:

  • Auswahl, Bestellung und Bezahlung eines Glöckners sind eine gemeinsame Aufgabe von Pfarrei und Stadt.
  • Bürgermeister und Räte sollen dafür sorgen, dass der Pfarrer ein Drittel der Einnahmen durch den neuen St. Anna Altar in der St. Notbrechtkapelle9 [Noitburgiskapelle] erhält. Der Rest darf nicht ohne Zustimmung des Stifts verteilt werden. „…insbesondere soll er [der Pfarrer] an St. Annentag oder einem gelegenen Tag, der den Freunden des Stifters10 anzuzeigen ist, in der Kapelle einen ständigen Jahrtag halten und auf St. Annentag an dem Altar eine gesungene Messe, wenn er Gehilfen hat, oder wenigstens eine gelesene Messe mit einer Predigt und Ermahnung an das Volk zu halten oder bestellen…
  • Der Pfarrer soll die Kinder rechtzeitig taufen, die Sakramente spenden und die letzten Dinge, Testament und Begräbnis nach alter Tradition regeln.
  • Bei Uneinigkeit sollen die Parteien um Schlichtung beim Stift nachsuchen.
28_01 2016 Dokument Anna 03_Abbildung 1

Abbildung 1: Abschrift der Urkunde vom 23. Oktober 1516
Signatur: Liber Camerae IV, fol. 95v und 96r
Foto: Günther Koch

29_01 2016 Dokument Anna 04_Abbildung 2

Abbildung 2: Abschrift der Urkunde vom 23. Oktober 1516
(fol. 96v, Fortsetzung und Schluss, vergrößerter Ausschnitt)
Foto: Günther Koch

Original – Abschrift – Regest11
Das Original der Urkunde im Stiftsarchiv fehlt. Laut Regest erhielten beide Parteien eine Urkunde. Nach der zweiten Ausfertigung der Urkunde forschte Dr. Leo Hefner im Obernburger Stadtarchiv ohne Erfolg.

Erhalten ist aber im Stiftsarchiv eine zeitgenössische Abschrift in einer gebundenen Aktensammlung mit der Signatur Liber Camerae IV fol. 95v bis 96v (Abbildungen 1 und 2).

Dazu existiert ein Regest von zwei maschinengeschriebenen Seiten. Dieses Regest gibt den Inhalt der Urkunde gut verständlich wieder und ist mit zahlreichen buchstabengetreu transkribierten Passagen kombiniert. So konnte ich auf eine Transkription der gesamten schwer lesbaren Abschrift verzichten.

Der vollständige Text des Regests ist am Ende des Beitrags als Anlage beigefügt.
 

Buchstabengetreue Transkriptionen
Überschrift und die ersten zwei Zeilen der Abschrift:
 

„Vertrag zwischen dem Pfarrherrn Bürgermeister Rath usw. zu Obernburg“
„Wir Dechant und Capitell des Stifts Sanct Peter und Alex-
ander zu Aschaffenburg bekennen offentlich mit diesem brief…“

Die letzten zwei Zeilen der Abschrift:
„Gescheen zu Aschaffenburg uff donerstag nach Galli
Anno domini Millesimo quingentesimo decimo sexto.“ [23. Oktober 1516]

Zur Entdeckung der Urkunde
Im Mai 2012 forschte ich im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg nach Hinweisen auf den beruflichen Werdegang von Johannes Obernburger im Zeitraum 1500 – 1522. Ich wollte herausfinden, ob sein Geburtsjahr 1486 zutrifft oder ob er erst später um 1500 geboren wurde.

Es ging um folgende Fragen: Wann war Johannes Obernburger Schüler der Lateinschule des Stifts? Wann war er Student in Mainz oder an einer anderen Universität?12 Wann wurde er zum Priester geweiht und als Kaplan an einen erzbischöflichen oder kaiserlichen Hof13 geholt?

Meine Bemühungen, das frühe Geburtsjahr 1486 nachprüfbar zu bestätigen, blieben erfolglos14. Ich fand aber im Akt 6274 „Das Stiftische Frohngut zu Obernburg 1361-1812“ eine Genealogie der Stiftshoferben zu Obernburg vom 13. März 162015. Darin sind die Geschwister in der Reihenfolge ihrer Geburt genannt:

  • Johan Obernburger, keyserlicher Maij. Secretariy
  • Paulus Obernburger, Hoffmann [Stiftshofpächter]
  • Peter Obernburger, Canonicus zu Meyntz
  • Anna Obernburgerin, D[r]. Conrad Heckmanns Haußfraw

Umso mehr freute ich mich, als ich am 8. Mai 2012 im Liber Camerae IV die oben beschriebene Urkunde entdeckte, in der das Stift Aschaffenburg unter anderem einen jährlich zu feiernden Annatag in Obernburg anregt. Das Datum meiner Entdeckung ist in der Fotografie der Urkunde in der Ecke rechts unten eingedruckt (Abbildung 1).

