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Heimat- und Verkehrsverein (HVV)
 63785 Obernburg am Main

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700 Jahre Stadt Obernburg (1313-2013)

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2013 feierte die Stadt Obernburg mit vielen Veranstaltungen ihre 700-jährige Geschichte. Die beiden Mitglieder des Heimat- und Verkehrsvereins Obernburg, Helmut Wörn und Heinz Janson, haben in der 15. Ausgabe der “Obernburger Blätter” von 2013 versucht, auf einige ausgewählte Ereignisse und Entwicklungen der letzten 700 Jahre zurückzuschauen. Das Ergebnis finden Sie hier auch auf der Homepage des HVV.

Die einzelnen Kapitel können aus dem folgenden Inhaltsverzeichnis durch Anklicken direkt angewählt werden.

Obernburg wurde 1313 zur Stadt

Der Bau der Befestigungswerke - eine mühevolle Aufgabe

Die Mauern boten Schutz, engten aber auch ein

Der Weinbau - lange Zeit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor

Der Stiftshof als landwirtschaftlicher Großbetrieb

Die meisten Menschen lebten von der Landwirtschaft

Bevölkerungszuwachs zwang zur Waldrodung

Mühlbach und Stiftsmühle

Waldbesitz und Jagdrecht

Fischer, Schiffe und Fährbetrieb am Main

Die Lage an einer Handelsstraße

Die Kirche als religiöses Zentrum

Die Annakapelle - ein Ort Jahrhunderte langer Volksfrömmigkeit

Aus der Noitburgiskapelle wurde die Annakapelle

Johannes Obernburger - ein Beispiel einer politischen Karriere

Obernburg im Bauernkrieg

Zeit des Hexenwahns

Der Dreißigjährige Krieg - eine Jahrhundertkatastrophe

Europäische Kriege - Obernburg in Not

Das Fischerskreuz - Denkmal eines unschuldigen Kriegsopfers

Politische Umwälzungen in Folge der französischen Revolution

Das bayerische Obernburg wird Bezirksstadt

Bevölkerungsentwicklung

Die Stadtmauern fallen

Obernburger wandern nach Amerika aus

Eisenbahn und Brückenbau

Postwesen

Obstanbau statt Weinbau

Steinhauerei

Leben am und mit dem Main

Straßenbau und Kanalisierung

Wasserversorgung

Elektrizitätsversorgung

Gesundheitswesen

Schule und Kinderbewahranstalt

Der Erste Weltkrieg

Die Glanzstoff

Turnhalle, Sportgelände und Apfelblütenfest

Die Zeit von 1933-1949

Flüchtlinge und Heimatvertriebene

Obernburg hat wieder eine Mainbrücke

Die Jahre ab 1950

Evangelische Kirchengemeinde

Katholische Kirchengemeinde

Obernburg wird überregionale Schulstadt

Aussiedlerhöfe entstehen

Kleiderfabriken statt Heimschneiderei

Obernburg verliert Kreissitz

Eingliederung von Eisenbach

Umgehungsstraße und Mainbrücke

Altstadtsanierung und Stadtentwicklung

 

Grußbotschaft aus dem Jenseits von Gustl Konze zur 700 Jahrfeier verfasst von Ernst Schnabel

Die geschichtsbewussten Stadtväter des 1814 bayerisch gewordenen Städtchens Obernburg gaben sich 1818 statt des bisherigen Mainzer Rades ein neues Stadtwappen, dessen Symbole bildhaft für die ersten 500 Jahre der Stadtgeschichte ab 1313 stehen.

03_2 Wappen königl bayerisch Mitte 03_1 Wappen königl bayerisch_skaliert

Das Wappenschild zeigt einen Hirsch mit Weintrauben im Maul und daneben einen Baum. Das Wappen wird bekrönt von einer Mauerkrone, dem Symbol für eine Stadt mit wehrhaften Türmen und Toren.

Obernburg wurde 1313 zur Stadt
Im Jahre 1300 verkauften die Herren von Bickenbach aus Klingenberg die Vogteirechte über das Dorf Obrinburg für 600 Pfund Hellerpfennige an das Stift St. Peter und Alexander in Aschaffenburg.

03_4 Stiftskirche
03_3 Klingenberg_am_Main_Ausschnitt Merian

Da die Obernburger Untertanen ein Drittel dieser Summe selbst aufbrachten, konnten sie sich die Rechte auf den eigenen Waldbesitz und auf die Jagdberechtigung, die üblicherweise dem Landesherrn zustand, sichern. Das Dorf Obrinburg gehörte nun nach diesem Verkauf politisch zum Herrschaftsgebiet des Mainzer Erzstifts.

Das Erzstift Mainz war bestrebt im Zusammenhang mit der schwachen kaiserlichen Macht (1273 endete die kaiserlose Zeit mit Kaiser Rudolf I.) sein eigenes Territorium zu sichern und zu erweitern. Eine Reihe von mainzischen Orten am Untermain bekam daher in dieser Zeit Stadtrechte, z. B. Miltenberg 1237, Amorbach 1253 und Klingenberg 1276. Diese Dörfer sollten Befestigungen erhalten.

04_1 Peter von Aspelt Ausschnitt Kopf

Erzbischof Peter von Aspelt (1305–1320) schloss am 23. Mai 1313 mit dem Dekan und dem Kapitel des Aschaffenburger Stifts einen Vertrag, dass auch das Dorf Obrinburg zur Stadt erklärt und befestigt werden sollte. Am 27. Juli 1317 bestätigte Kaiser Ludwig der Bayer in Aschaffenburg diesen Vertrag, so dass Obernburg ab diesem Zeitpunkt die Rechte und Pflichten einer Stadt bekam. Eine nochmalige Bestätigung erfolgte 1345.

(Bild links: Grabplatte von Erzbischof Peter von Aspelt im Mainzer Dom)

Der Bau der Befestigungswerke - eine mühevolle Aufgabe
Wann die Obernburger mit dem Bau der Wälle, Mauern und Türme begannen, lässt sich nicht mehr nachweisen. Zwei katastrophale Ereignisse änderten nämlich im 14. Jahrhundert dramatisch die Situation. Das Magdalenenhochwasser im Juli 1342 verwüstete mit seinen Wassermassen in ungeahnter Höhe das Maintal schwer und wirkte im mainnahen Obernburger Ortsgebiet aller Wahrscheinlichkeit nach zerstörerisch. Wenig später raffte um 1350 der „Schwarze Tod“ etwa ein Drittel der Bevölkerung Mitteleuropas dahin. Auch Obernburg dürfte von dieser Pestepidemie betroffen gewesen sein und dadurch einen Teil seiner arbeitsfähigen Einwohnerschaft verloren haben. Wegen dieser Rückschläge ging der Ausbau der Befestigungsanlagen wahrscheinlich schleppend voran.

04_2 Mainzer Risse + Pläne 46 Steingrube

Die Obernburger mussten gewaltige Sandsteinmengen von den Steinbrüchen an der Steingrube an der Straße nach Wörth oder am Stadtberg zum Bau herbeischaffen und diese dann bearbeiten.
Quelle: Mainzer Risse+Pläne Nr. 46 von 1615

Am Ende des 14. Jahrhunderts waren einige der Türme zunächst als Halbtürme bis auf eine Höhe von ca. sechs Metern errichtet. Das ist noch deutlich am Täschenturm und am Hexenturm (Bild links) sichtbar, wo die inneren Turmseiten erst später ergänzt wurden. Beim Almosenturm (Bild rechts) setzt sich der frühe Turmbau deutlich von der späteren Erhöhung ab. Die akkurat behauenen oberen Eckquader heben sich gut sichtbar vom unteren Teil des Turmbaus ab.

05_1 Täschenturm und Hexenturm 05_2 Almo Detail

Um das Jahr 1440 wurde unter der Regierung des Erzbischofs Dietrich Schenk von Erbach (1434-1459) der Bau der Befestigungsanlagen vorangetrieben. Es entstanden drei Tore, fünf Türme und eine ca. 1.100 Meter lange Stadtmauer um Obernburg.

05_3 Stadtplan für Tore und Türme Mauern rot OT UT MT AT TT RT HT GT
06_1 Stadtmauer Täschenturm
06_3 Schwarzviertel Almo
06_2 Stadtmauer_Wehrgang

Wehrgang in Rostock – vielleicht gab es in Obernburg eine ähnliche Konstruktion (Quelle: Wikipedia).

In der Regierungszeit des Kurfürsten Uriel von Gemmingen (1508-1514) gab es nach bald 200-jähriger Bauzeit einen letzten Schub. Die Wehrmauern wurden auf etwa 5,50 Meter erhöht und mit hölzernen Wehrgängen versehen.

06_4 Oberes Tor sepia
06_5 Oberes Tor Uhr 01

Der Almosenturm bekam auf den breiten Unterturm noch einen schmaleren Oberturm. Das Obere Tor erhielt seine heutige Form mit einem abgewalmten Satteldach. Mit der haubenartigen Kuppel mit dem Reichsadler und der Turmuhr zierten die Obernburger den Torturm erst im Jahr 1586. Diese repräsentative Ausstattung leisteten sich die Städter in einer Zeit der wirtschaftlichen Blüte, als der Weinbau im 16. Jahrhundert bis zum Dreißigjährigen Krieg offensichtlich der Stadt einigen Wohlstand bescherte.

Die Mauern boten Schutz, engten aber auch ein
Nun beschützten der Mauerring mit Wall und Graben sowie fünf Türme und drei Tore die mittelalterliche Stadt. Die heutige Obere und Untere Wallstraße musste von einer Bebauung frei bleiben, damit die Bürgerwehr schnell Wehrgänge und Türme besetzen konnte. Die Tore wurden in der Nacht geschlossen. Am Tag zog dann der Turmwächter die Holztore nach oben. Beim Oberen Tor sind die Klauensteine noch erhalten, zwischen denen und der Wand das Holztor nach oben und unten bewegt werden konnte.

07_1 Maintor um 1400

Wer vom Main in die Stadt wollte, betrat sie durch das Maintor.

07_2 Unteres Tor freigestellt

Von Aschaffenburg kommend ging man durch das Untere Tor.

