Obernburg als Ämterstadt
Obernburg sieht sich gerne als Ämterstadt im nördlichen Teil des Landkreises Miltenberg. Diese Bedeutung verdankt sie der langjährigen Stellung als Kreisstadt, die im Maintal zentral zwischen den beiden Seitentälern der Elsava und der Mömling liegt. Wie Obernburg diese überörtliche Bedeutung erlangte, geht auf eine lange Entwicklung zurück, die vom Mainzer Kurstaat bis zur bayerischen Gebietsreform im Jahre 1972 reichte.
Obernburg gehörte zur Cent Bachgau Der Cent Bachgau, der sich im Mittelalter über das Gebiet links des Mains von Seligenstadt im Norden bis Obernburg im Süden erstreckte, wurde 1278 vom Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein gekauft. Im Jahre 1313 erhob Bischof Peter von Aspelt das Dorf Obernburg zur Stadt und ließ die Urkunde der Stadterhebung 1317 von Kaiser Ludwig dem Baiern bestätigen.
Obernburg unterstand dem Vicedomamt in Aschaffenburg, der Obervogt des Bachgaus hatte seinen Sitz in Großostheim. Nach dem Ende des Bauernkrieges (1525) verlor aber Großostheim wegen seiner Beteiligung daran seine übergeordnete Stellung. Als Gerichtsort gewann Obernburg deshalb allmählich an Bedeutung. Eine Cent Obernburg wurde als Gerichtsbezirk im 16. Jahrhundert erstmalig erwähnt.
Die Verwaltungsreform von 1772 hob Obernburg hervor Im Jahre 1772 wurde im Rahmen einer Verwaltungsreform des Mainzer Kurstaates Obernburg zum Sitz eines Stadt- und Amtsvogtes für den Bachgau, der elf Orte umfasste, bestimmt.
Wie schwer es ein neuer Amtsvogt hatte, im dicht besiedelten, durch die Stadtmauern beengten Stadtkern eine Wohnung zu finden, kann man am Beispiel eines der ersten Amtsinhabers Tholläus ersehen. Er mietete sich im Haus des Pfarrers Münstermann ein, litt aber bald unter „den Quälen des Pfarrers und dessen gräulichen Schwestern“ und wurde bald „ohnverweilt exmittiret (gekündigt)“. Er fand Wohnung und Dienstsitz im Stadtschreiberhaus (heute Mainstraße 1).
Sein Nachfolger Franz Braun führte die Amtsvogtei ab 1791 im Knabenschulhaus, wo er als oberster Verwaltungsbeamter und Richter von elf Bachgaugemeinden agierte. Zum Bachgau gehörten damals die Orte: Obernburg, Großwallstadt, Niedernberg, Großostheim, Pflaumheim, Wenigumstadt, Mosbach, Radheim, Dorndiel, Mömlingen und Eisenbach. Amtsvogt Braun erlebte die unruhigen Zeiten der französischen Revolutions- und der Befreiungskriege und war durch die politischen Wirren dieser Zeiten mit unterschiedlichen Titeln Diener verschiedener Staatsgebilde:
1791 als mainzisch kurfürstlicher Amtsvogt im Kurfürstentum Mainz unter dem Erzbischof Karl Friedrich von Erthal, 1803 als kurerzkanzlerischer Amtsvogt im Fürstentum Aschaffenburg unter dem Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg, 1810 als Districts Maire im Großherzogtum Frankfurt auch unter dem Fürstprimas, 1814 als königlicher baierischer Landrichter im Königreich Baiern unter König Maximilian I.
Franz Braun stand nun einem königlichen Landgericht 2. Klasse vor, das im Süden an das Landgericht 2. Klasse mit Sitz in Klingenberg und im Osten an das Landgericht 3. Klasse mit Sitz in Kleinwallstadt grenzte. Im Jahre 1817 verlor aber Obernburg die Zuständigkeit über die Gemeinden Mosbach, Radheim und Dorndiel, weil sie in einem Ausgleichsvertrag zwischen dem Königreich Baiern und dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt dem Nachbarland zugeschlagen wurden.
Obernburg gewann rechtsmainische Orte dazu Im erweiterten Königreich Baiern ordnete ab 1814 der Minister Graf Montgelas die gewonnenen Gebiete in Franken und Schwaben neu. Das Departement Aschaffenburg mit Obernburg kam zum Untermainkreis. Unter dem geschichtsbewussten König Ludwig I (1825 bis 1848) wurde im Jahre 1838 der Kreis in „Unterfranken und Aschaffenburg“ umbenannt. Bayern schrieb man von nun an mit „y“. In unserem Gebiet stand eine Neuordnung der Landgerichtsbezirke an. Eine Abordnung des Obernburger Magistrats machte sich auf eine 14tägige Reise nach München, um für Obernburg als Amtssitz zu werben. Die Obernburger appellierten in einer Bittschrift an den König mit Argumenten, wie sie auch heute noch üblich sind: “.. der Nahrungs- und Erwerbsstand unzähliger Gewerbsleute ist bedroht: Brauer, Bäcker, Fleischer, 14 Gastwirte, die hier etabliert sind.“
Die Stadt gewann tatsächlich im Jahre 1828 das Rennen um den Amtssitz gegen Kleinwallstadt, dem Sitz eines Landgerichts 3. Klasse. Das Obernburger Landgericht bekam die Zuständigkeit für die rechtsmainischen Orte Elsenfeld, Kleinwallstadt, Sulzbach, Ebersbach, Leidersbach, Rossbach, Volkersbrunn, Ober- und Unterhausen, Hofstetten, Hobbach, Eichelsbach und Rück. Durch diesen Gebietszuwachs wurde aber eine Erweiterung der Amtsräume des Landgerichts notwendig. Im Jahre 1829 wurden das Frühmesser- und das Knabenschulhaus zu einem Gebäude zusammengefügt. Ein gemeinsamer Eingang und ein Treppenhaus schufen den Zugang zum königlichen Landgerichtsgebäude. Am heutigen Kirchplatz entstand bald auch ein einstöckiger Anbau, der die Hypotheken- und Depositenbücher aufnehmen konnte. Das frühere Stadtschreiberhaus (Mainstraße 1) wurde nunmehr Wohnsitz des Frühmessers, das Eckhaus Römerstraße/Kirchplatz (früher Drogerie Schuck bzw. Metzgerei Breunig) diente bis 1875 als Knabenschulhaus.
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