Annaverehrung und Annakapelle in einigen gedruckten Quellen
Helmut Hinkel berichtet 1980 in seinem Buch „Pfarrer und Seelsorge im Aschaffenburger Raum“:

Seite 18: „Im Jahr 1579 wurde für alle Pfarrer [des Stifts Aschaffenburg] verpflichtend eine Wochenmesse zu Ehren der hl. Anna eingeführt.“

Seite 145: „Er [Pfarrer Wilhelm Faulhaber] stiftete den Anna-Altar und regte das Annafest an. Faulhaber war von 1581 bis zu seinem Tod 1598 Pfarrer."

Hinkel kannte offenbar die oben beschriebene Urkunde von 1516 nicht. Darin hatte der Dechant des Stifts Aschaffenburg Ulrich Kemmerlin das jährliche Annafest schon rund 70 Jahre früher angeregt.

Seite 149: „Für die Notburgakapelle außerhalb Obernburgs, die eine eigene Dotation besaß, ließ man 1619 ein „silbern creutz, die reliquien sanctae Noitburgis darin zu versehen“ aus einem silbernen Becher, den der verstorbene Pfarrer Leonhard Kremer gestiftet hatte, machen.“

Johann Wilhelm Christian Steiner schreibt 1821 in seinem Buch „Geschichte und Topographie der alten Grafschaft und Cent Ostheim und der Stadt Obernburg am Main“:

Seite 182: „Außerhalb der Stadt stehen zwei Kapellen, zur h. Anna und zum h. Wendelin. Jene [die Annakapelle] hieß vor 170 Jahren [1651] Nothburgiskapelle“ … „auf Annatag ist für die sie [die Nothburgiskapelle] Besuchenden vollkommener Ablass. Ihr Fond besteht in 1300 fl. [Gulden]…“

31_01 2016 Anna Selbtritt FotoG.Koch 2007

Figurengruppe Anna Selbtritt (Foto G. Koch 2007)

In mehreren Veröffentlichungen ist zu lesen, Johannes Obernburger habe die Figurengruppe der Anna Selbtritt geschenkt und den Armenfond der Annakapelle um 500 Gulden vermehrt. Johannes Obernburger war ab 1522 bis zu seinem Tod 1552 ohne Unterbrechung für die Kanzlei von Kaiser Karl V. tätig.16 Obernburger starb am 21. Juni 1552 abends um 20 Uhr in seiner Herberge in Villach durch einen Sturz vom Glasdach und war sofort tot.17 Er hinterließ eine Tochter von 3 Jahren und ein beträchtliches Geldvermögen. Dieses war am 20. November 1559 Gegenstand von Erbauseinandersetzungen.18 Für die oben genannten Schenkungen sind mir keine persönlichen Verfügungen von Johannes Obernburger bekannt. Das schließt aber nicht aus, dass die Erben solche Verfügungen besaßen und ausführten.

Jüngste Recherchen im Stadtarchiv Obernburg
Im Spätsommer 2016 ergab die Suche in Ratsprotokollen und Stadtrechnungen Hinweise auf Feiern des Annafestes in den Jahren 1701 und 1702.

Zusammenfassung und Wertung
In der Urkunde vom 23. Oktober 1516 ordnen Dechant und Kapitel des Stifts St. Peter und Alexander in Aschaffenburg in einem Vertrag eine besondere Ehrung der Hl. Anna durch Abhaltung eines jährlichen Annatags an. Deshalb meine ich, dass Pfarrei, Stadt und Bürger von Obernburg das große Fest 500 Jahre Annatag im Jahr 2017 zurecht begehen werden.

 

Literatur
Amrhein August: Die Prälaten und Canoniker des ehemaligen Collegiatstifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg Würzburg 1882. In: Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. Band 26
Gross Lothar: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., Wien u. Leipzig 1930
Haus der Bayerischen Geschichte: Das Rätsel Grünewald. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung im Schloss Johannisburg in Aschaffenburg. Augsburg 2002
Hinkel Helmut: Pfarrer und Seelsorge im Aschaffenburger Raum. Die Landkapitel Montat und Rodgau 1550-1650. Aschaffenburg 1980
Koch Günther: Johannes Obernburger (1486-1552) Kaiserlicher Sekretär, päpstlicher Notar. Stoffsammlung für eine Biographie. Dachau 2012 (nicht käuflich, existiert nur in 3 Exemplaren im Selbstverlag)
Steiner Johann, Christian Wilhelm Steiner: Geschichte und Topographie der alten Grafschaft und Cent Ostheim und der Stadt Obernburg am Main, Aschaffenburg 1821, Erweiterter Neudruck Obernburg 2006
Tacke Andreas: Der Kardinal Albrecht von Brandenburg. Band 1 Katalog Regensburg 2006
Tacke Andreas: Der Kardinal Albrecht von Brandenburg. Band 2 Essays Regensburg 2006