So bot die Stadtbefestigung über Jahrhunderte hinweg Schutz vor unerwünschten Eindringlingen, engte aber die Stadtbewohner zusammen mit ihrem Vieh, den Vorräten und ihren Gerätschaften auf oft engstem Raum ein.

07_3 Oberes Tor mit Axtgarten vor Fußgängerdurchgang

Wer weiter in Richtung Wörth ziehen wollte, passierte das Obere Tor.

Der Weinbau - lange Zeit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor
Im Jahre 1182 verkaufte der Kleriker Heinrich einen Weinberg in Obernburg an das Aschaffenburger Stift .Die Urkunde dazu liefert den Beweis, dass der Weinbau hier schon damals eine Rolle spielte. Über die Jahrhunderte hinweg kultivierten Obernburger Weingärtner die Ost- und Südostabhänge des Stadtberges von der Großwallstädter Gemarkungsgrenze (heute Spilgerparkplatz) bis zu den Südhängen des Mühlrains in Richtung Eisenbach. Das Terrassieren der steilen Lagen mit Sandsteinmauern war eine harte Plagerei. Viel Mühe und Schweiß kostete immer wieder die Arbeit in den Wingerten, bis endlich im Herbst die Lese stattfand und nach dem Keltern die Arbeit im Keller weiterging.

08_1 Mainzer Risse + Pläne 46 Weinbau
08_2 Weinberge Mainhöllenberg im Schnee 2010

Der Weinbau spielte das ganze Mittelalter hindurch für die Einwohner Obernburgs eine große Rolle, denn der Wein ließ sich in den Städten mit ihrem verschmutzten Brunnenwasser gut verkaufen. Auch mit dem Weinhandel oder in Wirtschaften ließ sich einiges Geld damit verdienen. Allerdings gab es ab etwa 1600 eine deutliche Klimaverschlechterung (kleine Eiszeit), so dass die Erträge der Rebstöcke deutlich abfielen und sich die Qualität verminderte.

Der Stiftshof als landwirtschaftlicher Großbetrieb

08_3 Stiftshof Eingangstorbogen3
08_4 Stifthof Torbogen_Jahreszahl

Das Aschaffenburger Stift besaß mit dem Stiftshof (heute Mainstraße 5-11) den größten zusammen-hängenden Besitz in der Stadt. Dort war der Stiftsschultheiß eingesetzt, der die Rechte des Stifts zu vertreten hatte. Er war oft auch der Erbpächter und Verwalter der ausgedehnten landwirtschaftlichen Flächen im Umfeld (etwa 22 ha im Jahre 1720). Stiftseigene Weingärten lagen im Bereich des Pfaffenbergweges, am Fronthal oder in der Dekanei. Eine Ackerfläche erstreckte sich z.B. von der heutigen Brunnenstraße bis zum Eingang am Tiefental. Weil der umfangreiche Stiftshofbesitz nicht durch Erbteilungen parzelliert wurde, stellte dieser Wirtschaftshof einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor in Obernburg dar.

Allerdings hatte der Stiftsschultheiß auch Pflichten zu übernehmen. Wenn zweimal im Jahr im Mai und vor Weihnachten Gericht in Obernburg gehalten wurde, musste er die Stiftsherren und ihr Gefolge unterbringen und verköstigen. Er selbst hatte einen beträchtlichen Teil seiner Ernteerträge an das Stiftskollegium abzuliefern.

Außerdem sorgte er dafür, dass die Obernburger Hübner (Grundbesitzer) die fälligen Abgaben und Pachtgelder für das Stift ablieferten. Gelagert wurden die Zehnten in einer besonderen Scheune, bevor sie nach Aschaffenburg abtransportiert wurden. Als Verpflichtung übernahm der Stiftshofpächter auch die Haltung des Faselviehs (Vatertiere), wie Stiere, Eber oder Ziegenböcke.

Die meisten Menschen lebten von der Landwirtschaft
Über Jahrhunderte hinweg mussten die meisten Menschen in Obernburg von dem leben, was sie als Bauern oder Weingärtner dem Boden abrangen. Nördlich der Stadt lagen die fruchtbaren Felder des Niederfeldes, südlich davon ersteckten sich die Äcker mit schlechteren Böden, wie am Hundbaum (Hund bedeutet in diesem Zusammenhang mindere Bodenqualität) oder die Aaräcker am Main. Diese Felder unterlagen im Mittelalter dem Flurzwang der Dreifelderwirtschaft, d. h. nach einem Jahr mit Wintergetreide folgte das Sommergetreide. Im dritten Jahr lagen diese Äcker brach und wurden als Weide genutzt.

Hinter der Stadt im Bereich der heutigen Lindenstraße und in den Maingärten entlang des Mühlbaches nutzte man das in Kleinparzellen zerstückelte Land vorwiegend als Gärten. Entlang des Mains und im Tal der Mümling erinnern Flurnamen, wie Froschau, Etzel oder Weidig an feuchte Wiesen, an Weideland oder an die Nutzung für Weidensträucher, woraus Weidenkörbe geflochten wurden.

09_1 Schweinetrieb Dr Wehsarg Ausschnitt

 

 

Wenn der Schweinehirt das Vieh zur Eichelmast in den Stadtwald trieb, lief er vom Bildstock am Pilgerspfad  über den Buchhöllentrieb (am heutigen Schützenhaus) in die Waldungen.

 

(Zeichnung: Dr. Wehsarg)

Bevölkerungszuwachs zwang zur Waldrodung

10_1 Hochäcker Felder eingefärbt

Als nach den großen Menschenver-lusten des Dreißigjährigen Krieges die Einwohnerzahl nach 1648 wieder anstieg und die bisherigen Acker-flächen nicht mehr zur Ernährung der angewachsenen Bevölkerung aus-reichten, wurden ab 1700 im großen Stil die Wälder auf dem Stadtberg gerodet (dunklere Fläche links). Das dadurch gewonnene fruchtbare Ackerland der Hochfelder teilte man in Gewanne ein und vergab sie an Obernburger Bauern.

Quelle: Mainzer Risse + Pläne Nr. 46 von 1615

Der Zugang dazu war aber lang und beschwerlich, denn er erfolgte durch die enge Wendelinushohl (an der evangelischen Kirche) mit der Hohl am Pfuhl (Am Graben), die enge Fronthalhohl (oberhalb der Brunnenstraße) oder durch das schluchtartige Tiefental. Erst viel später legte man den Oberen Neuen Weg und den Pflaumheimer Weg als Zugänge zu den Hochfeldern an. Durch Erbteilungen wurden die Ackerflächen aber von Generation zu Generation immer mehr parzelliert, so dass viele Familien sich nach anderen Broterwerben umsehen mussten. In vielen Häusern betrieben die Hausgemeinschaften daher eine kleine Landwirtschaft und übten daneben auch noch Handwerksberufe aus.

Mühlbach und Stiftsmühle
Als im 14. Jahrhundert die ersten Befestigungsanlagen um Obernburg erstellt wurden, mussten Obernburger auch mithelfen, einen Mühlgraben anzulegen, der entlang der Stadtmauer vom Almosenturm bis zum Gumpenturm Teil der Befestigungsanlage war. Der etwa drei Kilometer lange Mühlgraben führte das Wasser der Mümling von der Wehrinsel am Hartmannswörth zur Stiftsmühle (heutige Kochsmühle), bevor er in den Main mündete.

10_2 Wasserpforte und Mühle 1844

Die vorherige Mühle, die weit außerhalb der Stadt an der Mümling lag, wurde aufgegeben. Weil diese aber dem Aschaffenburger Stift erbzinspflichtig war, gehörte auch die neue Mühle an der Stadtmauer dem Stiftskollegium. Über 200 Jahre betrieben die Herren von Gonsrode diese Mühle, bevor sie im 16. Jahrhundert von der Stadt gekauft wurde. Für die meist bäuerliche Bevölkerung waren Mühlen zum Mahlen des Getreides und der Ölfrüchte lebensnotwendig. Die Obernburger Bauern hatten zudem ihre Mühle in unmittelbarer Nähe an der Stadtmauer und damit einen kurzen Zugangsweg.

Waldbesitz und Jagdrecht
Der Stadtwald, der im Wappen mit einem Baum symbolisch dargestellt wird und das Jagdrecht mit einem Hirsch als Symbol hatten für die Obernburger eine weitere besondere Bedeutung. Im Roten Buch der Stadt mit ihren Rechten und Pflichten ist festgelegt, dass die Stadtgemeinde den Wald und das Jagdrecht auf Nieder- und Großwild uneingeschränkt im Besitz habe.

Welche wirtschaftliche Bedeutung der Waldbesitz mit sich brachte, lässt sich erahnen, wenn man weiß, dass für den Bau eines Fachwerkhauses mindestens 50 Baumstämme benötigt wurden. Städtische Bauwerke oder Kriegskontributionen konnten die Stadtväter oft mit den Holzverkaufserlösen bezahlen. Holz brauchte man zum Heizen, für Wägen, Fässer, Schiffe und allerlei Geräte. Nur die benachbarten Breuberger machten den Obernburgern diesen Reichtum oft streitig, wenn sie es bei der Jagd oder beim Fällen von Bäumen mit der Grenze nicht so genau nahmen.

11_1 Waldbesitz 1615 Folge 4 komplett

Auf dieser Karte von 1615 sind die Obernburger Waldungen dunkelgrün gekennzeichnet.
 Quelle: Mainzer Risse + Pläne Nr. 46 von 1615

Fischer, Schiffe und Fährbetrieb am Main
Auch die Lage am Main brachte der Stadt einige Vorteile. Der Fischreichtum des Flusses war sprichwörtlich. Fischer nutzten diese Gabe der Natur bis in die Zeit, als der Schleusenbau mit der Mainkanalisierung und die Wasserverschmutzung die Lebensgrundlagen für viele Fische zerstörten. Im Mühlbach hatten die Ratsherren das Fischrecht, mussten aber dafür Abgaben an das Stift bezahlen. Der Mühlbach diente auch als Winterquartier für Kähne und Schiffe.

Die Treidelschiffe, die bis ins 19. Jahrhundert flussaufwärts von Pferden gezogen wurden, legten die Strecke von Stockstadt bis Obernburg linksmainisch zurück und wechselten dann über die Furt auf die andere Seite. Für die Schiffsleute, die in Obernburg übernachteten, waren die Wirtshäuser am Maintor, wie „Karpfen“ oder „Anker“, die bevorzugten Unterkunftsstationen.

