hvvlogosw

Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

Inhaltsverzeichnis

Startseite

Vereinsziele, Vorstand

Vereinsgeschichte

Obernburger Geschichte/n

Römische Geschichte/n

Bauwerke und Gebäude

Persönlichkeiten

Mundart

Aktivitäten

Tanz- und Kostümgruppe

Links

Impressum

Beitrittserklärung

banner_hvv

Obernburg als Ämterstadt

Obernburg sieht sich gerne als Ämterstadt im nördlichen Teil des Landkreises Miltenberg. Diese Bedeutung verdankt sie der langjährigen Stellung als Kreisstadt, die im Maintal zentral zwischen den beiden Seitentälern der Elsava und der Mömling liegt. Wie Obernburg diese überörtliche Bedeutung erlangte, geht auf eine lange Entwicklung zurück, die vom Mainzer Kurstaat bis zur bayerischen Gebietsreform im Jahre 1972 reichte.

Obernburg gehörte zur Cent Bachgau
Der Cent Bachgau, der sich im Mittelalter über das Gebiet links des Mains von Seligenstadt im Norden bis Obernburg im Süden erstreckte, wurde 1278 vom Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein gekauft. Im Jahre 1313 erhob Bischof Peter von Aspelt das Dorf Obernburg zur Stadt und ließ die Urkunde der Stadterhebung 1317 von Kaiser Ludwig dem Baiern bestätigen.

Obernburg unterstand dem Vicedomamt in Aschaffenburg, der Obervogt des Bachgaus hatte seinen Sitz in Großostheim. Nach dem Ende des Bauernkrieges (1525) verlor aber Großostheim wegen seiner Beteiligung daran seine übergeordnete Stellung. Als Gerichtsort gewann Obernburg deshalb allmählich an Bedeutung. Eine Cent Obernburg wurde als Gerichtsbezirk im 16. Jahrhundert erstmalig erwähnt.

Die Verwaltungsreform von 1772 hob Obernburg hervor
Im Jahre 1772 wurde im Rahmen einer Verwaltungsreform des Mainzer Kurstaates Obernburg zum Sitz eines Stadt- und Amtsvogtes für den Bachgau, der elf Orte umfasste, bestimmt.

Wie schwer es ein neuer Amtsvogt hatte, im dicht besiedelten, durch die Stadtmauern beengten Stadtkern eine Wohnung zu finden, kann man am Beispiel eines der ersten Amtsinhabers Tholläus ersehen. Er mietete sich im Haus des Pfarrers Münstermann ein, litt aber bald unter „den Quälen des Pfarrers und dessen gräulichen Schwestern“ und wurde bald „ohnverweilt exmittiret (gekündigt)“. Er fand Wohnung und Dienstsitz im Stadtschreiberhaus (heute Mainstraße 1).

Sein Nachfolger Franz Braun führte die Amtsvogtei ab 1791 im Knabenschulhaus, wo er als oberster Verwaltungsbeamter und Richter von elf Bachgaugemeinden agierte. Zum Bachgau gehörten damals die Orte: Obernburg, Großwallstadt, Niedernberg, Großostheim, Pflaumheim, Wenigumstadt, Mosbach, Radheim, Dorndiel, Mömlingen und Eisenbach. Amtsvogt Braun erlebte die unruhigen Zeiten der französischen Revolutions- und der Befreiungskriege und war durch die politischen Wirren dieser Zeiten mit unterschiedlichen Titeln Diener verschiedener Staatsgebilde:

    1791 als mainzisch kurfürstlicher Amtsvogt im Kurfürstentum Mainz
    unter dem Erzbischof Karl Friedrich von Erthal,
    1803 als kurerzkanzlerischer Amtsvogt im Fürstentum Aschaffenburg
    unter dem Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg,
    1810 als Districts Maire im Großherzogtum Frankfurt
    auch unter dem Fürstprimas,
    1814 als königlicher baierischer Landrichter im Königreich Baiern
    unter König Maximilian I.

Franz Braun stand nun einem königlichen Landgericht 2. Klasse vor, das im Süden an das Landgericht 2. Klasse mit Sitz in Klingenberg und im Osten an das Landgericht 3. Klasse mit Sitz in Kleinwallstadt grenzte. Im Jahre 1817 verlor aber Obernburg die Zuständigkeit über die Gemeinden Mosbach, Radheim und Dorndiel, weil sie in einem Ausgleichsvertrag zwischen dem Königreich Baiern und dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt dem Nachbarland zugeschlagen wurden.