Anmerkungen
1 Albrecht war das siebente und jüngste Kind des Kurfürsten Johann Cicero von Brandenburg. Er lebte von 1490 bis 1545. Im Alter von 23 Jahren 1513 zum Priester geweiht, wurde er noch im gleichen Jahr Erzbischof von Magdeburg und ein Jahr später Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Reichserzkanzler und Stellvertreter des Kaisers. Am 17. November 1517 erhielt er in Aschaffenburg Martin Luthers Brief vom 31.Oktober 1517 mit den 95 handgeschriebenen Thesen. Papst Leo X. ernannte Albrecht 1518 zum Kardinal. Tacke. Band 1, 2006, 55; Haus der Bayerischen Geschichte. Das Rätsel Grünewald. Augsburg 2002, 85ff
2 Amrhein 1882, 40, Zeile 26
3 Amrhein 1882, 77, Zeile 18
4 Georg Graf v. Henneberg war Canonikus in den Domen zu Mainz, Köln und Straßburg. Er wurde 1512 zum Stiftspropst von Aschaffenburg gewählt und regierte bis 1526. Amrhein 1882, 73
5 Amrhein 1882, 45ff
6 Amrhein 1882, 48
7 Ulrich Kemmerlin aus Hall bei Salzburg lebte von 1446 bis 1519. Er war seit 1482 Canonikus und wurde am 26. Juni 1493 Dechant im Stift Aschaffenburg. Er regierte bis 29. Juni 1519. Amrhein 1882, 92 und 213
8 Amrhein 1882, 50, FN 47
9 Die buchstabengetreue Transkription aus der Abschrift ergibt eindeutig die Bezeichnung „Notbrechtkapelle“ Eine solche ist aber allseits in Obernburg unbekannt. Eine Bewertung im Kontext ergibt: Hier kann nur die „Noitburgiskapelle“ gemeint sein. Es liegt wohl ein originärer Abschreibfehler aus der fehlenden Originalurkunde vor.
10 Hier dürfte der Stifter des neuen St. Anna-Altars gemeint sein. Sein Name ist in der Urkunde nicht genannt.
11 Zusammengefasste Inhaltsangabe einer Urkunde
12 Die einschlägigen Matrikel der Universität Mainz wurden in den Wirren der Reformation allesamt vernichtet, die Matrikel von Paris sind nur bis zum Jahr 1494 erschlossen. Sehr intensive Recherchen in den Matrikeln von etwa 20 weiteren Universitäten blieben erfolglos. Koch, 2012, 43
13 Am 14. Februar und 21. März 1522 wird „Joanne Fabri [Johannes Obernburger], Kleriker der Diözese [Mainz], erstmals in den Reichsregisterbüchern in Wien als Priester und Kanzleischreiber bei Kaiser Karl V. erwähnt. Gross 1930, 34 und Koch 2012, 56ff
14 Koch 2012, 8f: Geburtsjahr, Lebensalter, Namensgebung, Titel und Persönlichkeit von Johannes Obernburger
15 Koch 2012, 49ff: Transkription der „Genealogia haeredum des hoffs zue Obernburg“ und Übersicht der Stiftshofpächter von 1469-1594
16 Koch 2012, 55ff
17 Koch 2012, 212ff
18 Koch 2012, 245ff
 

Anlage: Buchstaben- und zeilengetreue Abschrift des Regests.

Dechant u. Kapitel von S. P. u. A. zu Aschaffenburg er-
wirken zwischen Johan Kulbrot, Pfarrer zu Obernburgk
einerseits, und den Bürgermeistern und Rat daselbst
andererseits in Streitigkeiten i. u. g. Sachen folgenden