12_1 Michelbach Blick auf Obernburg mit Leinreiter um 1700_beschnitten

Josef Michelbach hat mit dieser Zeichnung versucht, die Situation um das Jahr 1700 darzustellen.

Die Lage an einer Handelsstraße

12_2 Kaufmannszug

Von der Handelsstraße von Nürnberg oder Augsburg – Miltenberg – Seligenstadt – Frankfurt (A3 des Mittelalters) profitierten einige andere Gasthöfe, wie z. B. die „Sonne“ (heutiges Sparkassen-gebäude), die „Krone“ (heutiges Gasthaus „Stopschild“), der „Ochsen“ oder der „Löwen“.

 

Bild links: Der Seligenstädter Geleitzug passiert das Obere Tor

13_1 Gasthaus Ochsen vor Umzug
13_3 Haus Scharrer neu ohne Autos
13_2  Sonne und Kern

Links: Ehemaliges Gasthaus „Ochsen“ noch auf der anderen Seite der Römerstraße. Heute steht hier das frühere Postamt. Im kleineren Haus rechts daneben hat das Textilhaus Reichert seinen Sitz.

Rechts: Gasthaus „Sonne“ vor dem Umbau zur Kreissparkasse.

 

Im Jahre 1671 hatten sechs Gastwirtschaften eine Schildgerechtigkeit. Noch 1825 zählte man 14 Gastwirtschaften in Obernburg. So blieb mancher Taler oder Gulden in der Stadt hängen.

 

 

In der Römerstraße zeugen stattliche Fachwerk-häuser heute noch vom Wohlstand ihrer früheren Erbauer. Die Stadtgemeinde erhob als Durch-fahrtsgebühr bis 1891 Pflasterzoll, bekam vom getrunkenen Wein Ohmgeld und vom eingeführten Wein Lagergeld.

Bild links: Fachwerkhaus Römerstraße 41

 

Die Kirche als religiöses Zentrum
Als ein erster Beweis für das Bestehen der Obernburger Pfarrei kann ein Eintrag im Evangeliar der Aschaffenburger Stiftskirche gelten. Darin wurde festgehalten, dass um 950 ein Messbuch an die Kirche in Obernburg ausgeliehen wurde. Die erste Nennung der Pfarrei erfolgte im Jahre 1184 in einer Urkunde des Papstes Lucius III. Das damalige Gotteshaus stand, wie auch das heutige, auf dem „Petersberg“, der sich wegen des leichten Geländeabfalls zur Mainstraße und zur Pfaffengasse als kleiner Hügel darstellte. In Anlehnung an das Patrozinium der Aschaffenburger Stiftskirche „St. Peter und Alexander“ übernahm die Obernburger Pfarrei die Schutzpatrone „Petrus und Paulus“.

Um das kleine Gotteshaus, das 1374 urkundlich erwähnt wurde, gruppierte sich der Kirchhof (Friedhof) mit dem Beinhaus und dem Gaden, der ein aus Stein gebautes Schutz- und Lagerhaus war. Es schlossen sich im Osten das Pfarrhaus mit Nebengebäuden und der Pfarrgarten an. Der Stiftshof rundete das „Pfaffenviertel“ an der Mainstraße im Süden ab. Heute erinnert die Pfaffengasse noch an diesen Bereich, der zu den Kirchengütern zählte.

14_1 Kirchturm 2004 1

Die Erbauung der zweiten größeren, spätgotischen Kirche und des Kirchturms lässt sich in die Mitte des 14. Jahrhunderts datieren. Das Stift musste als Grundherr das Langhaus und den Chor erstellen, die Stadt baute den Kirchturm. Dieses Gotteshaus überdauerte unruhige Zeiten: Kirchliche Missstände in der Zeit vor der Reformation, häufige Pfarrerwechsel in den Zeiten der Reformation, Erlahmung des kirchlichen Lebens bis zur Gegen-reformation, Tod und Verderben in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Die Untertanen des Mainzer Erzbischofs blieben aber trotz gelegentlicher Sympathien zum Luthertum dem katholischen Glauben erhalten, da der Bischof als Landesherr die Konfession bestimmte.

Nach einem Blitzschlag brannte der Turm im Jahre 1581 teilweise ab. Das Dach des Kirchturmes wurde im Renaissancestil wieder aufgebaut, so wie es sich heute noch zeigt. Als dieses Gotteshaus zu klein geworden war, wurde es 1722 unter Pfarrer Johann Philipp Cammer durch ein größeres Bauwerk im Barockstil ersetzt. In Obernburg feiert man heute noch die Galluskerb, weil am Gallustag 16. Oktober 1728 die Kirche konsekriert wurde.

Die Annakapelle - ein Ort Jahrhunderte langer Volksfrömmigkeit
Außerhalb der mittelalterlichen Mauern steht in Mainnähe die Annakapelle, die für viele Obernburger eine besondere Bedeutung hat. Rund um den 26. Juli, dem Namenstag der Hl. Anna, werden hier Gottesdienste gefeiert. Am Sonntag davor oder danach finden sich zahlreiche Gläubige bei einem festlichen Freiluft-gottesdienst ein und besuchen dann die Gräber der Angehörigen auf dem nahen Friedhof. Die Annakapelle als Ort der Volksfrömmigkeit hat an dieser Stelle eine lange Tradition.

Bei einer gründlichen Renovierung der Kapelle entdeckte man im Jahr 1967 unter dem Hauptaltar römische Inschriften, die auf den „unbesiegten Sonnengott Mithras“ hindeuteten. Die Verehrung dieser orientalischen Gottheit verbreitete sich von Persien aus im römischen Reich. Römische Soldaten aus dem Kastell errichteten im Bereich der heutigen Annakapelle eine Kultstätte, deren Überreste später in einer christlichen Kapelle vermauert wurden. Möglicherweise ist auch der Brunnen neben der Kapelle römischen Ursprungs.
 

Aus der Noitburgiskapelle wurde die Annakapelle

15_1 Annakapelle von Michelbach
15_2 Annakapelle Selbtritt 2013

 

Wann die erste christliche Kapelle gebaut wurde, kann man nicht genau festlegen. Der Fund eines Hellerpfennigs, der sich in die Zeit von 1275-1290 datieren lässt, weist möglicherweise auf die Erbauungszeit des ältesten romanischen Teils der Kapelle hin. Der untere breitere Mauerabsatz und die kleinen Fenster stammen aus dieser Zeit.

Bild links: Annakapelle, gezeichnet von Josef Michelbach

Dieses frühe Gotteshaus war der Hl. Noitburgis, einer fränkische Heiligen, geweiht. 1559 wurde das Kapellenschiff erhöht, ein gotischer Chor mit spitzgiebligen Fenstern angebaut und auf der Südseite eine Freikanzel angebracht.


 

In diese Zeit fällt auch die Stiftung einer Annaselbdritt-Figurengruppe (Bild links), welche die Großmutter Anna mit Maria und dem Jesuskind darstellt. Gestiftet wurde sie von Johannes Obernburger (1500-1552), der es bis zum Privatsekretär Kaiser Karl V. (1519-1556) gebracht hatte.

 

Vor dem Dreißigjährigen Krieg ermöglichten es großzügige Pfründe, Spenden und Opfergänge, dass die Kapelle mit Fresken ausgemalt und mit anderen Heiligenfiguren ausgestaltet wurde. Pfarrer Wilhelm Faulhaber verlegte ab 1581 die Feier des Annatages in die Noitburgiskapelle, wodurch die Verehrung der heiligen Anna sehr populär wurde. Ein katastrophales Hochwasser verheerte 1784 die Kapelle schwer. Wie hoch das Wasser stand, zeigt eine Markierung an der Ostseite.

16_1 Annakapelle innen alt

 

Nach der vorgenommenen Renovierung erscheint in den Rechnungen des Kapellenmeisters nur noch der Name Annakapelle. Seit dieser Zeit steht auch der spätbarocke Vierzehnnothelferaltar im Gottes-haus. Das Umfeld der Kapelle diente damals auch als Friedhof. Bei früheren Renovierungen bekam sie dem Zeitgeschmack entsprechende Ausma-lungen oder Ergänzungen. Dabei blieb sie stets eine beliebte Stätte des stillen Gebets und religiöser Feiern.

Johannes Obernburger - ein Beispiel einer politischen Karriere
Um das Jahr 1500 wurde in Obernburg Johannes Schmidt als Sohn einer begüterten Familie geboren. Wie es bei vermögenden Leuten üblich war, bekam der Junge ersten Unterricht beim Frühmesser, der als Geistlicher Messen für Verstorbene zu lesen hatte. Später besuchte er die Lateinschule in Aschaffenburg und dann die Universität in Mainz. Er promovierte über kirchliches und weltliches Recht. Wegen seiner juristischen Kenntnisse, aber auch auf Grund seiner Vielsprachigkeit fand er eine Anstellung als Schreiber in der Kanzlei des Mainzer Erzbischofs. Dieser spielte eine große Rolle in der Reichspolitik und so kam der junge Mann in Kontakt mit Kaiser Karl V., der ihn bald zum kaiserlichen Rat und Sekretär ernannte. Johannes legte den Allerweltsnamen Schmidt ab und nannte sich fortan Johannes Obernburger. Mit diesem Namen unterzeichnete er zahlreiche Urkunden des kaiserlichen Hofes in vielen Städten Europas. Seiner einflussreichen politischen Stellung verdankte er besondere Titel, wie z. B. dem des Propstes am kaiserlichen Krönungsstift St. Bartholomäus in Frankfurt. Damit waren gut dotierte Einkünfte aus Pfründen verbunden.

16_2  Karl V
17_1 Grabmal alt an Außenwand Kirche

 

Kaiser V. (Bild links) verstand sich als universaler Monarch, der nicht nur deutsch-römischer Kaiser war, sondern auch die spanische Königskrone trug. Zu Zeiten Luthers, der Reformation und der Konfes-sionskriege war der Kaiser in verschiedene Konflikte verwickelt.

Auf der Flucht vor den Truppen des Kurfürsten von Sachsen floh Kaiser Karl V. mit seinem Gefolge von Innsbruck nach Kärnten. Dabei verunglückte Johannes Obernburger und starb am 23. Juni 1552 in Villach.