Obernburg gewann rechtsmainische Orte dazu
Im erweiterten Königreich Baiern ordnete ab 1814 der Minister Graf Montgelas die gewonnenen Gebiete in Franken und Schwaben neu. Das Departement Aschaffenburg mit Obernburg kam zum Untermainkreis. Unter dem geschichtsbewussten König Ludwig I (1825 bis 1848) wurde im Jahre 1838 der Kreis in „Unterfranken und Aschaffenburg“ umbenannt. Bayern schrieb man von nun an mit „y“. In unserem Gebiet stand eine Neuordnung der Landgerichtsbezirke an. Eine Abordnung des Obernburger Magistrats machte sich auf eine 14tägige Reise nach München, um für Obernburg als Amtssitz zu werben. Die Obernburger appellierten in einer Bittschrift an den König mit Argumenten, wie sie auch heute noch üblich sind: “.. der Nahrungs- und Erwerbsstand unzähliger Gewerbsleute ist bedroht: Brauer, Bäcker, Fleischer, 14 Gastwirte, die hier etabliert sind.“

Die Stadt gewann tatsächlich im Jahre 1828 das Rennen um den Amtssitz gegen Kleinwallstadt, dem Sitz eines Landgerichts 3. Klasse. Das Obernburger Landgericht bekam die Zuständigkeit für die rechtsmainischen Orte Elsenfeld, Kleinwallstadt, Sulzbach, Ebersbach, Leidersbach, Rossbach, Volkersbrunn, Ober- und Unterhausen, Hofstetten, Hobbach, Eichelsbach und Rück. Durch diesen Gebietszuwachs wurde aber eine Erweiterung der Amtsräume des Landgerichts notwendig. Im Jahre 1829 wurden das Frühmesser- und das Knabenschulhaus zu einem Gebäude zusammengefügt. Ein gemeinsamer Eingang und ein Treppenhaus schufen den Zugang zum königlichen Landgerichtsgebäude. Am heutigen Kirchplatz entstand bald auch ein einstöckiger Anbau, der die Hypotheken- und Depositenbücher aufnehmen konnte. Das frühere Stadtschreiberhaus (Mainstraße 1) wurde nunmehr Wohnsitz des Frühmessers, das Eckhaus Römerstraße/Kirchplatz (früher Drogerie Schuck bzw. Metzgerei Breunig) diente bis 1875 als Knabenschulhaus.

Aemterstadt Rathauseingang2010

Das Frühmesserhaus (linker Gebäudeteil) und das Knabenschulhaus (rechts) wurden im Jahre 1828 zum königlich baierischen Landgerichtsgebäude durch ein gemeinsames Treppenhaus zusammengefügt.

Heute noch fallen die unterschiedlichen Quadersteine am Rathausportal auf. Die ungleichen Geschosshöhen wurden im Gebäude durch Stufen ausgeglichen.

1862 entstand der spätere Landkreis Obernburg
Eine Forderung der Revolution im Jahre 1848 war die Unabhängigkeit der Verwaltung und der Justiz. Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1861 brachte endlich die Trennung der Verwaltung und der Rechtspflege auch in den unteren Behörden.

Aemterstadt Bezirksamt Obernburg Karte

Keimzelle des späteren Landkreises Obernburg war 1772 die Amtsvogtei Obernburg, die die Orte der Cent Bachgau umfasste.

1814 wurde daraus das königlich baierische Amtsgericht 2. Klasse.

Obernburg konnte 1828 die Gemeinden des Landgerichts Kleinwallstadt an sich ziehen.

Im Jahre 1862 wurde das Bezirksamt Obernburg durch die Angliederung der Orte vom Landgericht Klingenberg erweitert.

Einige Gemeinden wurden jedoch zu unterschiedlichen Zeiten anderweitig zugeordnet.