Vertrag:
1.  
Wenn ein Glöckner zu bestellen ist, so mag der Rat
zwei oder drei dem Pfarrer nach altem Herkommen vor-
stellen, von denen dieser dann einen zu bestellen hat;
haben sie nicht die Wahl unter so vielen, so sollen
sie sich miteinander auf eine Person einigen, die für
das Glöckneramt und anderen folgenden Sachen geeignet
ist, „nemlich das derselb… das glockampt, die schule,
die kinder vleyssigliche in der lare, guten sitten und
tugenden zu lernen, dem rathe, gantzer gemeyne und dem
gericht mit schreyben und andern notturfftigen handelun-
gen wisse vore zu syn und außzurichten“;
der betreffen-
de soll sich gegenüber Pfarrer u. Rat gehorsam und gut-
willig zeigen, dass alle Arbeiten zu ihrer Zeit ge-
schehen und nicht die eine durch die andere behindert
wird und niemand überlastet wird; man entschloss sich
deshalb dazu, für alle diese Ämter eine Person zu
bestellen, damit diese, während das Einkommen bei ge-
teilten Ämtern sehr klein wäre, ein desto stattlicheres
Auskommen hat und die Arbeit vollkommener machen kann,
auch weil bei geteiltem Lohne nicht für jedes Amt
so geeignete Personen zu bekommen wären; die Bestel-
lung soll immer zu St. Martin erfolgen.

2.  Mit dem neuen St. Anna-Altar in der St. Notbrecht-
kapelle soll der Rat mit den Bürgermeistern dafür sor-
gen, dass dem Pfarrer sein gebührliches Drittel von al-
lem, was zu dem Altar gegeben wird, entrichtet wird
und zu allem „stocken und kisten“ des gen. Altars,
der Kapelle und der Pfarrkirche einen Schlüssel er-
hält und die Rechnungen sehen und hören kann; was von
den Einnahmen des St. Anna-Altar über die gemeinen Aus-
gaben erübrigt wird, darf ohne des Stifts als „pastorn
und erbhern“
Wissen und Willen nicht angegriffen wer-
den. Hingegen soll der Pfarrer die gewöhnlichen Messen
und
„ferien“ und anderen Gottesdienst und die Pfarr-
kirche, Kapelle und den neuen Altar fleissig versehen,
halten und fördern und für „swester und bruder“ und
alle Wohltäter beten; insbesondere soll er an St. Annen-
tag oder einem gelegenen Tag, der den Freunden des
Stifters anzuzeigen ist, in der Kapelle einen ständi-
gen Jahrtag halten und auf St. Annentag an dem Altar
eine gesungene Messe, wenn er Gehilfen hat, oder we-
nigstens eine gelesene Messe mit einer Predigt und Er-
mahnung an das Volk zu halten oder bestellen; er soll
das Volk zu Andacht u. guten Werken anhalten und das
ganze Jahr über bereit sein „offentlich in der kirchen“
„ob es gleych kalt ist“,
Beichte zu hören, es sei denn,
dass er es alten Leuten u. schwangeren Frauen zu gut,
in der Stube oder Sakristei tut.

3.  Er soll sich befleissigen, die Kinder zu rechter
Zeit zu taufen, den Kranken und wer sonst es begehrt,
und
„darzu geschickt ist“ das Altarssakrament spenden
und sie in Todesnot mit der hl. Ölung versehen, dass
ihm kein Versäumnis vorgeworfen werden kann; dafür
sollen und wollen alle seine Pfarrkinder, alt oder
jung, die zu den Sakramenten gegangen sind, bei ihrem
Tod ihm „ zu eynem testament geben und beczalen wie von
alter herekommen ist“
, jedoch soll er es mit jungen le-
digen und armen Leuten “gutlich und zimlich halten“;
versäumt er aber seine Pflicht, braucht man sol-
chen Toten (d.h. die die Sakramente nicht bekamen) das
gen.
„testament“ nicht zu geben. Ist einer, der das
Jahr über zu den Sakramenten ging, gestorben und zu
Grabe getragen, soll der Pfarrer, wenn er nicht sowieso
in der Kirche oder dabei ist, gleich zum Grabe gehen
und Weihwasser über den Toten und das Grab sprengen
und den Psalm de profundis mit den Collecten
Pro defuncto und fidelibus sprechen.
„So aber ein
mensch dem andern auß andacht und hilff der sele
weyther und meer nachthun lassen wolt, der soll sich
mit dem pfarhern darueb sonderlich verdragen wie von
alter herkommen ist“ (bezieht sich auf Seelenmessen)

4. 
Werden die Parteien in dem einen oder anderen Punkt
uneins, sollen sie um Schlichtung beim Stift nachsuchen.
Beide Parteien erhalten eine Urkunde.

 

S. [Siegel]: das Kapitel
Gescheen zu Aschaffenburg uff donerstag nach Galli [23 Oktober]
Anno domini 1516

Or. [Original] fehlt
B. Liber IV (!) Cam. fol. 95v – 96v

34_01 2016 Annakapelle und Knechtsmühle von Michelbach

Annakapelle um 1850, Zeichnung von Josef Michelbach

34_02 2016 Annakapelle von Main aus
34_03 2016 Annakapelle    FotoG.Koch 2007