Mit seinem kurz davor verstorbenen Bruder Peter bestatteten ihn seine Verwandten in der Kirche in Obernburg. Sein imposantes Renaissance-Grabmal steht heute im Kirchturm. In seinem Testament stiftete er 1000 Gulden für eine Freischule in seiner Heimatstadt. Aus den Zinsen dieses Vermögens sollte ein Lehrer bezahlt werden, so dass Obernburger Kindern der Besuch einer Schule ermöglicht wurde.

17_3 Obernburg-002 17_21 Haus Vad

Die Stadt ehrte ihn zwölf Jahre nach seinem Tod mit der Anbringung einer Steinbüste an seinem Elternhaus (Nachfolgehaus Römerstraße 26). In unserer Zeit bekam die Volksschule den Namen Johannes-Obernburger-Schule.

Obernburg im Bauernkrieg

17_4 Waffen Bauernkrieg

Die Waffen der Bauern

Im März 1525 rotteten sich Bauern im Taubertal zusammen, die von Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ angestachelt waren. Sie forderten in zwölf Artikeln politische Rechte und Freiheiten. Die Bauernhaufen erstürmten und plünderten Burgen, Schlösser und Klöster, wie bei uns die Wildenburg, Kloster Amorbach oder Himmelthal.

Bei ihrem Zug von Miltenberg nach Aschaffenburg zogen sie Anfang Mai 1525 auch durch Obernburg. Die Obernburger schlossen sich dem Zug nicht an, weil sie bereits viele der angestrebten Rechte und Freiheiten besaßen. Unter Führung des Götz von Berlichingen belagerten die Bauern die Aschaffenburger Burg. Schon bald akzeptierte der kurfürstliche Statthalter Wilhelm Graf von Hohenstein die Forderungen der Aufständischen. Die Landstädte wurden trotzdem aufgefordert, Gehorsam gegenüber der kurfürstlichen Regierung zu zeigen. Der Obernburger Schultheiß und seine Ratsherren erklärten daraufhin die Treue der Stadt vor dem Vizedom Philipp Echter.

Als im Juni 1525 die Bundesheere der Adeligen und Fürsten den Bauernaufstand niederschlugen, musste die Stadt allerdings die durchziehenden Truppen unterbringen und verköstigen. Das Auftreiben der Brandschatzung (Verschonung vor Zerstörung) und der Fürstenatzung (Verpflegung) in Höhe von 250 Golddukaten bereitete den Ratsherren große Mühe. Bei der Huldigung an den Kurfürsten ließen sich die Obernburger aber immer wieder ihre alten Rechte und Freiheiten bestätigen.

Zeit des Hexenwahns

18_1 Hexenturm Zeichnung 1927
18_2 Hexenturm_Aufzug sepia

Auf ein trauriges Kapitel der Stadtgeschichte weist der Name des Hexenturms hin. Das Verließ im unteren Teil des Turmes lässt heute noch erahnen, welche Qualen Menschen in diesem dunklen Raum erdulden mussten, in das sie durch das enge „Angstloch“ herunter gelassen, mit Wasser und Brot notdürftig versorgt und auf einem Strohsack allein gelassen wurden. Einige Namen von diesen beklagenswerten Leuten sind uns noch bekannt, die in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges der Hexerei beschuldigt und Unsägliches erlitten haben.

 

 

Der Ochsenwirt, der im Dreißigjährigen Krieg zu Reichtum gekommen war, wurde der Hexerei beschuldigt. Eine Frau, genannt „Fachengel“, geriet in den Verdacht verhext zu sein, wurde aber nicht verurteilt. Der Fall der Katharina Märchtin blieb uns überliefert, weil in ihrem Prozess, der sich von 1642-1644 hinzog, ein juristisches Gutachten der Universität in Ingolstadt angefordert wurde. Sie hatte ihr lediges Kind, das bei der Geburt starb, in einem Stall begraben und kam wegen einiger Ungereimtheiten in den Verdacht, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Ob und wie sie zu Tode kam, bleibt in diesem Dokument unklar. Aber ihr ungenannter Bruder, eine Frau mit Namen Maria Oberlein und Jonas Ludwig waren der Hexerei angeklagt und wurden hingerichtet.

Der aufgeklärte Stadtpfarrer Klöpper erklärte die Anschuldigungen als Unsinn. Er wurde wegen seiner Haltung von Hexenanhängern angegangen und schließlich 1647 versetzt.

Der Dreißigjährige Krieg - eine Jahrhundertkatastrophe

19_1 Gustav Adolf
19_2 Haus Benninger mit Leuten

Ehemaliges Gasthaus “Krone”

Das 16. und der Anfang des 17. Jahrhunderts waren für das Mainzer Oberstift Zeiten wirtschaftlicher Blüte. Die ersten Jahre des Dreißigjährigen Krieges (1614-1648) blieben für unser Gebiet ohne spürbare Beeinträchtigung. Erst als im November 1631 der schwedische König Gustav Adolf (Bild links) mit seinen Truppen durch die „Pfaffengasse des Reiches“ von Würzburg über Miltenberg und Aschaf-fenburg Richtung Mainz zog, fingen auch für Obernburg die furchtbaren Bedrängnisse an. Der König, seine hohen Offiziere und Beamten quartierten sich im Gasthaus „Krone“ (heute Gasthaus „Stopschild“) ein, die Landsknechte, ihre Begleitungen und die Pferde mussten bei den Bürgern unterkommen.

Nun folgten über 17 Jahre lang beständig Durchzüge von Truppen, bei denen Freund und Feind nicht zu unterscheiden waren. Alle wollten Quartier, Wein, Verpflegung und Geld. Die Obernburger Stadtkasse hatte Kontributionen zu zahlen, Lieferungen an besetzte Nachbarorte zu übernehmen, Geiseln auszulösen oder Schmiergeldzahlungen zur Scho-nung der Stadt zu veranlassen. Trotzdem kam es zu Plünderungen und Zerstörungen durch das Kriegsvolk. Pferde zertrampelten Felder und Wiesen und hinterließen Dreck und Abfall. Unsägliches Leid durch Hunger entstand, wenn Ernteerträge geraubt, Saatgut verfüttert und Wintervorräte geplündert wurden. Hunger, Kälte und Krankheiten rafften viele Einwohner dahin. Von 190 Familien am Anfang des Krieges blieben 84 am Ende übrig.

1644 konnten nur noch 64 Bürger und drei Witwen Abgaben zahlen. Lediglich der Verkauf von Holz aus dem Stadtwald brachte gelegentlich noch etwas Geld in die Stadtkasse. Ein Glück für manche Obernburger war, dass sie über Monate hin Schutz für sich und ihr Vieh in der Burg Breuberg fanden.

Allerdings profitierte so mancher Wirt von den Einquartierungen und Verköstigungen, denn sie ließen sich ihre Dienste bezahlen, so dass sie nach dem Krieg besser situiert waren als andere total verarmte Bürger. Nur allmählich erholte sich die Stadt von den Kriegsverlusten.

Europäische Kriege – Not in Obernburg
Am österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748) wird deutlich, wie Obernburg 100 Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg wegen machtpolitischen Konflikten in Europa leiden musste. Der Preußenkönig Friedrich der Große war mit Frankreich verbündet. Die Franzosen schickten ihre Truppen auch in unser Untermaingebiet, währenddessen die englischen Truppenverbände mit der pragmatischen Armee den Österreichern zu Hilfe eilten. In der bekannten Schlacht von Dettingen (23. Juni 1743) blieben die Engländer Sieger. Obernburg erlebte in diesen Monaten die Einquartierung von französischen Soldaten, die mit großer Rücksichtslosigkeit und Brutalität die Einwohner behandelten und unerfüllbare Forderungen stellten. Als im Winter 1744/45 ein französisches Bataillon Quartier bezog, presste das Soldatenvolk wieder das Letzte aus der Bevölkerung heraus, so dass danach die Bürger total verschuldet und verarmt zurückblieben.

Das Fischerskreuz – Denkmal eines unschuldigen Kriegsopfers
Nur 50 Jahre danach bedrängten wieder Truppen in den Koalitionskriegen die Stadt. Französische Truppen unter General Jourdan stießen im Sommer 1796 nach Franken vor. Kaiserlich-österreichische Soldaten wurden im August in Obernburg einquartiert. Als die Franzosen am 3. September in Würzburg eine Niederlage erlitten hatten und sich zurückzogen, rückte eine französische Einheit mit großer Überlegenheit auf Obernburg zu.

20_1 Fischerskreuz 2012_3

Es kam zu Kämpfen mit den Österreichern. Diese zogen sich nach Wörth zurück und die Franzosen besetzten die Stadt und plünderten sie aus.

Viele Obernburger hatten sich über den Main geflüchtet, andere suchten Schutz in den Gräben des Roten Busches. Als französische Soldaten aus den Weinbergen beschossen wurden, wollten drei berittene Chasseurs (Jäger) den Schützen verfolgen und ritten über den Stadtberg. Drei Jugendliche hatten die schützenden Gräben verlassen und hielten Ausschau. Dabei wurden sie gesichtet und verfolgt. Nur Franz Josef Fischer erreichte den schützenden Wald nicht mehr rechtzeitig und wurde von den Reitern auf grausame Art zusammengeschlagen und ermordet. Noch heute erinnert das Fischerskreuz (Bild links) am Rande des Roten Busches an diese brutale Bluttat.

Damit waren aber die Bedrängnisse noch lange nicht zu Ende, denn bis 1814 brachten die Napoleonischen Kriege noch viel Leid und Not über die Einwohner Obernburgs.

Politische Umwälzungen in Folge der französischen Revolution (1789-1799)
Fast 20 Jahre litt Europa nach der französischen Revolution unter Kriegen und politischen Umwälzungen. 1792 besetzten die Franzosen die kurfürstliche Hauptstadt Mainz. Der vorletzte Kurfürst Karl Friedrich von Erthal (+1802) zog sich in seine Zweitresidenz im Aschaffenburger Schloss zurück. Als beim Frieden von Luneville 1801 das linke Rheinufer zu Frankreich kam und das Erzbistum 1803 säkularisiert wurde, entstand aus Teilen des Mainzer Oberstifts das Fürstentum Aschaffenburg.