 

Bei einer Verwaltungsreform fanden die Landgerichte älterer Ordnung nunmehr ein Ende. Obernburg konnte sich gegenüber Klingenberg durchsetzen und wurde zum Sitz eines neu geschaffenen Bezirksamts bestimmt. Der Obernburger Bezirksamtmann bekam die Zuständigkeit über die elf Gemeinden des Klingenberger Landgerichts. 36 Gemeinden gehörten nun zu seinem Bezirk (bis 1880 auch Großheubach). Großostheim konnte sich jedoch endlich nach langem Drängen von Obernburg lösen und wurde Aschaffenburg zugeteilt.

Jetzt aber wurde das Amtsgebäude in der Obernburger Altstadt endgültig zu eng. Im Jahre 1863 begann der Bau des neuen Bezirksamts auf städtischem Gelände am Linden Point, das damals noch weitab der Bebauung im nördlichen Teil der heutigen Römerstraße lag. Dazu wurde die Straßenführung des Weges, der quer von der Juliusstraße zur heutigen Jahnstraße führte, verlegt und die heutige Kreßstraße gebaut. Am Rande der Lindenstraße (heutiges Ämtergebäude) entstand gleichzeitig der Bau eines Gefängnisses. Der schlichte Sandsteinbau des Bezirksamtes nahm in der Folgezeit die Amtsräume des Bezirksamtes, aber auch des Amtsgerichts auf. Außerdem hatte der Bezirksamtmann darin eine Dienstwohnung.

In der nördlichen, deutlich verbreiterten Römerstraße entstanden in der Folgezeit noch andere öffentliche Gebäude, die wichtig für den Bezirk (ab 1939 Landkreis) Obernburg waren:

1899  Bau des Distriktkrankenhauses, später bis 2009 Polizeistation

1900  Neubau des Amtsgerichts, erweitert durch das Grundbuchamt im Jahre 1936

1890  Bau des Hauses Römerstraße 89 durch Julius Ritter von Rohe, später Landpolizeiposten, heute Nebenstelle des Amtsgerichts

1897  Bau des Forstamts in der Kreßstraße 2 (Ecke Römerstraße/Kreßstraße),  lange Zeit auch Notariatsgebäude, abgerissen 1979

1907  Bau des Hauses Römerstraße 67 durch Steinbruchbetreiber Fischer (der „Alleine“), später bis 1974 Allgemeine Ortskrankenkasse, (heute Kanzlei von Rechtsanwalt Grimm)

1912  Bau des Hauses Römerstraße 65 durch Kreisbaumeister Steigerwald, lange Zeit Notariatssitz

Aemterstadt Blick stadtauswaerts

Blick stadtauswärts nach Norden: links das ehemalige Landpolizeigebäude, dahinter durch die Büsche verdeckt das Bezirksamt. Rechts das Haus Steigerwald (lange Zeit Notariatssitz), dann das ehemalige AOK-Gebäude und das Amtsgericht.

Aemterstadt Bezirksamt alt
Aemterstadt Amtsgericht Postkarte 1902

Das Bezirksamt, heute Finanzamt

Das Amtsgericht

Aemterstadt AOK-Haus

Links das ehemalige AOK-Gebäude.

 

 

Rechts das abgerissene Gefängnis.

Aemterstadt Gefaengnis mit Mauer
Aemterstadt Forsthaus

 

 

 

Links das abgerissene Forsthaus an der Ecke Kreß-/Römerstraße.

 

Unten das Bezirkskrankenhaus, damals noch fernab jeglicher Bebauung.

Aemterstadt Krankenhaus allein auf weiter Flur Aemterstadt Krankenhaus Postkarte 1902

Obernburg verlor 1972 den Kreissitz
Nachdem sich Großostheim von der Obernburger Abhängigkeit lösen konnte, versuchten auch andere Gemeinden sich nach Aschaffenburg zu orientieren. Ende des 19. Jahrhunderts beantragten Kleinwallstadt, Sulzbach und andere Spessartgemeinden eine Anbindung an Aschaffenburg, 1922 wollten die Bachgaudörfer Wenigumstadt und Pflaumheim weg vom Bezirksamt Obernburg. Das gelang den beiden Orten erst bei der Gebietsreform im Jahre 1972. Obernburg verlor aber dabei den Kreissitz und musste sich in den vergrößerten Landkreis Miltenberg einfügen. Als Ausgleich für den Bedeutungsverlust erhielt Obernburg den Hauptsitz des Amtsgerichts und des Finanzamtes, das im alten Landratsamtsgebäude von 1863 untergebracht wurde.

 Helmut Wörn