21_2 Karl Theodor von Dalberg

Der Nachfolger Erzbischof Carl Theodor von Dalberg (Bild links), ein Freund Napoleons, regierte nicht nur unser Gebiet, sondern auch die Stadt Regensburg und Wetzlar. Als Fürstprimas des Rheinbundes konnte er sogar seinen Herrschaftsbereich vergrößern, als er 1810-1813 Großherzog von Frankfurt wurde.

Nach der Niederlage Napoleons bei der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 verlor Dalberg das Großherzogtum.

21_3 Grenzsteine 1

Grenzstein des Dalbergstaates, noch zu finden an der Grenze von Obernburg zu Hessen im Wald.

Links: Der hessische Löwe und die Abkürzungen::

Großherzogtum Hessen, darunter Breuberg

Rechts: Mainzer Rad und die Abkürzungen:

Großherzogtum Frankfurt Fürst Primas und

darunter O für Obernburg

Das Königreich Bayern vereinnahmte das Department Aschaffenburg am 19. Juni 1814. Nach fünf Jahrhunderten endete damit die Mainzer Herrschaft. Obernburg wurde Teil des bayerischen Untermainkreises im Königreich Bayern.

22_1 Mainzer Rad

Das Mainzer Rad an der Fassade des ehemaligen Stadtschreiberhauses in der Mainstraße erinnert an Obernburgs Mainzer Zugehörigkeit.

22_2  Wappen_Deutsches_Reich_-_Königreich_Bayern_(Grosses)

Die Titel des damaligen Obernburger Amtsvogts Franz Braun zeigen die wechselnden Herrschaftsverhältnisse:

  • 1791 als mainzisch kurfürstlicher Amtsvogt im Kurfürstentum Mainz unter dem Erzbischof  Karl Friedrich von Erthal,
  • 1803 als kurerzkanzlerischer Amtsvogt im Fürstentum Aschaffenburg unter dem Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg,
  • 1810 als Districts Maire im Großherzogtum Frankfurt auch unter dem Fürstprimas,
  • 1814 als königlicher baierischer Landrichter im Königreich Baiern unter König Maximilian I.
22_1 Grabstein Stadtschultheiss Braun
22_2 Grab-Inschrift Rathsschultheiß Braun

Ein unscheinbarer Grabstein an der Annakapelle erinnert an einen Zeit-zeugen dieses Geschehens, an den 1817 verstorbenen Ratsschultheiß Benedict Joseph Braun.

 

Das bayerische Obernburg wird Bezirksstadt
Als Ergebnis des Wiener Kongresses 1814/15 musste Bayern seine österreichischen Zugewinne im Vertrag von München großenteils wieder aufgeben, bekam aber zum Ausgleich Teile der Pfalz sowie Gebiete um Würzburg und Aschaffenburg. Dadurch kam 1814 Obernburg zu Bayern. Die Krone Bayerns versuchte mit allen Mitteln das neu erworbene Gebiet von den alten Mainzer Bräuchen und Gewohnheiten loszubringen. Mit Polizeigewalt wurden in der Kirche das Singen der alten Lieder des Mainzer Gesangbuches unterbunden. Interessant ist auch, dass es bis 1814 in der Stadt nur Katholiken gab. Erst mit den von der bayerischen Verwaltung eingesetzten Beamten kamen nun auch evangelisch-lutherische Christen in die Stadt.

Die ersten beiden Jahre der Zugehörigkeit zu Bayern waren fruchtbare Jahre. Doch dann folgten 1816 und 1817 Regenjahre, in denen Getreide und Kartoffeln auf den Feldern verfaulten. Danach blühten Handel und Gewerbe wieder langsam auf, nicht zuletzt auch wegen der in Obernburg ansässigen Behörden.

23_1 KarteKönigreich Bayern und Deutscher_Bund
23_2 Stadtwappen

Wie eingangs erwähnt gaben sich die Obernburger Stadtväter 1818 ein neues Wappen, dessen Symbole an die ersten 500 Jahre der Stadtgeschichte erinnern sollten.

Das weitab von München an der Nordwestecke des Königreichs Bayern gelegene Obernburg, das im Kurfürstentum Mainz seit 1782 Amtsvogtei für die frühere Cent Bachgau war, wurde 1814 Sitz eines königlich bayerischen Landgerichts 2. Klasse für dieses Gebiet. Im Jahr 1828 gelang es, das Gebiet von Kleinwallstadt und des nördlichen Spessartumlandes dazuzugewinnen.

24_1 Briefkopf Landgericht

Um Räumlichkeiten für dieses vergrößerte Landgericht zu schaffen, waren an den bestehenden Gebäuden am Kirchplatz Veränderungen erforderlich. So musste der Frühmesser, ein Geistlicher, der auf Grund von Stiftungen Messen für die Seelen von Verstorbenen zu lesen hatte, in das frühere Stadtschreiberhaus in der Mainstraße umziehen. (Als Stadtschreiber bezeichnete man den mittelalterlichen Leiter einer städtischen Kanzlei. Durch seine juristische Bildung, Erfahrung und lange Dienstzeit konnte er auf die Stadtentwicklung oft einen bedeutenderen Einfluss ausüben als der jeweils nur kurzfristig amtierende Bürgermeister.)

24_1 Rathaussituation vorher 24_2 Rathaussituation nachher

Die Mädchenschule war schon 1826 in das Haus Nr. 240 in die Hauptstraße (heute Textilhaus Reichert in der Römerstraße) umgezogen. Nachdem auch die Knabenschule in das Haus der bisherigen Mädchenschule (Gebäude der späteren Drogerie Schuck) umgezogen war, konnten dann 1829 das Frühmesserhaus und das alte Knabenschulhaus zum königlich bayerischen Landgerichtsgebäude mit einem gemeinsamen Treppenhaus zusammengefügt werden. Dieser Zusammen-bau ist heute noch an der Rathausfassade in der Römerstraße zu erkennen.

25_1 Rathauseingang
25_2 Plan Rathaus Umbau 1 mit Text

Das 1868 auf den Fundamenten des abgebrochenen Vorgängerbaues von 1452 im neugotischen Stil errichtete Rathaus an der Ecke Römerstraße/ Mainstraße verschließt seitdem den direkten Durchgang von der Römerstraße zum Kirchplatz. Im Parterre des Rathauses befanden sich damals u. a. das Feuerwehrgerätehaus und später die Stadtwaage.

25_3 Rathaus Postkarte 19 Volksstaat Bayern
25_4 Römerhaus alt vor Umbau

Das Frühmesserhaus

Ein neues Gesetz brachte 1861 die Trennung von Verwaltung und Justiz und das Ende der bisherigen Landgerichte. Deshalb musste ein gemeinsames Bezirksamt für die bisherigen Landgerichte Obernburg und Klingenberg errichtet werden. Aber in beiden Städten fehlte es an geeigneten Gebäuden. Da Obernburg sich zur Erbauung eines entsprechenden Gebäudes bereit erklärt hatte, erhielt es den Sitz dieses neuen Bezirksamtes und das Gebiet um Klingenberg wurde 1862 verwaltungsmäßig Obernburg zugeschlagen.

26_1 Bezirksamt Obernburg Karte
26_2 Bezirksamt 1930
26_3 Bezirksamt Jahreszahl

1863 erbaute man für das vergrößerte Bezirksamt ein neues Sandsteingebäude in der nördlichen Römerstraße (Bild links), in dem nicht nur das Bezirksamt, sondern auch das Amtsgericht seine Amtsräume hatte.

Obernburg wurde damit zur Bezirksstadt, ab 1939 nannte man es Kreisstadt.

27_1 Landkreis Obernburg Karte coloriert

Gleichzeitig wurde 1863 auch ein Gefängnis an der Lindenstraße/Ecke Kreßstraße erbaut (Bild links), in dem bis 1939 Gefangene einsaßen. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten auch Jugendliche darin ihren Freizeitarrest verbringen.

27_2 Gefängnis mit Mauer 27_3 Gefängnis vor Abriss

Beim Bau des Ämtergebäudes wurde das Gefängnisgebäude abgerissen.

Bevölkerungsentwicklung
In der bayerischen Zeit wurde die Einwohnerzahl regelmäßig amtlich festgestellt. 1814 wohnten 1.345 Bürger in Obernburg, 1820 waren es 1.548. Am 1. Januar 1825 lebten 1.720 Menschen in 290 Häusern und zwar 764 männlichen und 956 weiblichen Geschlechts. Pfarrer Faulhaber notierte weiter: „Unter diesen sind 264 Ehemänner aus Herren, Bürgern und Beisassen bestehend, 264 Eheweiber, 20 Wittmänner, 75 Wittweiber, 20 Handwerksgesellen, wovon 13 fremde und sieben hiesige sind, sechs Lehrjungen, nämlich zwei fremde und vier von hier, 32 Knechte, nämlich 22 fremde und 10 hiesige.

In Obernburg sind ferner 236 Schulkinder, nämlich 130 Mädchen und 106 Buben, 721 ledige Erwachsene und Kinder beiderlei Geschlechts. Unter allen diesen befinden sich drei Protestanten, nämlich die Frau und Tochter des Brigadiers und ein Gerbergeselle.

Bürgerliche Gewerbsleute sind in Obernburg: neun Krämer, elf Gastwirte mit Schildgerechtigkeit (d.h., sie boten neben Essen und Trinken auch Übernach-tungsmöglichkeiten, vier Straußenwirte, welche nur Zapfgerechtigkeit haben und deshalb weder Kost- noch Nachtquartier geben dürfen. Fünf Bierbrauer, von denen zwei im vorigen Jahre gleich außer der Stadt sich Felsenkeller zur Aufbewahrung des Bieres gebaut haben und der eine sogar ein Haus zum Bierzapfen nahe dabei errichtet hat. Zehn Branntweinbrenner, zwei Bord- und Lattenhändler, drei Holzwarenhändler, ein Chirurg, ein Geometer, ein Thierarzt, ein Kaminfeger.

Professionisten und Handwerker ohne Zunft befinden sich hier: 13 Bäcker, ein Müller, ein Frucht- und Mehlhändler, ein Färber, zwei Metzger, zwei Rothgerber, zwei Hutmacher, zwölf Küfer (ihre Zahl zeigt, wie bedeutend der Weinbau damals noch war), ein Spengler, sechs Lebküchler, die wegen ihrer guten Lebkuchen bekannt waren, ein Glaser, sechs Schreiner, vier Schlosser, vier Wagner, ein Nagelschmied, fünf Seiler, drei Sattler, zwei Dreher, ein Säckler und Kappenmacher, ein Lichter- und Seifenmacher, acht Maurer, fünf Tüncher, ein Ölmüller, sieben Schneider, 15 Schuhmacher, fünf Zimmerleute, ein Stärkefabrikant, sechs Schiffleute mit ganzen Zügen zum Holz verführen, sechs Scheicher, acht Fischer, ein Querfährer auf dem Main, ein Frucht- und Holzmesser, zwei Hebammen, drei Rasierer, ein Stiftshofbauer.

Es waren 64 Bauern mit Vieh und Wagen. Die Gespänne bestanden aus 42 Pfer-den und die übrigen aus Ochsen und Kühen, zudem gab es acht Chaisen. Die übrigen Einwohner waren Schiffsknechte, Hacker, Holzhauer und Taglöhner. Der geistliche und weltliche Beamtenstand, samt Lehrpersonal, bestand aus 22 Personen.“

Die Bevölkerung wuchs weiter. Im Jahre 1840 lebten bereits 2.534 Personen in Obernburg.

Die Stadtmauern fallen
Besonders im Sommer verbreiteten die vor vielen Häusern angelegten Misthöfe und Jauchegruben sowie die oberirdisch in den Mühlbach oder den Main geleiteten Abwässer wegen der fehlenden Luftzirkulation penetrante Gerüche. Aus diesen hygienischen Gründen und um ein Wachstum der Stadt ins Umfeld zu ermöglichen, riss man zwischen 1860 und 1890 große Teile der einengenden und marode gewordenen Mauern, zunächst an der Westseite der mittelalterlichen Befestigung, ab.

29_1 Stadtansicht um 1850

Ebenso trug man das Maintor (nach 1866) und das Untere Tor (1839) ab, weil sie sich für die größer gewordenen Fuhrwerke als Hindernisse erwiesen. Das Untere Tor musste jedoch 1845 auf Anordnung des Landgerichts in der heutigen Form als Denkmal wieder aufgebaut werden.

29_2 Maintor Ruine

Das teilweise zerfallene Maintor

29_2 Unteres Tor

Das neu errichtete Untere Tor

In diesem Stadtrelief sind die Reste der Stadtmauer (weiße Linien) sowie die bis heute noch erhaltenen Tore und Türme gekennzeichnet.

30_1 Stadtplan Stadtrelief mit Text
30_2 Stadtmauer Almosenturm lang 30_3 Stadtmauer Oberes Tor Täschenturm

Die Bilder zeigen die Reste der Stadtmauer am Almosenturm (links), zwischen Oberem Tor und Täschenturm (Mitte) und am Unteren Tor (zwei Bilder rechts).

30_4 Stadtmauer Unteres Tor
30_5Stadtmauer Unteres Tor Kindergarten
31_1 Almosenturm 31_2 Gumpenturm01
31_3 Hexenturm7 31_4 Runder Turm 006

Erhalten blieben auch die fünf Türme:
Almosenturm, Gumpenturm, Hexenturm, Runder Turm und Täschenturm.

Ab etwa 1880 restaurierte man Almosen-, Hexen- und Täschenturm. Zwischen 1889 und 1891 wurde der Runde Turm generalüberholt.

31_5 Täschenturm03
31_6 Blick auf Kreisel und Stadt 31_7 Unteres Tor 2013

Bis heute erinnern auch noch das Obere Tor (links) und das neu errichtete Untere Tor (rechts) an die Stadtbefestigung.

Die Steine der niedergelegten Mauern waren begehrt und wurden nicht nur zum Hausbau wiederverwendet. Unterhalb der Annakapelle gab es die so genannten Kapellengriesinsel. Den Mainarm zwischen Insel und Mainufer füllte man mit dem Bauschutt der Stadtmauer auf und gewann so Garten- und Wiesenflächen. Außerdem wurde die Rampe der ersten Mainbrücke mit dem Abbruchmaterial errichtet.

32_1 Kapelleninsel

1890 entschloss sich die katholische Kirchengemeinde, die zu klein gewordene Pfarrkirche zu erweitern. Man brach den Chor der alten Kirche ab und erweiterte das Langhaus mit Steinen von der abgetragenen Stadtmauer und fügte zwei Seitenschiffe an. Ein neuer Chor wurde nach Osten vorgebaut. Die Einweihung der im Nazarenerstil ausgestatteten Kirche erfolgte im Mai 1891. Am gleichen Tag weihte man auch die erste Mainbrücke ein.

32_3 alte Kirche
32_2  Kirche 3

Da in den Jahrhunderten nach der Stadtgründung außerhalb der Mauern kein Wohnhaus stehen durfte, waren die Menschen gezwungen, auf engstem Raum zu leben. Beengt wohnten sie in kleinen Wohnungen, Tür an Tür mit ihren Haustieren. Oft war kaum Sonnenlicht in den Höfen und Häusern zu sehen (Schwarzviertel).

33_4  Untere Wallstraße Leute Vieh Häuserwinkel
33_2 Haus Ratter
33_1 Schwarzviertel

Wenn es dann brannte, waren die Auswirkungen, wie beim Großbrand von 1913 zwischen Unterer Wallstraße, Schustergasse und Oberer Gasse verheerend.

33_5 Lindenstraße Haus Stahl um 1910
33_6  Bauer Lindenstrasse

Entlang der Lindenstraße, die 1899 diesen Namen erhielt, entstanden die ersten bäuerlichen Aussiedlerhöfe.

34_1 Blick von Polizei stadtauswärts
34_2 Forsthaus
34_3 Amtsgericht

In der nördlichen Römerstraße Richtung Großwallstadt wurden private und öffentliche Gebäude errichtet, wie 1890 das Haus von Oberst Julius Rohe (Bild oben links), 1897 das Forstamt (Bild links) und 1900 das Amtsgericht (Bild rechts).

Obernburger wandern nach Amerika aus
Die meisten Obernburger lebten als Kleinlandwirte, die auch noch ein Handwerk betrieben. Sie waren auf den Ertrag ihrer Felder und Wiesen angewiesen, die aber meist durch Erbschaftsteilungen auf Kleinstparzellen geschrumpft waren. Viele ihrer zahlreichen Kinder sahen bei uns keine Zukunftschancen mehr und wanderten Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika aus.

35_1 Auswanderer 2

Einige von ihnen gründeten 1846 im Staat New York einen Ort, dem sie den Namen Obernburg gaben.

35_3 Obernburg USA

Auch der 1852 zum katholischen Bischof von Philadelphia geweihte und inzwischen heilig gesprochene Johannes Nepomuk Neumann (Bild unten rechts) war der Sohn eines Obernburger Auswanderers.

35_2 Auswandererschiff Verpflegungsliste 1846
35_4 Neumann

Eisenbahn und Brückenbau
Eisenbahnen veränderten seit 1835 das Verkehrswesen in Deutschland und beendeten das Postkutschenzeitalter. Am 12. November 1876 fuhr die erste Eisenbahn von Aschaffenburg nach Miltenberg, allerdings nicht auf der Obernburger Mainseite. Die Lokalbahn Obernburg-Elsenfeld nach Heimbuchenthal wurde erst am 10. Januar 1910 eröffnet.

36_2 Bahnhof Obernburg mit Amtspersonen
36_1 Obernburg  mit Fähre und Eisenbahnstation
36_3 Fliegende Brücke 1

Obernburg war jetzt zwar an das deutsche Eisenbahnnetz angebunden. Da man aber von Obernburg nur mit einer Fähre über den Fluss ans Elsenfelder Ufer zum Bahnhof kam, verpasste man oft wegen Hochwassers, Eisgang oder wegen des Floß- bzw. Schiffsverkehrs den Zug.

Die Fähre, die an einem über den Main gespannten Seil angehängt war, nannte man die „fliegende Brücke“.

37_1 PeterKress
37_2Brückenzollticket

Zur Finanzierung muss-ten Brückenbenutzer bis 1922 Brückenzoll be-zahlen.

Als schließlich die Bemühungen, eine Bahnlinie von Aschaffenburg nach Höchst über Obernburg zu führen, fehlgeschlagen waren, war es das Bestreben von Bürgermeister Peter Kreß (Bild links), eine Brücke zum Bahnhof zu bauen. Tatsächlich gelang es der Stadt aus eigener Kraft für 320.000 Mark eine Brücke über den Main zu errichten, die am 28.12.1890 dem Verkehr übergeben und am 25. Mai 1891 feierlich eingeweiht wurde.

37_3 Erste Mainbrücke und Fähre
37_4 erste Brücke

Postwesen
Obernburg war seit 1750 Poststation, als die Postroute von Miltenberg nach Frankfurt auf die linke Mainseite verlegt wurde. Ab 1869 gab es eine Telegraphenstation, ab 1891 eine Postomnibusverbindung Obernburg-Eisenbach-Mömlingen. 1899 waren zwei Briefkästen angebracht, die täglich vier Mal entleert wurden. Die erste staatliche Telefonanlage Obernburgs nahm 1900 ihren Betrieb auf.

38_1 BriefUmschlag1862

 

Das ist einer der ältesten bislang gefundenen und in Obernburg aufgegebenen Briefe. Er ist mit einer "Sechs-Kreuzer"-Marke in Blau frei-gemacht und mit dem geschlos-senen Mühlradstempel 362 (stammend aus dem Jahre 1862) abgestempelt. Adressiert ist er nach Altenkonstadt bei Barstadt.

Obstanbau statt Weinanbau
Der Weinbau, der Jahrhunderte lang ein wichtiger Erwerbszweig war, verlor nach 1814 an Bedeutung. Dafür breitete sich der von der bayerischen Regierung geförderte Obstbau in den früheren Weingärten und im Umland stark aus. Die 1890 von Prälat Benkert gegründete Obstverwertungsgenossenschaft Obernburg, genannt OVGO (Bild unten), wurde zu einem wichtigen Zentrum der Obstverarbeitung und des Obsthandels in unserer Region.

38_2 Ovgohof Babilon Burg Oberle
38_3 Ovgo Kneipp Empfehlung

 

Obernburger Produkte erlangten national einen guten Ruf, was unter anderem auch Pfarrer Kneipp bestätigte. 1894 wurden bereits mit 20 Keltern 22.000 Hektoliter Apfelwein und 29.000 Flaschen Sekt erzeugt. Ab 1905 produzierte man auch Tomatenpüree, Marmelade und Konfitüre.

Steinhauerei
Auch mit der Gewinnung und Verarbeitung von Sandsteinen verdienten Obern-burger ihren Lebensunterhalt. Steinbrüche gab es zwischen Obernburg und Wörth, am Stadtberg und am Großwallstädter Berg. Nach 1890 verlegten die Steinhauer, die vorher ihre Arbeitsplätze an der Lindenstraße hatten, diese auf die neu entstandenen Flächen am Mainufer in den heutigen Mainanlagen. Sie fanden hier einen idealen Arbeits-, Stapel- und Verladeplatz.

39_2 Main Babilon Steinhauer Oberle

Mainschiffe und später die Eisenbahn verfrachteten die behauenen roten Sandsteine in die mainabwärts gelegenen Städte, vor allem zunächst nach Frankfurt, wo ganze Stadtteile und Straßenzüge aus diesem Sandstein gebaut wurden. Heute sind die Steinbrüche verlassen und zugewachsen. Sandstein wurde von anderen Baumaterialien abgelöst.

Leben am und mit dem Main
Wer heute am Main spazieren geht, kann sich kaum noch vorstellen, wie betriebsam es noch bis 1930 am Mainufer zuging. Mainschiffe lagen am Ufer und wurden be- und entladen. Die Fischer fuhren mit ihren Nachen zum Fischfang. Die Sandschöpfer schaufelten den Mainsand vom Sandnachen an Land. Am Holzlagerplatz herrschte reger Verladeverkehr. Zur Erntezeit stand die Dreschmaschine am Mainufer.

Die Zeit der Leinreiterschiffe war vorbei, als 1841 das erste Dampfboot den Main hinauffuhr. Es sah so aus, als wäre dies die Zukunft der Mainschifffahrt. Aber es kam anders. Die Dampfboote wurden um 1858 von dampfbetriebenen Kettenschleppschiffen abgelöst, was massive bauliche Korrekturen des Flusslaufes erforderte. Man benötigte tieferes Fahrwasser. Dies erreichte man durch die Verengung des Flussbettes durch Buhnen und Parallelwerke.

Die Kettenschlepper, die der Volksmund „Mainkuh“ nannte, fuhren mit viel Lärm mainaufwärts, bis auch sie nach dem Ausbau des Maines mit Staustufen keine Zukunft mehr hatten.

40_1  Kettenschiff und Ovgoburg

Kettenschlepper vor Obernburg

41_1 Stich Obernburg 1898

Quelle: Geographisch-historisches Handbuch von Bayern aus dem Jahr 1898

Straßenbau und Kanalisierung
Ab 1889 begann man, die bisher unbefestigten Gassen zu pflastern. 1892 und 1901 wurden die Mainstraße und die Hauptstraße, heute Römerstraße, kanalisiert. Um die Lindenstraße besser mit dem Zentrum zu verbinden, wurden zwischen 1903 und 1908 die Schillerstraße und um 1926 die Runde-Turm-Straße angelegt und ausgebaut, wobei Häuser in der Römerstraße abgerissen wurden (Bild links: Schiller-, rechts: Runde-Turm-Straße).

41_3 Runde Turm Strasse Abb Müller
41_2 Maintorpfeiler

Zwischen 1907 und 1912 wurde die Lindenstraße durch Grundstücksankäufe auf neun Meter verbreitert, teilweise kanalisiert und ausgebaut. Mit der Pflasterung und Kanalisierung der Straßen wurden zugleich auch die kleinen Seitengässchen umgepflastert, die früheren offenen Dungstätten mit Betonmauern eingefasst und die abfließenden Gewässer entweder unterirdisch in die Straßenkanäle oder in Jauchegruben geleitet. Durch diese Maßnahmen kam Obernburg in den Ruf, eine der saubersten Kleinstädte Unterfrankens zu sein.

Wasserversorgung
Im Jahre 1901 wurde für 85.000 Mark eine mit natürlichem Gefälle verlegte Wasserleitung vom Lautergraben am Roten Busch bis zum Hochbehälter an der Brunnenstraße verlegt und jedes Haus bekam einen Wasseranschluss. Die zahlreichen öffentlichen Pumpbrunnen, die die Ziehbrunnen abgelöst hatten, konnte man nun stilllegen. Beim großen Brand 1913 im Schwarzviertel war die Wasserleitung aber keine Hilfe, da zu diesem Zeitpunkt Ausbesserungsarbeiten durchgeführt wurden.

42_1 Karte Wasserversorgung mit Verlauf

Elektrizitätsversorgung
Die alten Petroleumleuchten wurden von elektrischen Lampen abgelöst, als ab 1906/07 die mit einer Turbine und einem Generator modern ausgestattete Knechtsmühle (Bild rechts) am Mühlbach den nötigen Strom für die Straßenbeleuchtung und auch für die Haushalte lieferte. Als Konzession musste die Knechtsmühle die für die Obernburger Mainbrückenbeleuchtung nötige Elektrizität liefern. 1922 war diese Zeit vorbei, als die Stadt mit der Kreis AG Unterfranken (Überlandwerk) einen neuen Stromliefervertrag vereinbarte.

43_1 Stromvertrag 3
43_2 Knechtsmühle und Mühlbach vor Abbruch

Gesundheitswesen
Der erste staatlich angestellte Arzt kam 1826 nach Obernburg ans Landgericht. Ein  Jahr später gründete der Klingenberger Apotheker Schuck in Obernburg eine Filialapotheke. Im Jahr 1900 hatte Obernburg 1736 Einwohner. Zwischen 1876 und 1900 wurden im Durchschnitt jährlich 60 Kinder geboren, von denen im Schnitt nur 40 das schulpflichtige Alter erreichten.

43_3 Krankenhaus

 

Aufgrund einer Stiftung des Bürgermeisters und Arztes Dr. Thomas Zöller wirkten ab 1894 bis 1966 Ordenskrankenschwestern in Obernburg

 

1899 wurde Obernburg durch den Bau des Distriktkrankenhauses (Bild links) zentraler Mittelpunkt für die Krankenversorgung des Bezirkes.

Schule und Kinderbewahranstalt
Für die steigende Zahl der Schulkinder baute die Stadt 1879 die Mädchenschule (Bild links) und 1909 die Knabenschule sowie ein repräsentatives Lehrerwohnhaus (Bild rechts) nördlich des Unteren Tores. An der Römerstraße zwischen Mädchen- und Knabenschule errichtete der Krieger- und Veteranenverein 1910 für die Kriegsteilnehmer von 1866 und 1870/71 ein Denkmal mit einem liegenden Löwen.

44_1 Mädchenschule 2013

Eine Kleinkinderbewahranstalt gab es bereits seit September 1865 im umgebauten ehemaligen Gefängnis am Stiftshof.

1905 wurde ein Neubau an der Frühlingsstraße errichtet (Bild rechts), der mehrfach erweitert wurde.

Der Erste Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg mussten auch viele Obernburger Soldaten ihr Leben lassen oder kehrten als Invaliden zurück. Am 1. August 1914 abends wurde die Mobilmachung für Reserve, Ersatzreserve und Landsturm bekannt  gemacht.

 

 Bild rechts: Obernburger Landsturm

 

44_2 Knabenschule
44_3 Kindergarten
44_4 Obernburger Landsturm 1914

Am Sonntag danach rückten die ersten Reservisten nach Empfang der Sakramente ein. Bis Kriegsende wurden 400 Obernburger einberufen. Für die 55 Gefallenen und Vermissten und die 13 in der Heimat an Kriegsverletzungen Verstorbenen weihte man 1922 an der Annakapelle einen Kriegergedächtnisaltar (Bild links) ein.

45_1 Kriegeraltar Einweihung
45_2 KreditBankOBBNotgeld1923

Wegen des Krieges herrschten auch in der Heimat Hunger und Elend. Die nachfolgende Inflation vernichtete bis 1923 viele Ersparnisse und brachte große Not für die meisten Obernburger.

Die Glanzstoff
Nach dem Kriegsende wurde 1919 auf der anderen Mainseite auf dem Gebiet der Wüstung Mainhausen mit dem Bau der Bayerischen Glanzstoff-Fabrik AG begonnen. Im Jahr 1924 bedeutete der auf dem anderen Mainufer anlaufende Betrieb mit 272 Mitarbeitern, dass es wieder Hoffnung gab. Obernburger Kleinhandwerker und Kleinbauern fanden hier neue Arbeitsplätze. Auswärtige Facharbeiter oder leitende Angestellte zogen nach Obernburg. Leider gab Obernburg dem neuen Werk nur den Namen, die Steuereinnahmen flossen vorwiegend nach Erlenbach.

45_3 Glanzstoff Zeichnung 1924

Turnhalle, Sportgelände und Apfelblütenfest
1926 wurde die Turn- und Sporthalle an der Jahnstraße gebaut (Bild links: Richtfest am 12.7.1925). Obernburg bekam damit auch einen repräsentativen Versammlungsort für den gesamten Landkreis.

46_1 Richtfest Stadthalle
46_4 Festplatz 2

Auf dem daneben angelegten Sportgelände Lahmenkaute feierte man ab 1931 in der Woche um Christi Himmelfahrt das Apfelblütenfest (Bild rechts), das sich bald zu einem beliebten Frühlingsfest am Untermain entwickelte. Damals gab es auf Obernburger Gemarkung 40.000 Apfelbäume. Im Frühjahr 1939 feierte man das letzte Fest vor dem Krieg. Erst 1949 entschloss man sich, wieder ein Fest abzuhalten.

Die Zeit von 1933-1949
Anfang 1933 wurde der Kandidat der Bayerischen Volkspartei, Kommerzienrat Heinrich Wörn, wieder zum Bürgermeister gewählt. Wie in vielen anderen Städten des Reiches drängten die Nationalsozialisten dann die parteifremden Mandatsträger aus dem Amt. Zwischen 1933 und 1945 erlebte die Stadt die Amtsperioden zweier nationalsozialistischer Bürgermeister.

Im Dezember 1937 wurde Hans Bräunig als Bürgermeister beurlaubt. Die NSDAP bestimmte den verdienten Parteigenossen Heinrich Störrlein aus Würzburg zum ersten berufsmäßigen Bürgermeister. Er übernahm sein Amt am 1.7.1938. Aber auch unter ihm wurden die meist christlich geprägten Obernburger keine glühenden Anhänger des Nationalsozialismus.

Das Dritte Reich brachte zunächst auch für Obernburg einen gewissen Aufschwung. Viele Arbeitslose fanden wieder eine Arbeit und ein bescheidenes Auskommen.

47_1 Soldaten vor Rathaus

Soldaten vor dem Rathaus

47_2 Häuser zerbombt 2

Haus in der Miltenberger Straße

Aber bald nach Kriegsbeginn änderte sich die Situation: Immer mehr Gefallenennachrichten erreichten die Familien. Bombennächte in Kellern und Unterständen ängstigten Frauen und Kinder. Einige Häuser wurden zerbombt.

Am 26. März 1945 sprengten deutsche Truppen die Mainbrücke, um den amerikanischen Vormarsch zu verzögern. Die Brückenreste zeugten noch lange nach Kriegsende vom katastrophalen Ende der NS-Zeit.

47_3 Mainbrücke gesprengt mit BahnhofMAL008

Nach dem Einmarsch der Amerikaner errichtete die amerikanische Militärregierung unter Captain Logan im Lehrerwohnhaus in der Römerstraße ihre Dienststelle. Obernburg wurde von den Besatzungssoldaten den Umständen entsprechend schonend behandelt.

48_1Nees Logan 1

In der Stadt herrschten Ruhe und Ordnung. Anton Reis wurde von den Amerikanern kommissarisch als Bürgermeister eingesetzt. Willy Nees, der 1946 zum ersten Nachkriegsbürgermeister gewählt wurde und dieses Amt bis 1964 inne hatte, führte danach Obernburg durch die Nachkriegsjahre und die Zeit des Wiederaufbaus.

 

 

Das Bild zeigt Willy Nees beim Chef der Militärregierung Major Logan.

Flüchtlinge und Heimatvertriebene
Zahlreiche Flüchtlinge und Heimatvertriebene mussten nach 1945 in Obernburg bei Familien oder in sieben Behelfsheimen aufgenommen werden. Viele fanden hier eine neue Heimat und halfen beim Wiederaufbau nach den schrecklichen Kriegsjahren. 1949 zählte man bei einer Gesamteinwohnerzahl von 3250 Personen 732 Zugezogene (ca. 30%). In jedem Haus herrschte damals eine heute unvorstellbare Enge. Viele Menschen wohnten in Sammelunterkünften, Baracken oder in Notwohnungen.

Obernburg hat wieder eine Mainbrücke

48_2 Mainbrücke und Anlage

 

Bis 1949 sorgte eine Motorfähre für die Verbindung zur Elsenfelder Seite. Erst ab dem 30. Juni 1949 konnte der Main wieder auf einer neuen Brücke überquert werden. Deren Eisen-konstruktion aus umfunktioniertem Pioniergerät wurde auf den Sandsteinpfeilern der zerstörten Brücke errichtet.

 

Die Jahre ab 1950
Der Aufschwung der Wirtschaftswunderzeit führte auch in Obernburg zu einem bescheidenen Wohlstand. So entstanden in den 1950er Jahren Neubaugebiete im Süden und im Norden der Stadt.

49_1 Odenwaldstr
49_2 Häuser Tiefental

Evangelische Kirchengemeinde

49_3 ev Kirche 2013

 

 

Die Zahl der evangelischen Christen war nach dem Krieg stark angewachsen und so entschloss man sich zu einem Kirchenbau. Am 16. September 1950 erfolgte der Erste Spatenstich. Am 8. Oktober war Grundsteinlegung und ein Jahr später konnte die Gemeinde am Himmelfahrtstag, dem 3. Mai 1951, die Einweihung der Kirche feiern.

Katholische Kirchengemeinde

49_4 alte Kirche

Nachdem Ende 1962 das neu errichtete Pfarrhaus bezogen werden konnte, wurde die katholische Pfarrkirche bis auf den Kirchturm abgerissen und neu erbaut. Die Einweihung erfolgte 1966.

49_5 Kirche Luftbild 1965

Obernburg wird überregionale Schulstadt

50_1 Berufs- und Realschule

 

Im Niedernfeld entstand ein aus-gedehntes Schulzentrum. Zunächst bekamen 1955 Berufsschüler eine zentrale Ausbildungsstätte. Im Dezem-ber 1963 wurde der Neubau der von Klingenberg nach Obernburg verla-gerten Realschule eingeweiht. Neuer-dings befinden sich auch die Fach-oberschule und die Berufsoberschule dort.

 

Aussiedlerhöfe entstehen
Kleinbäuerliche Betriebe wurden aufgegeben. Einige Landwirte wagten den Sprung aus dem Zentrum der Stadt, so wie die Familie Klimmer im Jahre 1959 und gründeten Aussiedlerhöfe am Oberen Neuen Weg und auf den Hochfluren. Die neuen Höfe spezialisierten sich.

50_3 Aussiedlerhof Klimmer
50_2 Haus Klimmer alt

Kleiderfabriken statt Heimschneiderei
Viele Heimschneider (1908 beschäftigten die Aschaffenburger Kleiderfabriken 2350 Heimarbeiter), die bisher in ihren Wohnungen Kleidungsstücke herstellten und diese an den Abliefertagen in großen blauen Säcken zu den Kleiderfabriken brachten, fanden nun in neu entstandenen Kleiderfabriken eine Beschäftigung bei geregeltem Verdienst.

50_4Heimschneider1 50_5 Weidenmann1 50_6 Weidenmann 2

Links: Heimschneiderwerkstatt im Museum Klingenberg, Mitte und rechts: Kleiderfabrik Weidenmann im Weidig

Obernburg verliert Kreissitz
Als 1972 in Bayern eine Verwaltungsreform durchgeführt und Landkreise vergrößert wurden, verlor Obernburg nach heftigen Diskussionen den Sitz der Kreisverwaltung an Miltenberg. Immerhin behielt Obernburg eine Nebenstelle des Landratsamtes und bekam den Hauptsitz des Finanzamts und des Amtsgerichts zugesprochen.

51_2Autokennzeichenjpg
51_1 Karte Landkreis MIL
51_3 Schild Obb Mil

Eingliederung von Eisenbach
Am 1. Mai 1978 wuchs die Stadt durch die verwaltungsmäßige Eingliederung von Eisenbach. Man zählte damals zusammen über 7500 Einwohner. Die Neubaugebiete auf den Südhängen (ab 1964) und das Industriegebiet Weidig waren ohnedies schon nahe an die Gemarkungsgrenze von Eisenbach herangerückt.

51_4 Eisenbach Eingemendung Imhof Hohm Mai 1978_1

Das Bild zeigt die damaligen Bürgermeister Wendelin Imhof (Obernburg) und Emil Hohm (Eisenbach).

51_5 Eisenbach Eingliederungsstein

In Eisenbach erinnert dieser Gedenkstein an die Eingliederung.

Umgehungsstraße und Mainbrücke

52_1 Verkehrsstau Römerstrasse

So brachten der Bau (ab 1977) der Umgehungsstraße (B469), die am 19.10.1979 provisorisch eröffnet werden konnte und die am 5.11.1981 eingeweihte neue Südbrücke eine wesentliche Verbesserung der Lebens-qualität der Altstadtbewohner.

Die zunehmende Motorisierung be-deutete für die Altstadt von Obernburg eine enorme Belastung. Die Mainstraße mit der Brücke und die Römerstraße zusammen mit der Lindenstraße waren durch den Durchgangs-verkehr überlastet.

52_2 Verkehr auf Mainbrücke alt

Die alte Mainbrücke und das Zollhäuschen wurden bis Ende 1983 abrissen, nachdem die B469 auch hier vierspurig ausgebaut war. Auf ihren Pfeilern entstand der Ende 1984 eingeweihte Fußgängersteg, der nun die Altstadt mit der Elsenfelder Seite verbindet.

52_3 Brücke und Steg

Am Pfeiler an der Obernburger Seite erinnern noch die Grundsteine der ersten beiden Brücken mit den Jahreszahlen 1890 und 1948 an die Vorgängerbauten.

52_4 Steg Brücke Glanzstoff 52_5 Grundsteine Brücken

Altstadtsanierung und Stadtentwicklung
Auch das Stadtbild änderte sich ab den 1950er Jahren. Das wird Thema in einem der nächsten Obernburger Blätter sein.

Hier soll unser Rückblick, bei dem wir nicht alles aus der jüngsten Vergangenheit aufführen konnten, enden.  

Wie wir sehen konnten, haben unsere Vorfahren in den letzten sieben Jahrhunderten vieles getan, ihre und unsere Stadt Obernburg trotz aller Rückschläge weiterzuentwickeln. Das sollte für uns alle, die heute in dieser Stadt wohnen und arbeiten, Ansporn für die Zukunft sein.

 

Heinz Janson und Helmut Wörn

 

Quellen der gesamten Ausgabe:
1900 Jahre Obernburg am Main von Leo Hefner, 1984
Geschichte der Stadt Obernburg von Hofrath Dr. Kittel
Geschichte und Topographie der alten Grafschaft und Cent Ostheim und der Stadt Obernburg von   Johann Wilhelm Christian Steiner
Chronik des Amtsgerichts Obernburg von Hans Stockmann
Streiflichter aus Obernburg von Leo Hefner, Heft 1 und Heft 2
Obernburg am Main, Ein Stadtrundgang von Leo Hefner
Landkreis Miltenberg, Geschichte, Zeugnisse, Informationen von Friedrich Müller
Obernburg in alten Ansichten von Leo Hefner
Obernburg am Main, Geschichte in Bildern seit der Jahrhundertwende, 1995, Leo Hefner
100 Jahre Gesangverein Obernburg
Vorträge von Dr. Werner Trost
Archiv Stadt Obernburg
Obernburger Blätter Ausgaben 1 bis 14
Archiv Heimat- und Verkehrsverein Obernburg
Mainzer Risse + Pläne Nr. 46 von 1615, Staatsarchiv Würzburg